Laura KraftDIE GRÜNEN - Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Beschäftigte in der Wissenschaft! Es gibt meiner Beobachtung nach drei Wege, eine Kollegin oder einen Kollegen in der Wissenschaft zu verlieren. Der eine Weg ist der, wo am Ende der nächste Karriereschritt steht. Oftmals geht er einher mit einer Laudatio, mit Glückwünschen, dem berühmten lachenden und zugleich weinenden Auge, Beifall, gerne auch mit einem kleinen oder vielleicht auch größeren Sektempfang.
(Heiterkeit des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es gibt den zweiten Weg, wo sich Kolleginnen und Kollegen aus persönlichen oder beruflichen Gründen noch einmal neu orientieren. Und es gibt den Weg, wo am Ende kein Sektempfang wartet, sondern wo einfach nur der Name an der Bürotür entfernt wird. Kein Beifall, sondern maximal aufmunterndes Schulterklopfen. Danke, Wissenschaftszeitvertragsgesetz!
Ja klar, wir können jetzt hier auch über Arbeitskultur und Umgang in der Wissenschaft allgemein sprechen; aber darum geht es hier nicht. Es geht um die unhaltbaren Zustände prekärer Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft, und die werden zu Recht seit Jahren moniert. Und zu Recht haben sich Initiativen gegründet, um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zu Recht sind auch viele Professorinnen und Professoren an Bord; denn die Auswüchse dauerhafter Befristungen schaden der Attraktivität des Hochschul- und Wissenschaftsstandorts Deutschland, und das in einem hoch kompetitiven internationalen System.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb hat auch zu Recht der Bildungs- und Forschungsausschuss im Sommer eine Petition mit 63 000 Unterschriften für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bekommen.
Wir sind uns hier, glaube ich, alle weitestgehend einig – so habe ich es auch in den Reden vernommen –, dass es eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes braucht. Aus guten Gründen haben wir uns das als Koalition vorgenommen: eine Reform auf Grundlage der Evaluation des WissZeitVG. Diese Evaluation hat gezeigt, dass mehr als 80 Prozent der Beschäftigten im Mittelbau befristet tätig sind, und sie können ihre Karriere deshalb nur schwer planen. Die Tatsache, dass wir als Koalition schon fast zwei Jahre an einer Reform feilen, zeigt erstens, wie komplex dieses Gesetz ist, und zweitens, dass wir es uns nicht leicht machen,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
dass wir es uns auch nicht leicht machen können. In einem Gesetz müssen bestmöglich sämtliche Bedarfe unseres Hochschul- und Forschungssystems von den Universitäten über die HAWs bis zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie sämtliche Fachdisziplinen abgebildet werden.
Die Probleme sind hinlänglich bekannt – ich will sie hier nicht alle ausführen –, und nahezu alle Argumente sind ausgetauscht. Daher müssen jetzt Lösungen her.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Deshalb begrüßen wir es, dass wir jetzt im parlamentarischen Verfahren sind und dass wir den Gesetzentwurf des BMBF diskutieren. Die Akteure in der Wissenschaft benötigen endlich Klarheit und Verlässlichkeit. Es darf nicht länger eine Hängepartie geben. In dem Entwurf des BMBF – das haben wir eben auch schon gehört – stehen schon einige wichtige Verbesserungen drin, die die Lage der Beschäftigten verbessern und die Planbarkeit der Karrierewege erhöhen. Erstmals haben wir im Wissenschaftszeitvertragsgesetz Mindestvertragslaufzeiten, und sowohl die studentischen Mitarbeitenden, die Doktoranden wie auch die Postdocs sind da bedacht. Wir haben eine familienpolitische Komponente ausgeweitet. Wir geben den Tarifpartnern mehr Gestaltungsspielraum. Und in dem Gesetz verdeutlichen wir als Gesetzgeber, dass bei Daueraufgaben auch eine Dauerstelle das Ziel ist, und nichts anderes.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Am meisten diskutiert haben wir bisher aber die sogenannte Postdoc-Phase, und das ist die mit der maximalen Höchstbefristung. Die Frage danach wird auch in der Community am meisten diskutiert. Diese Befristung liegt aktuell bei sechs Jahren. Im Gesetzentwurf des BMBF gibt es nun aber den Vorschlag einer Verkürzung auf vier Jahre plus zwei Jahre, wenn danach eine Anschlusszusage folgt; die Frau Ministerin hat es eben ausgeführt. Wir als Grüne sind dabei aber skeptisch; denn eine entfristete Stelle muss ja erst mal da sein. Es ist zu befürchten, dass es vielleicht de jure diese Anschlusszusage gibt, aber die Stelle de facto nicht da ist. Dann würde letzten Endes eine Verkürzung auf vier Jahre in der Postdoc-Zeit die Regel, und dadurch würde der Druck auf die Beschäftigten steigen und sich das Ganze letztlich in den Bereich der Drittmittel verlagern. Das wollen wir vermeiden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb werden wir nacharbeiten. Selbst die FDP ist öffentlich schon von diesem Vorschlag zurückgerückt. Und wir Grüne? Wir sind am Gelingen interessiert. Für uns ist klar, dass mit uns keine Gesetzesreform zu machen ist, die die Situation der Beschäftigten verschlechtern würde, sondern wir wollen strukturelle Verbesserungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es muss ein Gesetz sein, das in der Praxis funktioniert, das machbar ist und das auch bessere Rahmenbedingungen schafft.
(Stephan Albani [CDU/CSU]: Wirklich sehr überzeugend!)
Es kann keine politischen Formelkompromisse geben, wie wir sie mit dem ganzen Hin und Her der Genese dieses Gesetzentwurfes schon allzu oft gesehen haben.
Ja, es ist mittlerweile eine Binsenweisheit: Das WissZeitVG allein schafft keine Dauerstellen; das ist, glaube ich, auch allen klar. Und deshalb brauchen wir ein Bund-Länder-Programm. Es ist eine wichtige Brücke, um den Ländern und den Hochschulen zu ermöglichen, entsprechende Stellen zu schaffen. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Programm kommt. Wir haben einen Konsens im Koalitionsvertrag, und wir haben ihn mit der Mehrheit aus der Mitte des Parlaments über den Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses erneuert. Das brauchen wir jetzt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Ministerin, legen Sie bitte ein Konzept vor. Niemand braucht einen weiteren Gesprächskreis. Wir brauchen endlich ein Konzept für dieses Bund-Länder-Programm; denn die Beschäftigten und auch die Akteure in der Wissenschaft brauchen Verlässlichkeit.
(Stephan Albani [CDU/CSU]: Ihr seid aber schon noch zusammen, oder?)
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist der Kollege Lars Rohwer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt aber!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7616933 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft |