Jens PeickSPD - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ist also die dritte Runde. Wir haben die Vorschläge, die vor uns liegen, im März im Plenum diskutiert, dann im Ausschuss und jetzt wieder hier. Ich weiß, Politik ist auch die Kunst der Wiederholung. Deswegen will ich auch deutlich und wiederholt sagen: Diese Vorschläge sind falsch, falsch, falsch. Auch wenn wir sie noch dreimal diskutieren: Sie werden nicht besser, sie bleiben falsch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Bürgergeld ist falsch!)
Die Sicht der AfD auf die Grundsicherung, auf Arbeitsvermittlung und unseren Sozialstaat ist – das zeigt dieser Antrag deutlich – geprägt durch die Verachtung von Menschen, die Hilfe durch den Sozialstaat brauchen und die auf unsere Solidarität angewiesen sind. Das ist eine völlig falsche Perspektive.
Leider wird mittlerweile häufiger im politischen Diskurs behauptet, die Menschen seien zu faul und würden nicht genug arbeiten; aber das ist falsch.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Das sagt keiner!)
Menschen wollen arbeiten; denn wir leben in einer Gesellschaft, in der Arbeit mehr ist als nur Broterwerb. Man bezieht Anerkennung und Respekt aus seiner Arbeit.
Bei den Vorschlägen der AfD habe ich an den US-amerikanischen Philosophen John Rawls gedacht. Der hat sich mit der Frage beschäftigt: Wann ist eine Gesellschaft eigentlich gerecht?
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja!)
Und er kam zu dem Schluss: Gerechtigkeit erreicht man insbesondere dann, wenn man sich auf Regeln einigt und sie festlegt, bevor man weiß, wen diese Regeln betreffen werden, bevor man weiß, wie man selbst von ihnen betroffen sein wird.
Deshalb sollte sich doch jeder, der heute hier ist, fragen: Will ich, wenn ich nicht innerhalb von zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen kann, aus dem Bürgergeldbezug rausfliegen? Will ich, wenn ich nicht gesund oder alleinerziehend bin oder meine Angehörigen pflege, direkt keine Unterstützung bei der Arbeitssuche mehr haben? Will ich dann nach sechs Monaten zu 15 Wochenstunden Arbeit gezwungen werden? Und will ich ohne Rücksicht auf meine berufliche Erfahrung, mein Alter oder meine körperlichen Voraussetzungen in Helfertätigkeiten getrieben werden?
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das kann man auch vermeiden, indem man selber die Initiative ergreift!)
Wenn man nur zu einem dieser Punkte Nein sagt, dann stimmt man nicht mit der Politik der AfD überein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Partei, die SPD, die Regierungskoalition, mit der wir zusammenarbeiten, und ich selbst wollen einen Sozialstaat und eine Grundsicherung, vor der die Menschen keine Angst haben. Wir wollen, dass die Menschen so zum Jobcenter gehen, wie sie zum Arzt gehen: in der Erwartungshaltung, dass ihnen dort geholfen wird und dass ihr Leben dadurch besser wird.
(Beifall des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte, dass mir die Arbeitsvermittlung hilft, einen guten Job zu bekommen, den ich bis zur Rente machen kann. Und die Voraussetzungen dafür hat unsere Regierung in weiten Teilen geschaffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben die Karenzzeiten bei Wohnungen und Vermögen ausgeweitet, damit man nicht alles sofort verliert, für das man lange gearbeitet hat. Und wir haben den Vermittlungsfonds abgeschafft, weil nicht immer wieder in schlechte Jobs vermittelt werden soll, statt einen Schulabschluss oder eine ordentliche berufliche Qualifizierung zu machen. Das alles haben wir nicht für eine bestimmte Gruppe von Menschen gemacht, sondern für uns alle.
Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu: Arbeitslosigkeit kann jeden treffen: entweder weil Unternehmen in Schwierigkeiten geraten oder weil sich persönliche Voraussetzungen ändern. Gesundheitliche Probleme sucht sich niemand aus. Ein Kind allein aufzuziehen, ist selten die erste Wahl. Und wer seine Angehörigen pflegt, dem ist das hoch anzurechnen, und er gehört dafür nicht bestraft.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
All diese Menschen verdienen unsere Solidarität und Unterstützung, genauso wie alle auf diese Solidarität und Unterstützung vertrauen können. Das ist die sozialdemokratische Maxime in der Sozialpolitik; denn mit Abwertung und Erniedrigung – wie wir das hier erleben – baut man keinen Sozialstaat, damit macht man ihn kaputt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Die AfD schlägt hier ein Sozialsystem vor, dem ich nicht in die Hände fallen möchte. Deswegen bin ich froh, dass dieser Antrag hier keine Mehrheit bekommt. Und wir werden alles dafür tun, dass er nie eine Mehrheit bekommen wird.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Kommt noch!)
Danke sehr.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manuel Höferlin [FDP])
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617069 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |