Michael SchrodiSPD - Steuerreform f. Familien, Mittelstand u. Unternehmen
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der AfD zum ersten Mal dankbar für einen Antrag; denn es ist gut, dass wir in dieser Woche über Steuern, über Verteilungsgerechtigkeit, über wirtschaftliches Wachstum reden.
Zur AfD und zu dem Antrag ist eigentlich sehr schnell alles gesagt: Sammelsurium, nur Einzelmaßnahmen. Wenn man sich die Studien zum AfD-Finanz- und -Steuerprogramm, die es ja gibt, genau anschaut, dann sieht man, dass drei Merkmale immer wieder auftauchen: Erstens. Die Steuersenkungen, die Sie vorschlagen, kommen Spitzenverdienern zugute.
(Dr. Michael Kaufmann [AfD]: Haben Sie nicht zugehört?)
Zweitens. Niedrigere Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wären eine Folge Ihrer Politik, gerade bei den kleinen Einkommen. Und drittens. Sie wollen das Sozialsystem massiv beschneiden: bei Rente, bei Kindergeld. Ihre Vorschläge würden Bestverdienende entlasten, kleine und mittlere Einkommen stärker belasten. Das ist mit uns nicht zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir wollen das Gegenteil.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich finde es gut, dass wir heute über Steuern reden; denn wir als SPD haben in dieser Woche klargemacht, was wir in der Steuerpolitik wollen. Wir wollen das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Wir wollen Politik für die große Mehrheit der Menschen.
(Steffen Janich [AfD]: Dann macht’s doch endlich!)
Wir wollen 95 Prozent der Menschen entlasten. Dafür müssen die höchsten Einkommen ein Stück weit stärker belastet werden. Ich halte das für richtig. Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit, auch in der Einkommensteuer.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Der Esken-Vorschlag ist doch für die Tonne!)
Jetzt haben wir dankenswerterweise auch eine Stellungnahme vom Oppositionsführer zu diesem Vorschlag gehört. Herr Merz hat gesagt, das 1 Prozent der höchsten Einkommen seien die Leistungsträger unserer Gesellschaft.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ach, die alte Leier! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Sie haben es nicht verstanden!)
Das ist übrigens der Herr Merz, der einer Zeitung im Jahr 2018 sagte, er verdiene rund 1 Million Euro brutto im Jahr, 83 000 Euro brutto im Monat, unter anderem als Aufsichtsrat und gut vernetzter Lobbyist für die Finanzheuschrecke BlackRock. Das ist der Herr Merz, der irreführend so tut, als sei das die gehobene Mittelschicht. Das ist sie nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Schauen wir, damit wir ein bisschen mehr Klarheit in diese Steuerdebatten bekommen, doch mal genau in die Datensammlung zur Steuerpolitik 2024 des Finanzministeriums.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Da ist ja Trump besser!)
Ab wann gehört man eigentlich zu den 5 Prozent der höchsten Einkommen in diesem Land? 11 000 Euro brutto und mehr.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Im Monat!)
– Im Monat. – Und ab wann gehört man zu dem 1 Prozent der Höchsteinkommen? Bei über 23 000 Euro brutto.
(Johannes Schraps [SPD]: Jetzt kann sich jeder mal fragen, wer dazugehört!)
– Da kann sich jeder fragen, wer dazugehört. – Übrigens ist das immer noch weit weg vom Einkommen des Oppositionsführers Merz damals. „ Der Spiegel“ schreibt deshalb zu Recht, wie ich finde, Friedrich Merz wolle eine bestimmte Illusion erschaffen:
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Jetzt sagt mal, was ihr wollt!)
die Illusion, dass der ehemalige BlackRock-Funktionär und Multimillionär Merz volksnah sei.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Herzlich willkommen im Wahlkampf!)
Seine Aussagen zu den Leistungsträgern zeigen deutlich: Das Gegenteil ist der Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Willkommen im billigen Wahlkampf! Billiger Wahlkampf!)
