Annika KloseSPD - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Wir haben einen AfD-Antrag vorliegen, bei dem es im Titel „Bürgergeld auf Arbeitsvermittlung fokussieren“ heißt. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Das ist bereits der Fall; Ihr Antrag ist also tatsächlich hinfällig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was Sie in Ihrem Antrag darstellen, ist, dass es einerseits Menschen im Bürgergeld gibt, die erwerbsfähig sind, und andererseits solche, die es nicht sind. 3,9 Millionen Menschen im Bürgergeld sind erwerbsfähige Arbeitslose; das sind 71 Prozent der Bürgergeldempfänger/-innen; von den restlichen ungefähr 30 Prozent sind die meisten Minderjährige unter 15 Jahren.
Von diesen 3,9 Millionen erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeld sind aber tatsächlich nur 1,7 Millionen Menschen arbeitslos. Der Rest pflegt Angehörige, betreut Kinder, nimmt an Maßnahmen teil oder befindet sich in Aus- oder Weiterbildung.
Was möchte nun die AfD? Die AfD möchte selektieren zwischen denjenigen, die tatsächlich arbeitslos sind – die sollen eben eine Arbeitsvermittlung bekommen –, und denjenigen, die nicht als arbeitslos oder erwerbsfähig gelten. Die möchte sie aussortieren und aufs Abstellgleis stellen; denen möchte sie eben keine Unterstützung mehr zukommen lassen, sondern die sollen schön ins SGB XII abgeschoben werden.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten können das nicht unterstützen; denn für uns gilt: Alle Menschen sollen eine Perspektive und eine Chance bekommen. Und genau das haben wir mit dem Bürgergeld auch umgesetzt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP])
Jetzt fragt man sich ja immer wieder: Wer sind denn eigentlich diese Menschen, die heutzutage arbeitslos sind? Wir hatten ja eigentlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine gute Arbeitsmarktlage, einen Arbeitsmarkt, der sehr aufnahmefähig war,
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Wer hat’s gemacht? 16 Jahre Union!)
einen Fach- und Arbeitskräftemangel. Und deshalb ist ja immer wieder die Frage: Wer sind eigentlich die Leute, die arbeitslos sind?
Wenn man sich die Zahlen mal anguckt, dann stellt man schnell fest: 800 000 Menschen, die Bürgergeld beziehen, stocken auf. Das heißt, sie arbeiten, aber sie können von ihrer Arbeit schlicht und ergreifend nicht leben.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ja, dank Ihrer Politik!)
Ein Drittel aller Alleinerziehenden in diesem Land – 550 000 Menschen – müssen Bürgergeld bekommen, weil der Lohn, den sie für ihre Arbeit bekommen, nicht ausreicht, um sich und ihre Kinder zu finanzieren.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Traurig!)
Diese Menschen brauchen unsere Unterstützung und brauchen das Bürgergeld. – Richtig, das ist traurig; daran muss man was ändern. Ihr Antrag tut das aber nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP] – Hannes Gnauck [AfD]: Sie ja offensichtlich auch nicht!)
Wenn man sich mal anschaut, was eigentlich das größte Vermittlungshemmnis bei Langzeitarbeitslosen ist, dann sagen 60 Prozent: Es sind gesundheitliche Probleme, weshalb sie gerade nicht in Arbeit sind. Das kann körperlicher oder auch psychischer Natur sein. Wir haben mit dem Bürgergeld jetzt den Fokus darauf gesetzt, diese Menschen trotzdem wieder in Arbeit zu bringen und sie dabei zu unterstützen, neue Perspektiven zu bekommen. Wer zum Beispiel in seinem bisherigen Job nicht mehr arbeiten kann, soll neue Chancen bekommen. Wir unterstützen die Menschen, indem wir eben eine ganzheitliche Beratung eingeführt haben und man individuell schaut: Was sind die nächsten Schritte, die gegangen werden müssen, um Menschen wieder in Arbeit bringen zu können?
(Sebastian Roloff [SPD]: Genau!)
Wie geht das denn? Der Kooperationsplan wird geschlossen, und man kann beispielsweise jetzt auch gleichrangig eine Umschulung oder eine Weiterqualifizierung fördern; das war bisher nicht der Fall. Es gab den sogenannten Vermittlungsvorrang; den haben wir abgeschafft. Gleichrangige Qualifizierung: Das ist der Weg. Denn zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen haben keinen Berufsschulabschluss.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP])
Für viele, die lange arbeitslos sind, ist der Weg zurück in Arbeit aber sehr schwierig. Die Menschen brauchen wieder Struktur und brauchen Unterstützung. Deswegen haben wir Coaching und Beratung eingeführt. Wir nehmen die Leute also an die Hand und unterstützen sie dabei, nach langen Jahren der Arbeitslosigkeit wieder erste Schritte auf dem Arbeitsmarkt zu gehen.
Wer wirklich große Herausforderungen hat, für den haben wir mit dem Bürgergeld den sozialen Arbeitsmarkt entfristet. Der § 16i SGB II ist ein tolles Projekt, eine tolle Maßnahme, die eben auch sehr gut evaluiert wurde.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Mehr Geld dafür, Frau Klose! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Den Sie kaputtsparen!)
– Die wir nicht kaputtsparen, sondern die wir unterstützen, die wir entfristet haben, die wir durchgesetzt haben – gegen den Widerstand der Union in der letzten Koalition.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ja, kaputtsparen! Kaputtsparen tun Sie ihn!)
Sie wollten das nicht.
Wir sehen jetzt: Diese Maßnahme ist sehr wirkungsvoll. Sie gibt Menschen eine Perspektive. Sie macht es möglich, dass Menschen, die vorher keinen Anschluss gefunden hätten, fünf Jahre gefördert beschäftigt sind. Das ist wichtig und richtig; das machen wir.
Bürgergeld bedeutet Chancen. Bürgergeld bedeutet: Wir investieren in die Menschen und geben sie nicht auf – im Gegensatz zur AfD.
Deswegen lehnen Sie diesen Antrag bitte ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP] – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Das Bürgergeld ist gescheitert!)
Kai Whittaker für die Unionsfraktion hat das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617063 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |