17.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 194 / Tagesordnungspunkt 9

Markus ReichelCDU/CSU - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 10. November 2022 stand Minister Heil an diesem Pult und lobte sich selbst über den rot-grünen Klee. Er sagte nämlich: „Das Bürgergeld … ist die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren.“ Und er hat auf unsägliche Art recht behalten; denn keine Reform hat bislang so viel Unfrieden in unserer Gesellschaft gestiftet wie diese.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der Unfrieden kommt von der Union! – Marc Biadacz [CDU/CSU], an die Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gewandt: Hören Sie doch zu!)

Ein funktionierender Arbeitsmarkt ist das Rückgrat unserer Bundesrepublik. Ein faires, motivierendes, soziales Sicherungssystem ist von größter Bedeutung für unsere soziale Marktwirtschaft. Sie als Ampel haben in diesem sensiblen Bereich mit der Axt grobschlächtig herumoperiert. Das Ergebnis: Sie haben erreicht, unser Grundsicherungssystem komplett zu diskreditieren. Das schafft leider den Raum dafür, dass wir heute über solche obskuren Ideen wie die der AfD diskutieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Genau auf den Punkt!)

Das Bürgergeld, so wie es jetzt ausgestaltet ist, hat den Anreiz vermindert, sich aktiv in den Arbeitsmarkt einzubringen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Das stimmt nicht!)

Es schwächt Eigenverantwortung. Und durch die stetig steigenden Ausgaben zerfrisst es auch unseren Sozialhaushalt. Die erschreckende Bilanz ist am Ende: Das Bürgergeld hat sich letztlich als unsozial erwiesen. Wir von der Union haben das in allen Debatten seit 2022 ganz klar herausgearbeitet.

Wir haben damals erhebliche Verbesserungen in den Gesetzentwurf zum Bürgergeld hineinverhandelt, doch diese reichten nicht aus. Was ist denn da eigentlich schiefgelaufen?

Erstens. Das von der Ampel zuvor sträflicherweise eingeführte Sanktionsmoratorium hat dem Sanktionssystem des Bürgergelds so sehr die Zähne gezogen, dass die neuen abgeschwächten Sanktionen nicht mehr wirken konnten.

Zweitens. Sie haben uns und wahrscheinlich auch sich selber getäuscht. Das eigentliche Ziel der verbesserten Eingliederung von Langzeitarbeitslosen, wovon Sie in der Debatte immer gesprochen haben, haben Sie nie wirklich verfolgt; denn an den Leistungen zur Eingliederung wurde und wird gespart. Gemäß Haushaltsentwurf 2025 sinkt im Vergleich zu 2021 das Globalbudget für Jobcenter um 12 Prozent, und die Mittel für Eingliederung sinken gegenüber 2021 um 26 Prozent. Der Wertverlust durch Inflation verstärkt das. Das kann so nicht richtig sein!

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vertreter von Jobcentern haben uns in Fachgesprächen wörtlich gesagt: Wir fördern nicht mehr, wir fordern nicht mehr, wir alimentieren nur noch. – Daran ändern auch Ihre jetzigen halbherzigen Reparaturen am Bürgergeld nichts. Deswegen haben wir unseren eigenen Reformvorschlag gemacht, nämlich die Abschaffung des Bürgergelds und die Einführung einer neuen Grundsicherung, ordnungspolitisch fundiert auf dem Boden des christlichen Menschenbildes:

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das heißt was?)

Hilfe bekommt, wer bedürftig ist. Wer arbeiten kann und es nicht tut, ist nicht bedürftig und hat kein Anrecht auf Grundsicherung.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesverfassungsgerichtsurteil!)

Zum Antrag der AfD. Sie haben, Frau Huy, hier deutlich gemacht, dass es Ihnen vor allem darum geht, fremdenfeindliche Stereotypen zu bedienen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nein! Wo denn?)

Allein schon deswegen ist dieser Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Annika Klose [SPD])

Aber das gilt eben auch im Detail für Ihr Konzept der Bürgerarbeit. Das ist nicht zielführend, schon gar nicht in Zeiten, wo enorm viele Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt offen sind und nicht besetzt werden können. Sich dann zum Beispiel noch am Thema „Pkw für Bürgergeldempfänger“ abzuarbeiten, das finde ich schon kleinlich bis schäbig. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber was ist zu tun?

Erstens. Arbeit muss sich lohnen. Sie von der Bundesregierung haben mehrere Studien zu den Transferentzugsraten erstellen lassen. Dann setzen Sie die Empfehlungen doch jetzt bitte auch um.

Zweitens. Wir müssen natürlich über die Aufstocker reden. Das sind 800 000 Menschen. Mehr als 60 Prozent davon arbeiten nur geringfügig oder in Teilzeit. Sofern keine objektiven Gründe für Teilzeit vorliegen, erwarten wir, dass sich diese Menschen in Vollzeit engagieren. Das bedeutet natürlich auch: Die Kinderbetreuung muss sich verbessern, sodass Alleinerziehende die Möglichkeit haben, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 17 Prozent Alleinerziehende!)

Drittens. Jeder, der arbeiten kann, sollte auch arbeiten. Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab, so ist er nicht bedürftig. Ein Anspruch auf Grundsicherung besteht dann nicht. Natürlich sollte während dieser Arbeit sichergestellt werden, dass er qualifiziert wird.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist verfassungswidrig!)

Viertens. Gegenüber den redlichen Bürgern ist es eine soziale Verpflichtung, Sozialleistungsmissbrauch mit allen Mitteln zu bekämpfen, insbesondere durch umfassenden Datenaustausch zwischen den Behörden.

Fünftens. Mit dem Geld, das wir somit einsparen, können wir ausreichende Eingliederungsmaßnahmen finanzieren – die wir doch am Ende alle wollen. Das ist wichtig für eine fördernde Arbeitsmarktpolitik.

Zusammenfassend: Arbeit muss sich lohnen. Fördern und fordern, das beschreibt einen fokussierten Sozialstaat. Und das ist unser Weg zum Erfolg.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Sehr gut auf den Punkt gebracht!)

Jens Peick von der SPD-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617068
Wahlperiode 20
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
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