Die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger machen wir nicht am Kontostand fest. Das sind Krankenpfleger, die Erzieherin, die Alleinerziehende, der Facharbeiter in der Industrie, auch die ehrenamtlich Tätigen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die haben Sie doch im Stich gelassen! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Elterngeld streichen!)
Denen gebührt der Respekt, und die wollen wir entlasten, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: „Respekt“! „Respekt“!)
Das tun wir übrigens auch mit einigen steuerlichen Maßnahmen in den Gesetzen, die wir in den nächsten Wochen auf den Weg bringen.
Noch einige falsche Behauptungen, die in solchen Steuerdebatten immer wieder auf den Tisch kommen:
Erstens dazu, dass schon der Facharbeiter oder die Facharbeiterin nach diesen Vorschlägen stärker besteuert würde.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Der streichen Sie das Elterngeld! Sie streichen das Elterngeld!)
Wenn man es sich mal genauer anschaut: Das Medianeinkommen – also genau die Mitte – von Facharbeitern in Deutschland beträgt 3 225 Euro brutto, das vom Facharbeiter in leitender Funktion in der Automobilindustrie 6 500 Euro brutto. Das ist weit weg von den obersten 5 Prozent und weit weg von dem obersten 1 Prozent.
(Johannes Schraps [SPD]: Wo ordnen Sie sich eigentlich ein, Herr Brehm?)
Deswegen wollen wir die 95 Prozent der Einkommensteuerzahlerinnen und -steuerzahler entlasten: weil sie es verdient haben und weil sie weit weg sind von den Beträgen, ab denen unsere Steuervorschläge greifen würden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Ein weiterer gängiger Mythos ist: Über 50 Prozent des Steueraufkommens werden doch von den 10 Prozent der höchsten Einkommen aufgebracht. Ja, das gilt für die Einkommensteuer. Wenn man sich das Gesamtsteueraufkommen anschaut, bringt den größten Batzen des Steueraufkommens die Umsatzsteuer. Die hat nur einen großen Nachteil: Sie wirkt regressiv. Was heißt das? Dass diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen einen weitaus höheren Anteil an Umsatzsteuer zahlen müssen als diejenigen mit den höchsten Einkommen.
(Jörn König [AfD]: Die haben Sie doch erhöht! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist doch komplett falsch, was Sie da erzählen! Sie haben keine Ahnung von Steuern! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ihr wollt alle ärmer machen!)
Und mit entsprechend hohen Einkommen korrespondiert oft auch ein hohes Vermögen. Auch bei der Besteuerung von Vermögen haben wir im internationalen Vergleich sehr geringe Steuern. Das heißt, auch das ist ein guter Grund, bei der Einkommensteuer gegenzusteuern und zu sagen: Wir wollen kleine und mittlere Einkommen entsprechend entlasten.
(Beifall bei der SPD)
Drittens und letztens. Ja, Leistung muss sich lohnen. Wir belasten Arbeit immer noch zu hoch und Vermögen zu gering.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja! Ihr als SPD! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wenn ihr mal regiert, könnt ihr das ja besser machen!)
Die Chance auf ein gutes oder besseres Leben darf nicht vom Geldbeutel der Eltern, darf nicht von Erbschaften abhängen, sondern es muss eine Leistung erbracht worden sein. Das wollen wir.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das Bürgergeld erhöht! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: 13 Prozent mehr Bürgergeld!)
Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und übrigens auch eine Frage der volkswirtschaftlichen Vernunft. Denn wenn wir denjenigen mit kleinen und mittleren Einkommen mehr Geld im Geldbeutel lassen, stärkt das die Kaufkraft und die Nachfrage und damit die Wirtschaft. Das sind unsere Vorstellungen. Wir lehnen deshalb die Vorstellungen der AfD ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hermann-Josef Tebroke, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 193 |
Tagesordnungspunkt | Steuerreform f. Familien, Mittelstand u. Unternehmen |