16.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 193 / Tagesordnungspunkt 6

Hermann-Josef TebrokeCDU/CSU - Steuerreform f. Familien, Mittelstand u. Unternehmen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schrodi, wenn Sie von den Konzepten, die Sie da ausgebreitet haben, so überzeugt sind, dann stellt sich natürlich die Frage: Warum setzen Sie die nicht um?

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Seit Jahrzehnten nicht!)

Oder gehören Sie nicht zur die Regierung tragenden Ampel?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Volker Münz [AfD] – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Große Klappe, nichts dahinter!)

Meine Damen und Herren, wir beraten heute einen Antrag der AfD mit der Drucksachennummer 20/13356 mit Datum vom 15. Oktober 2024. Der Antrag ist sehr kurzfristig vorgelegt worden, was in der Regel darauf schließen ließe, dass es sich um ein sehr aktuelles Thema handelt oder um eine dringende Frage, die kurzfristig zu beantworten wäre. Wenn wir in den Antrag schauen, stellen wir fest: Das ist offenbar nicht der Fall. Der Antrag ist weitläufig angelegt, inhaltlich unbestimmt, in einigen Teilen sogar widersprüchlich und in der zeitlichen Perspektive unklar.

Warum diese Eile? Vielleicht ein kurzer Blick in die Begründung des Antrags. Da heißt es, dass es „eine grundlegende Reform des deutschen Steuersystems“ geben soll, „eine programmatische Kernforderung aus dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021“. Ups! Jetzt könnte man vermuten, dass die Antragsteller aufgeräumt haben, festgestellt haben, dass die Legislatur ja noch höchstens vielleicht ein Jahr dauert,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Zwei Monate!)

dass ein Kernanliegen aus den Wahlversprechen nicht bearbeitet worden ist – und eine konkrete Idee gab es auch nicht.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Also referenziert man auf das Kirchhof-Modell, überlässt die Erfüllung des Wahlversprechens der Bundesregierung – so auch der Beschlussvorschlag –, aber nicht ohne einige unausgegorene Hinweise, Maßgaben und Forderungen zu formulieren, die das Ganze am Ende noch schwieriger und komplexer machen und viel mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten geben würden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Jetzt mal konkret!)

Und dann könnte man, wenn die Bundesregierung so kurz vor Toresschluss nicht liefern kann, sagen, man habe es doch versucht, aber man sei halt nicht an der Regierung. Das ist nicht seriös, und allein das wäre für uns schon Grund genug, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Worum geht es in dem Antrag? Dem Titel nach geht es um ein Programm für Deutschland, um einen neuen Weg für die Ertragsteuern, um eine grundlegende Steuerreform, um Entlastung von Familien, Mittelstand und Unternehmen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wäre doch gut!)

Das klingt vielversprechend, und das ist gut. Die Ausgangslage brauche ich, glaube ich, nicht zu kommentieren; dem stimmen wir zu. Das Steuerrecht ist dringend zu reformieren; das haben wir heute noch in der öffentlichen Anhörung unseres Antrags zur Unternehmensteuerreform unterstrichen bekommen.

(Jörn König [AfD]: Also stimmen Sie zu?)

Sie als AfD wollen jetzt eine tiefgreifende und grundlegende Reform des Ertragsteuerrechts und beauftragen damit die Bundesregierung. So weit, so gut. Ist der Auftrag auch klar und deutlich formuliert? Wie sind die Ziele formuliert? Was haben Sie für Kriterien? Gibt es einen Ansatz? Gibt es konkrete Maßgaben, die plausibel sind? Ziele formulieren Sie: Familien entlasten. – Welche Familien? Nur die ärmeren, die reicheren? Allein aus dem Einkommensteuerrecht? Kann das gelingen, zumindest im ersten Entwurf? Sie wollen Unternehmen von Bürokratie und Steuerbelastung entlasten, sprechen vom Mittelstand. Ist damit nur ein Teil der Unternehmerschaft gemeint? Sie wollen aber auch, dass der Staat sich ausreichend finanziert, weil er ja noch viele Aufgaben habe: Er soll noch mehr für Bildung und Infrastruktur machen. Sie wollen gleichzeitig die Gewerbesteuer abschaffen und die Grundsteuer auch noch. Und die Kommunen sollen so ihre Aufgaben erledigen? Fragwürdig, äußerst fragwürdig.

Die Kriterien, die Sie auflisten, sind bekannt: Transparenz, Akzeptanz, Verständlichkeit. Sie wollen Steuergerechtigkeit – Sie schreiben: „Die Progressivität der Steuer ist ein zentrales Element für die Umsetzung von Steuergerechtigkeit“ – und fordern anschließend eine Flat Tax.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, kommen wir zum Konzept. Da macht es sich der Antragsteller leicht; denn er verweist auf das Kirchhof-Konzept aus 2011. Sie wissen, dass nicht nur meine Person, sondern unsere ganze Fraktion eine große Portion Sympathie für dieses Konzept hegt. Das ist ein Referenzmodell, ein Orientierungsrahmen, nicht dazu gedacht, ihn eins zu eins umzusetzen, zumal nicht, ohne ihn in die heutige Zeit zu übersetzen. Sei’s drum.

Sie schlagen einen einheitlichen Ertragsteuersatz als Flat Tax vor – 22 Prozent reichen – und wollen einen kommunalen Zuschlag, eine Gemeindewirtschaftsteuer, von 3 Prozent – geschenkt. 25 Prozent Maximalbesteuerung klingt gut. So weit, so klar. Und jetzt kommen Sie und hängen doch noch einige Forderungen dran, Maßgaben, die nicht plausibel sind: Grundfreibetrag 15 000 Euro. Wieso 15 000 Euro? Warum ein Kinderfreibetrag von nur 12 000 Euro und nicht in Höhe des Erwachsenenfreibetrags? Sie wollen ein Familiensplitting einführen. Wir erinnern die Diskussion eines Antrags von Ihnen. Nur, was soll das bringen, wenn der Tarif gar nicht progressiv ist?

(Jörn König [AfD]: Der ist progressiv!)

Sie wollen eine steuerliche Privilegierung und Abzugsmöglichkeiten für Ausgaben in der Gesundheits- und Altersvorsorge. In welchem Rahmen? Wie wollen Sie das abgrenzen? Das Kindergeld wollen Sie erhalten und nicht einer Günstigerprüfung unterziehen. Also ist das doch eine Sozialleistung, wobei Sie an anderer Stelle beklagen, der Sozialstaat sei hypertrophiert.

Fazit: Wenn Sie nur eine Debatte über die Reformbedürftigkeit des Steuergesetzes wollen – einverstanden, nicht nötig, haben wir schon längst erkannt.

Herr Kollege, so gern ich Ihrer Rede lausche, Sie müssen zum Schluss kommen.

Was Sie hier vorschlagen, ist ein Modell – ich komme zum Schluss –, das im Grunde genommen nur auf Kirchhof referenziert, mit Maßgaben bestückt wird, die alles nur schlimmer machen. Schade, das ist ein wichtiges Thema – Thema verfehlt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir auf dieser Grundlage fruchtbare Beratungen führen können. Wenn möglich, würden wir den Antrag schon heute ablehnen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Legen Sie doch mal was vor!)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Sebastian Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7616957
Wahlperiode 20
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Steuerreform f. Familien, Mittelstand u. Unternehmen
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