Jörg NürnbergerSPD - Aktuelle Stunde: Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts Israels
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Debatte möchte ich schon zum Ausdruck bringen, dass ich es vonseiten der Union einigermaßen anmaßend finde, der Bundesregierung unterstellen zu wollen, man hätte mit Absicht Waffenlieferungen an Israel verzögert
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: War es damit unabsichtlich? Das ist ja noch schlimmer!)
oder gar bewusst über Monate hinweg zurückgestellt.
Vergegenwärtigen wir uns die Situation: Am 7. Oktober 2023 hat die Hamas Israel angegriffen und unendliches Leid über die israelische Bevölkerung gebracht; die Zahlen sind heute genannt worden. Dieses Trauma wird die Menschen in Israel über Generationen belasten; es hat sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis dieser Nation. Die sogenannte Achse des Widerstands hat Israel zum gemeinsamen Feind erklärt. Die Hamas greift aus Südwesten an, die Hisbollah aus dem Norden, der Iran aus dem Osten, die Huthis aus dem Jemen im Süden.
In dieser Situation – das ist der Konsens unter den demokratischen Fraktionen im Haus – ist es rechtlich, politisch und militärisch zulässig, dass sich der Staat Israel an allen diesen vier Fronten verteidigt: gegen die Hamas, gegen die Hisbollah, gegen die Huthis und natürlich auch gegen den Urheber, den Iran.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir als Deutschland stehen dabei fest an der Seite Israels. Daran gibt es bei den demokratischen Kräften in diesem Haus keinen Zweifel und auch kein Wenn und Aber. Dazu hat sich der Bundeskanzler eindeutig und mehrfach bekannt.
Diese Unterstützung umfasst eben auch militärische Güter und damit auch Waffen und Munition aus Deutschland. Gibt es solche Entscheidungen im Bundessicherheitsrat, die aus sehr guten Gründen geheim sind, damit sie in allen ihren Aspekten beraten werden können, ohne dass die Öffentlichkeit in allen Details mitsprechen kann, wird das BMWK diese Ausfuhren formal genehmigen. Dieses Verfahren ist seit vielen Jahren eingeübt und galt auch zu Zeiten, als die Kanzlerin noch Dr. Angela Merkel hieß. Jeder Einzelantrag ist sorgfältig zu prüfen. Es zeigt sich doch, dass auch bei unseren Partnern und dem wichtigsten Verbündeten Israels, den USA, diese Diskussion im Detail geführt wird. Man kann diese Diskussion nicht einfach leichtfertig zur Seite schieben.
Einer der Gründe, warum diese Diskussionen zu führen sind, ist die Abschätzung der Auswirkungen von Waffenlieferungen auf die Zivilbevölkerung. Wir wissen alle, dass Kriegseinsätze dazu führen, dass auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir müssen abwägen, ob unsere Waffenlieferungen dazu einen Beitrag leisten oder ob wir durch die Nichtlieferung von Waffen dort vielleicht etwas Schreckliches verhindern können. Alle diese Argumente müssen abgewogen werden, und am Ende muss eine vernünftige Entscheidung getroffen werden.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Aber doch nicht sechs Monate lang!)
Es geht darüber hinaus um die Angriffe auf unsere Soldatinnen und Soldaten, auf die Soldatinnen und Soldaten der im Südlibanon stationierten UNIFIL-Truppen, die zwischen die Fronten Israels und der Hisbollah geraten sind. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass dieser Einsatz nicht zuletzt der Verbesserung der Sicherheit Israels dient, auch wenn er in der Vergangenheit nicht alle Angriffe aus dem Süden Libanons gegen Israel verhindern konnte und es leider auch jetzt nicht kann. Rund 10 000 Soldatinnen und Soldaten aus vielen Ländern, darunter etwa 100 deutsche Kräfte, sind an Land und auf See eingesetzt. Sie sind in den letzten Tagen mehrmals unter Beschuss geraten. Es gibt Berichte, dass sie dem Einsatz von Reizgas ausgesetzt wurden.
Hier muss ganz klar eine Grenze gezogen werden. Angriffe auf UN-Truppen sind ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Solche Angriffe sind nicht hinnehmbar, und sie müssen eingestellt werden. Das darf man auch unter Freunden ausdrücklich so sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch im Rahmen der Selbstverteidigung Israels darf die Mission UNIFIL nicht Ziel von Angriffen sein. Es ist eine Verpflichtung, die der Staat Israel selbst eingegangen ist, die nicht von außen vorgegeben wird. Es zeichnet demokratische Staaten eben auch aus, dass sie sich an solche Verpflichtungen halten, und grenzt sie von der Barbarei von Terroristen ab, wie sie die Hamas begeht.
Für unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort tragen wir als Abgeordnete, vor allen Dingen auch wir als Mitglieder des Verteidigungsausschusses, in besonderem Maße Verantwortung. Wir sind es, die die Einsätze beschließen.
Wir erwarten von der Bundesregierung und der Bundeswehr, dass sie auch weiterhin aufmerksam die Entwicklung der Lage im Süden Libanons beobachten und bei einer möglichen dramatischen Lageentwicklung die notwendigen Maßnahmen zum Schutz unserer Kräfte ergreifen werden. Ich danke unseren eingesetzten Soldatinnen und Soldaten, die bei UNIFIL, aber auch in der Region, in Jordanien und im Irak, zur Stabilität des Nahen Ostens und damit auch zur Sicherheit Israels beitragen.
(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Reinhard Houben [FDP])
Wir unterstützen die Bundesregierung und ganz besonders auch Sie, Frau Außenministerin, bei Ihren Bemühungen, die Lage in der Region zu stabilisieren. Wir stehen dazu, Israel auch mit militärischen Gütern zu beliefern. Diese Zusammenarbeit in der Rüstung ist nämlich nicht nur einseitig; auch wir profitieren davon. Israel unterstützt Deutschland beim Aufbau einer wirksamen Luftverteidigung, und das ist gut so.
Am Ende würde ich mir wünschen – das sage ich in Richtung der Union und Teilen der FDP –: Wir sollten diese Debatte versachlichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort erhält Amira Mohamed Ali für die Gruppe BSW.
(Beifall beim BSW)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616887 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Unterstützung des Selbstverteidigungsrechts Israels |