17.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 194 / Zusatzpunkt 17

Markus TönsSPD - Aktuelle Stunde: Projektprüfung bei Thyssenkrupp

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es ja geahnt, dass es in einer von der AfD beantragten Aktuellen Stunde zum Thema thyssenkrupp so kommt: Über thyssenkrupp selbst ist kaum geredet worden. Aber ich will noch was dazu sagen. Man hätte bei dieser Frage auch Bullshit-Bingo spielen können; im Prinzip hatte ich schon nach der ersten Rede alle Felder voll. Ich finde das manchmal schon etwas eigenartig. Mit realer Wirtschaftspolitik, mit der Kenntnis von Energiepolitik, mit der Frage, wie man Industriepolitik macht, haben Sie nun wirklich überhaupt nichts zu tun. Ich will das noch mal sagen: Nur wer zukünftig klimaneutrale Produkte herstellt, wird im Weltmarkt bestehen. Deshalb geht es darum, hier den Weg zur Transformation zu bereiten.

Ein Ausstieg bei thyssenkrupp wäre übrigens eine Bankrotterklärung für das, was wir zukünftig tun müssen; aber einen solchen Ausstieg wird der Konzern auch gar nicht vollziehen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten

(Zuruf von der AfD: Erlaubnis erteilt!)

aus einer Veröffentlichung von thyssenkrupp selbst. Der Konzern sagt:

„Thyssen Krupp steht unverändert zu seinem Bekenntnis zur grünen Transformation und zur klimaneutralen Stahlproduktion. … An der Dekarbonisierung der CO2-intensiven Stahlproduktion führt langfristig kein Weg vorbei.“

Also haben Sie, Herr Kotré, eben was vollkommen Falsches gesagt. Das ist schon abenteuerlich.

Ich muss aber auch sagen: Auch wenn dieses Bekenntnis vorliegt, haben die Konzernleiter in Essen – Herr López und der im Aufsichtsrat sitzende Herr Russwurm –, die für den Standort Duisburg zuständig sind, eine große Verantwortung. Ich bezweifle, dass in den letzten Monaten die Sicherheit gegeben wurde, dass dieser Verantwortung auch nachgekommen wird.

Jetzt kommen wir mal zu thyssenkrupp. Ich nenne mal ein paar Zahlen, damit man das besser versteht. Thyssenkrupp hat am Standort Duisburg circa 27 000 Beschäftigte. thyssenkrupp hat da vier Hochöfen. Zwei weitere gibt es in Duisburg bei HKM. Das sind zusammen sechs. Die Hochöfen an diesem Standort bedürfen einer Transformation. Bei einem Hochofen fangen wir an; das ist ein guter Weg. Jetzt ist das ein bisschen teurer geworden: 300 Millionen bis 400 Millionen Euro mehr kostet die Reduktionsanlage. Aber der Konzern hat gesagt, das heiße für ihn nicht, dass er aussteigt, sondern es heiße, dass er weitermacht – und das ist richtig.

Wir müssen mal über die Beschäftigten reden; die sind ja heute auch mehrfach angesprochen worden. In Nordrhein-Westfalen hängen an der Stahlindustrie – nicht nur bei thyssenkrupp – circa 100 000 Arbeitsplätze; bundesweit sind es mehr als 2 Millionen in der Stahlindustrie.

Jetzt komme ich noch mal zu dem Punkt: Wenn man wie in den letzten Monaten bei thyssenkrupp unter anderem Unsicherheit streut, wie es López, Russwurm und auch Frau Gather von der Krupp-Stiftung getan haben, dann ist das schon ein verantwortungsloses Spiel auf dem Rücken dieses Konzerns. Dann sage ich Ihnen aus meiner 20-jährigen Erfahrung – –

(Karsten Hilse [AfD]: Als Politiker!)

– Ja, in einem Wahlkreis mit Schwierigkeiten. Aber davon haben Sie keine Ahnung, Herr Hilse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich will Ihnen mal sagen: Ich gehe regelmäßig zu Unternehmen und rede mit Betriebsräten. Ich kann Ihnen aus meiner 20-jährigen Erfahrung sagen, dass die Betriebsräte sehr viel betriebswirtschaftliche Ahnung haben. Die meisten Konzerne und Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten, kommen in Schwierigkeiten, weil sie eben nicht auf ihre Betriebsräte gehört haben. Das sind Fakten, und die müssten Sie mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ah!)

Ich will Ihnen aber auch noch eines sagen: Die Stahlindustrie ist die Zukunft. Warum? Weil in der Stahlindustrie, bei den Hochöfen in Duisburg, ein Grundstoff herstellt wird. Mit diesem Grundstoff werden moderne Produkte hergestellt. Übrigens wird in meinem Wahlkreis bei thyssenkrupp Electrical Steel ein kornorientiertes Elektroband hergestellt. Das wird in jedem Transformator gebraucht – hochmodernes Produkt –, um den Energiewechsel hinzubekommen, also zur Dekarbonisierung. Das ist entscheidend, und das geht mit Stahl. Deshalb ist es ein modernes Produkt.

Am Ende will ich Ihnen, lieber Kollege Tilman Kuban, eines nicht ersparen: Bei Ihren Vorschlägen hört man nicht so richtig, was Sie eigentlich machen wollen. Deshalb sage ich Ihnen – Sie haben ja den Vergleich mit dem Berg gezogen –: Wir stehen vor einem Berg. Die rechts von mir ignorieren den Berg und sagen, wir hätten ja nicht die richtigen Antworten. Ich habe das Gefühl, Sie stehen vor dem Berg, haben die nötigen Seile und die nötigen Haken vergessen und wissen jetzt gar nicht, wie Sie nach oben kommen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fabian Gramling [CDU/CSU]: Sie sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht!)

Und weil Sie eben über den Kanzlerkandidaten Merz gesagt haben, dass es mit ihm in die Zukunft geht: Ich befürchte, der wird am Ende nicht in einem Sportwagen, einem Elektromobil von Porsche, sitzen, sondern in einem VW-Käfer von 1952.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hannes Gnauck [AfD]: Da war ja rhetorisch was los!)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Ich will nur darauf hinweisen, dass das mein Geburtsjahrgang ist. Also nichts gegen 1952!

(Heiterkeit)

Als nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus Wiener, CDU/CSU-Fraktion, am Pult.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617095
Wahlperiode 20
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Projektprüfung bei Thyssenkrupp
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