Lukas KöhlerFDP - Aktuelle Stunde: Projektprüfung bei Thyssenkrupp
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die deutsche Stahlindustrie hier in eine Propagandaschlacht der AfD für russisches Gas und die Abhängigkeit davon zu werfen, ist der falsche Weg.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hannes Gnauck [AfD]: Och! Diese Schallplatte, wirklich! Die läuft in Ihrem Kopf! Eine Schallplatte läuft und läuft und läuft! Wahnsinn!)
Ich glaube, es ist sinnvoll, darüber zu sprechen, wie und an welcher Stelle wir den Klimaschutz sinnvoll in der Industrie verankern und wie wir auch dafür sorgen, dass Deutschland weiterhin ein starkes Industrieland bleibt.
Dabei gibt es zwei Wege, die man gehen kann. Der eine Weg ist geprägt von einer starken staatlichen Intervention, davon, dass wir über Subventionen, gezieltes Anwerben und Investieren des Staates in einzelne Unternehmen, einzelne Technologien Politik gestalten. Der zweite Weg setzt eher auf den Emissionshandel, auf starke Rahmenbedingungen und Technologieoffenheit.
Wir haben in diesem Haus schon oft darüber diskutiert, welcher der richtige Weg ist. Beide Wege sind in ihrer Absolutheit rein theoretisch; denn beide Wege haben in der Praxis größere Probleme. Beim ersten Weg kommt es ganz massiv darauf an, dass der Staat weiß, was die richtige Technologie sein wird, dass der Staat voraussehen kann, in was man investiert. China übrigens geht diesen Weg gerade: China investiert massiv in Direktreduktionsanlagen im Stahlbereich, und zwar wirklich viel Staatsgeld.
Das Setzen darauf, welche Technologie die richtige ist, kann man entweder dadurch gestalten, dass man wie mit der Schrotflinte auf jede Technologie schießt – das kann man machen, ist aber sehr teuer –, oder der Staat hat eine Glaskugel und weiß also ganz genau, was in 10, 20, 30 Jahren der richtige Weg ist.
Ich glaube nicht, dass das ein fruchtbarer Weg ist. Ich glaube, dass wir in der deutschen Industrie, in der europäischen Industrie oder sonst wo auf der Welt weder mit der Schrotflinte noch mit der Glaskugel erfolgreich sein werden.
Der zweite Weg – also das reine Setzen auf Rahmenbedingungen und Emissionshandel – setzt eben zwei Dinge voraus. Das Eine ist, dass wir international einen fairen Wettbewerb haben – ich hatte ja gerade China erwähnt: China ist kein fairer Wettbewerber; denn die subventionieren alles massivst hoch –,
(Markus Töns [SPD]: Das ist so!)
und das Zweite ist, dass wir als Politik Scheitern zulassen, also dass wir akzeptieren, dass auch mal ein wirklich großes Unternehmen pleitegeht. Auch da muss sich die Politik jederzeit fragen, ob wir das durchhalten.
Deswegen glaube ich, dass wir einen Mittelweg finden müssen. Es ist sinnvoll – das machen wir in dieser Regierung; das machen die regierungstragenden Fraktionen –, dass wir einen Weg finden zwischen dem Setzen auf gute Rahmenbedingungen – und da muss Deutschland dringend besser werden – auf der einen Seite und der Unterstützung der Unternehmen auf der anderen Seite, die an einigen Stellen diese Unterstützung brauchen.
Jetzt ist es so, dass man das Pendel gut austarieren muss. Ich glaube, der Fall thyssenkrupp und die Überlegungen, die gerade angestellt werden, zeigen, dass wir noch ein bisschen am Pendel schrauben müssen, dass wir noch ein bisschen mehr auf Technologieoffenheit setzen müssen, dass wir noch ein bisschen mehr darauf setzen müssen, dass dieser Staat nicht weiß, wann Wasserstoff welcher Farbe in welcher Menge vorhanden sein wird, und dass thyssenkrupp nur dann kluge Investitionsentscheidungen treffen kann, wenn es sicher sein kann, dass es mit ausreichend günstigem Wasserstoff versorgt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ich betone: Das ist nicht rein die Aufgabe von thyssenkrupp, weil wir hier dafür viele Entscheidungen treffen müssen, staatspolitische Entscheidungen über Netze, aber auch handelspolitische Entscheidungen darüber, dass wir weltweit Partner brauchen, die uns Gas liefern, wie Norwegen bei blauem Wasserstoff oder andere Länder auf der Welt zum Beispiel bei grünem Wasserstoff.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die dieser ganze Weg für uns bereithält; wir müssen aber mutig genug sein, ihn auch zu gehen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Na, dann mal los!)
Wir müssen – und ich glaube, wir können das auch – an vielen Stellen auf der Welt dafür sorgen, dass es richtig ist, dass es gut funktioniert, dass wir Partner finden, die mit uns zusammen Handel treiben, und dass wir den Wettlauf um die besten Ingenieurinnen und Ingenieure und um die besten Lösungen gewinnen können. Daran muss man arbeiten. Das ist Aufgabe dieses Hauses, und das tun wir auch, zum Beispiel mit der Wachstumsinitiative, die der Bundestag bald beschließen wird; da bin ich mir sicher.
Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern. Wir müssen darauf setzen, dass wir günstigen Wasserstoff bekommen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass wir in diesem Spiel der beiden großen Ideen, nämlich auf der einen Seite Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Unternehmen helfen, zu wachsen, und auf der anderen Seite den Staat ein bisschen mehr zu begrenzen – der ist in Deutschland sehr, sehr groß –, den richtigen Mittelweg finden. Dieses Ringen darum ist Aufgabe dieses Hauses. Wir tun das, und ich glaube, wir tun das gut.
Was uns nichts bringt, ist, hier über reine Ideologie die Menschen in Geiselhaft zu nehmen, die in den Stahlwerken arbeiten. Das wird niemandem helfen; denn angesichts der Größe, der Dimension der Herausforderung müssen wir gemeinsam um den richtigen Weg ringen. Aber wir sollten bitte nicht die Menschen instrumentalisieren, die vor Ort harte Arbeit leisten. Ich glaube, das steht uns nicht gut zu Gesicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Köhler. – Nächster Redner ist der Kollege Steffen Kotré, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617093 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Projektprüfung bei Thyssenkrupp |