Pascal KoberFDP - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den die Fraktion der AfD hier in den Deutschen Bundestag eingebracht hat und den wir jetzt in der zweiten und dritten Lesung beraten, ist bemerkenswert – und zwar in dem, was darin gesagt wird, aber auch in dem, was darin nicht gesagt wird.
So beklagen Sie schon im ersten Satz – dagegen ist erst einmal nichts zu sagen –, dass der Fachkräftemangel für die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gravierende Folgen haben wird. Und um Ihrem Antrag einen seriösen Anstrich zu geben, einen Anstrich von Sachlichkeit und vielleicht sogar von gesellschaftlicher Bedeutung, zitieren Sie den Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
Was Sie aber verschweigen, ist – das werden die Bürgerinnen und Bürger merken –, was die deutsche Wirtschaft als Lösung für diesen gravierenden Fachkräftemangel vorschlägt und sich erhofft. Die deutsche Wirtschaft ist in dieser Frage nämlich eindeutig dahin gehend positioniert, dass der Fachkräftemangel in unserem Land nur durch Fachkräftemigration in unseren Arbeitsmarkt gelöst werden kann, sowohl aus Europa als auch aus Drittstaaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das verschweigen Sie. Es passt nämlich nicht zu Ihrem sonst vertretenen Weltbild, dass Sie Menschen mit Migrationshintergrund millionenfach abschieben wollen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Zahl der Unternehmen, die auf die Fachkräftemigration hoffen, die sich erhoffen, durch Fachkräfte aus dem Ausland in ihrer Geschäftstätigkeit unterstützt zu werden, wächst zunehmend an. 2021 waren es laut dem oben angesprochenen Fachkräftereport 34 Prozent, die ihre Hoffnung da hineingelegt haben; jetzt sind es schon 55 Prozent. Kurzum: Ohne Fachkräftemigration wird es nicht gehen.
Deshalb ist es gut, dass diese Regierungskoalition das Prinzip der Fachkräfteeinwanderung gestärkt hat. Sie hat ein Gesetz vorgelegt, eingebracht und verabschiedet, das die Fachkräfteeinwanderung erleichtert. Und dass es wirkt, das bestätigt das Institut der deutschen Wirtschaft eindrücklich. Es bestätigt uns in dem, was wir gemacht haben, und versichert, dass die Fachkräfteemigration schneller und besser gelingt als zuvor, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und dann ist auch interessant, was Sie in Ihrem Antrag als Lösung des Fachkräfteproblems aus Ihrer Sicht vorschlagen. Sie möchten einen großen Teil von Menschen, die sich in der Betreuung und Unterstützung der Jobcenter und der Arbeitsagentur befinden, aus dieser Betreuung herauslösen und abschieben, namentlich Menschen, die Angehörige zu pflegen haben, die Kinder zu betreuen haben, und Menschen, die gesundheitliche Einschränkungen haben. Ich frage mich: In welcher Welt leben Sie denn?
(Manuel Höferlin [FDP]: Aber echt!)
Was soll denn für diese Menschen, für diesen Personenkreis besser werden, wenn wir sie nicht mehr fördern, wenn wir sie nicht mehr erreichen können und wenn wir ihnen keine Angebote zur Qualifizierung und Weiterentwicklung unterbreiten können? Nichts wird dadurch besser. Wissen veraltet, die Menschen kommen nicht voran. In der Zeit, in der sie abgeschoben sind, sind sie verloren – für sich, für den deutschen Arbeitsmarkt und für die Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Stattdessen ist zu fragen: Was könnten wir genau für diese Personengruppe noch Neues auf den Weg bringen, welche passgenauen Angebote unterbreiten, die vielleicht auch in Teilzeit möglich sind, oder auch Angebote der Rehabilitation? Was ist da möglich? Was könnten wir genau für diese Personengruppe tun? An dieser fachlichen Diskussion beteiligen Sie sich nicht. Das zeigt, dass Sie letzten Endes überhaupt kein Interesse an der Verbesserung der Situation in unserem Land hegen.
(Beifall der Abg. Rasha Nasr [SPD] – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben einfach keine Ahnung!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus ist auch der zweite Vorschlag bemerkenswert, den Sie machen, nämlich dass Sie den Vermittlungsvorrang wieder einführen wollen. Das heißt, Sie möchten, dass Menschen, die ungelernt sind, in irgendeine Beschäftigung überführt werden, und zwar schon nach 14 Tagen. So besteht keine Möglichkeit, zum Beispiel ihre Kompetenzen überhaupt zu erfassen; in 14 Tagen schaffen Sie das nämlich nicht. Sie wollen sich diesen Menschen nicht widmen. Das zeigt, dass Sie auch bei dieser Forderung nichts anderes im Blick haben, als die Menschen letzten Endes auf ein Abstellgleis zu stellen, in eine Sackgasse zu führen.
(Zuruf der Abg. Gerrit Huy [AfD])
Richtig ist, dass wir, gerade wenn es um die Behebung des Fachkräftemangels geht, in diese Menschen investieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Kompetenzen zu entdecken, ihre Kompetenzen zu entfalten und ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln. So können sie diese für sich selbst, aber auch für die Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land, die Fachkräfte brauchen, einsetzen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Wir brauchen alle!)
Das ist der richtige Weg, und nicht, diese Menschen einfach abzuschieben.
Dieser Antrag bleibt hinter den Erwartungen an eine seriöse parlamentarische Arbeit einmal mehr zurück. Deshalb werden wir ihn ablehnen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Auch inhaltlich ist hinsichtlich der Forderungen, die Sie vorgelegt haben, glaube ich, nichts zustimmungsfähig. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Versuchen Sie es gerne demnächst wieder.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Peick [SPD]: Bitte nicht!)
Dr. Markus Reichel für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617067 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |