Jens TeutrineFDP - Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Wolfgang Strengmann-Kuhn hat eben das Wahlprogramm der Grünen präsentiert
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Sind wir schon im Wahlkampf?)
und den Plenarsaal mit dem Parteitag der Grünen verwechselt.
(Beifall bei der FDP)
Ich möchte trotzdem eine inhaltliche Anmerkung machen. Sie sind nämlich damit gestartet, dass Sie Armut bekämpfen wollen. In dem Vortrag ging es dann aber ausschließlich darum, wie Sie den Sozialstaat ausweiten können.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Ja!)
Ich glaube: Wenn man Armut bekämpfen will, dann geht es darum, Menschen in Arbeit zu bringen
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marc Biadacz [CDU/CSU]: Bravo! Sehr gut!)
und bei der Bildung anzusetzen. Darüber haben Sie nicht gesprochen. Das sind nachhaltige Mittel, und das ist der Ansatz dieser Koalition: einen tragfähigen Sozialstaat zu haben, aber auch über Bildung und Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu sprechen.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Zu Ihrem Antrag, liebe Kollegin von der AfD, Frau Huy. Sie haben für den schnellen Applaus über vieles geredet
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ja, das ist das Problem! Sie reden nur und tun nichts!)
und auch besonders viele Zahlen präsentiert. Worüber Sie ehrlicherweise nicht geredet haben, war Ihr Antrag; darüber haben Sie nicht gesprochen. Guckt man in Ihrem Antrag nach, wird klar, dass man nach Logik der AfD binnen einer Zweiwochenfrist jeden Bürgergeldempfänger vom Bürgergeld in die sogenannte neue Sozialhilfe überführen will.
(Gerrit Huy [AfD]: Das steht da nicht!)
Was bedeutet das ganz konkret? Dazu zwei Beispiele. Wenn Menschen eine psychische oder eine physische Einschränkung haben, dann sagt die AfD: Raus aus dem Bürgergeld, rein in die „Sozialhilfe-Neu“! Wir sagen: Unterstützen wir die Menschen mit Rehamaßnahmen oder mit psychosozialen Maßnahmen, damit sie wieder in der Lage sind, in den Arbeitsmarkt zu kommen! Das ist doch die wahre Sozialpolitik: die Menschen in Arbeit bringen.
(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU])
Sie finden zum Beispiel, dass Frauen, die ihre Kinder betreuen, nicht im Bürgergeld, sondern in der „Sozialhilfe-Neu“ sein sollten. Wir sagen: Nicht einfach nur raus aus dem Bürgergeld, sondern: Wenn Frauen gegen ihren Willen nicht arbeiten können, etwa weil sie keine Kinderbetreuung haben, dann sollten wir für eine bessere Kinderbetreuung sorgen, aber nicht die Menschen von der einen Sozialhilfe in die nächste schieben.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Rasha Nasr [SPD] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann tun Sie’s doch!)
Und auch wenn Frauen ihre Kinder betreuen und nicht in der Lage sind, Vollzeit zu arbeiten, braucht es doch eine Debatte darüber, ob es nicht zum Beispiel möglich ist, einen Mutter-Kind-Sprachkurs zu machen oder eine Weiterbildungsmaßnahme in Teilzeit anzunehmen. Auch das wollen Sie nicht. Sie sagen: Raus aus dem Bürgergeld, rein in die „Sozialhilfe-Neu“! Raus aus der Statistik – Schwuppdiwupp! Das nennen Sie dann „Arbeitsvermittlung“. In Wahrheit schieben Sie die Menschen von der einen Sozialleistung in die andere. Das ist der Kern Ihres Antrags, und deswegen lehnen wir diesen Antrag auch ab.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aus unserer Sicht hat Arbeit einen hohen sozialen Wert. Arbeit strukturiert den Alltag. Arbeit sorgt für soziale Teilhabe. Arbeit hilft bei der Integration und vermittelt den Menschen Sinn. Arbeit gibt den Menschen das Gefühl, gebraucht zu werden. Es geht nicht nur um Broterwerb. Es geht auch darum, dass Gefühl zu haben, teilzuhaben. Diesen Aspekt vergessen Sie in Ihrem Antrag komplett, weil Sie über 1 Million Menschen einfach von der einen Sozialleistung in die andere schieben wollen.
Lieber Herr Kollege Whittaker,
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Hui! Endlich!)
Sie haben hier einige Sachen nach den Vorstellungen der CDU/CSU angesprochen und einige Punkte kritisiert. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, weil ich sehr überrascht bin, dass Sie den kritisieren. Das ist das Vorhaben der Koalition, das in der Wachstumsinitiative geeint ist, nämlich Meldepflichten einzuführen.
Was verbirgt sich dahinter? Die Koalition hat festgestellt: Na ja, erst wenn wir häufiger mit den Menschen Termine wahrnehmen und gut im Gespräch sind, kann die Arbeitsvermittlung glücken. Erst dann können wir über Maßnahmen sprechen, die sinnvoll sind. Deswegen sagen wir: Jeder sollte mindestens einmal im Monat einen Termin wahrnehmen müssen, wenn es zum Erfolg bei der Arbeitsmarktintegration beiträgt.
Herr Teutrine, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Whittaker?
Ja, ich erlaube die Zwischenfrage.
Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Kollege Teutrine, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe in meiner Rede nicht das zitiert, was ich denke, sondern was die Chefin der Bundesagentur für Arbeit denkt.
Stimmen Sie der Genossin also zu?
Sie waren ja bei dem parlamentarischen Abend letzte Woche dabei, wo sie gesagt hat: Wenn so eine kleinteilige Regelung kommt, präsentiert sie Ihnen die Rechnung.
Gestern im Ausschuss hat die Staatssekretärin Kramme auf meine Nachfrage hin den Hauch einer Idee davon gegeben, was allein diese Maßnahme kostet, nämlich 350 Millionen Euro.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Ich frage Sie jetzt: Werden Sie diese 350 Millionen Euro in den Haushalt für 2025 einstellen, damit die Jobcenter diese Aufgabe erledigen können? Ja oder nein?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, ich kann Ihnen eine ganz klare Antwort geben. Die Antwort ist: Nein, weil es nicht notwendig ist, das Geld einzustellen.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Aha!)
Sie verstehen die Maßnahme falsch. Sie behaupten immer: Jeder müsste einbestellt werden, also auch jeder Aufstocker. Jeder junge Mensch, der eine Maßnahme in Anspruch nimmt, müsste jeden Monat bei der Arbeitsagentur einbestellt werden. So heißt es in der medialen Berichterstattung, und dagegen hat sich Frau Nahles gewehrt. Ich bin überrascht, dass Sie der Genossin Nahles näherstehen als der CDU-Programmatik.
(Beifall bei der FDP)
Sie haben gesagt – ich habe eben noch mal nachgeguckt –, Sie wollen die Termine in der Regelung zur neuen Grundsicherung verstetigen. Sie wollen, dass derjenige, der nicht innerhalb von drei Monaten einmal vor Ort gewesen ist, gar keine Leistung mehr bekommt. Jetzt sagen Sie: Das ist alles viel zu teuer, wenn die Menschen Termine wahrnehmen müssen. Sie blicken, glaube ich, selbst nicht mehr durch, was Sie wollen: Ampelkritik und gleichzeitig eine solche Programmatik.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Position ist klar: Die Termine führen da, wo es sinnvoll ist, zu einer besseren Arbeitsvermittlung. Das steht auch im Gesetzentwurf in der Formulierungshilfe drin. Die Termine sollen nur wahrgenommen werden, wenn sie der Arbeitsvermittlung dienen. Die Menschen sollen nicht einfach nur einbestellt werden. Es geht um ein persönliches Gespräch und nicht darum, sich einfach zu melden.
Wir werden den Antrag ablehnen. Wir haben eigene Vorstellungen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Wir stellen die Arbeitsvermittlung in den Fokus; denn das ist die beste Sozialpolitik. Das ist die Sozialpolitik der Freien Demokraten.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für die Unionsfraktion hat das Wort Jana Schimke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617073 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Bürgergeld - Fokus auf Arbeitsvermittlung |