Gerald UllrichFDP - Gleichwertigkeitsbericht 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Manchmal fehlen mir schlicht und einfach die Worte.
„Gleichwertigkeit“ heißt ganz sicher nicht, dass überall alles gleich ist, sondern dass überall die gleiche Möglichkeit besteht, sein eigenes Potenzial zu entfalten. Zwischen Stadt und Land gibt es Unterschiede in der Entfaltung dieses Potenzials. Deshalb müssen wir auch schauen, was für die Bürger überhaupt wichtig ist im Hinblick auf eine gute Lebensqualität. Ich halte diesen Bericht für außerordentlich geeignet, das zu tun; denn wir müssen erst mal erkennen, wo überhaupt die Probleme sind, wenn wir sie denn lösen wollen.
Ich möchte drei Aspekte, die in dem Bericht betrachtet wurden, hier vortragen:
Das Erste ist die gute Gesundheits- und Pflegevorsorge. Das war in dem Bericht ein ganz weit oben angesiedeltes Thema. 16 Prozent sagen, dass das wirklich sehr wichtig sei. Wen wundert das auch? In schwach besiedelten Gebieten gaben aber 59 Prozent der Menschen an, dass die medizinische Versorgung in Krankenhäusern noch nicht gut genug ist, und ganze 77 Prozent der Befragten in diesen Gebieten halten die medizinische Versorgung hinsichtlich der Grundversorgung mit Ärzten in der Region für nicht gut. Das heißt, hier müssen wir noch etwas tun. Die Überversorgung in Städten ist uns bekannt; das ist natürlich die andere Seite der Medaille. Wir arbeiten aber an diesen Dingen. Das betrifft auch das Apothekengesetz. Wir wollen, dass ein Apotheker zwei Apotheken betreuen kann. Und dank des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes wird es in Zukunft möglich sein, dass chronisch Kranke, ohne persönlich zum Arzt gehen zu müssen, also ohne Einreichen der Karte über, ein Quartal hinweg ihre Verordnungen als E-Rezepte erhalten.
Zweitens. Sehr wichtig ist den Leuten auch eine gute Infrastruktur, eine Verkehrsinfrastruktur, Mobilitätsangebote. Für 9 Prozent der Menschen ist das besonders wichtig. Aber wir sehen auf der anderen Seite auch: 81 Prozent der Menschen aus weniger dicht besiedelten Gebieten meinen, der öffentliche Nahverkehr biete in der Region keine attraktiven Angebote. Ja, es ist so. Der erste Schritt in die richtige Richtung war natürlich das Deutschlandticket. Aber es ist in der Tat so, dass den Menschen in der Stadt das Deutschlandticket deutlich mehr nutzt als den Menschen auf dem Land, weil die Angebote einfach nicht vorhanden sind. Deshalb müssen wir uns überlegen, was wir in den kleineren Gemeinden dagegen machen können. Zum Beispiel könnten wir das Angebot von Sharing-Stationen mehr unterstützen. Auch die Möglichkeit von Ruf- und Bürgerbussen sollten wir stärker nutzen. Natürlich würde auch die Erhöhung der Kilometerpauschale Gutes tun, weil dadurch gezeigt wird, dass die Menschen im ländlichen Raum entsprechende Unterstützung brauchen.
Der dritte Aspekt in der Lebensqualität ist die Daseins- und Altersvorsorge, und hier kommen wir zum eigentlichen Problem. Laut einer Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft werden in den nächsten zwölf Jahren 19,5 Millionen Arbeitskräfte unseren Arbeitsmarkt verlassen und nur 12,5 Millionen neu eintreten. Das heißt, wir haben ein Minus von 7 Millionen Arbeitskräften. Das ist schon mal eine Hausnummer! Wir haben ein ganz klares Problem: den demografischen Wandel, im Osten natürlich viel stärker als im Westen. Und da möchte ich gerne von meiner Gemeinde berichten: Floh-Seligenthal, mitten im wunderschönen Thüringer Wald gelegen, 5 000 Einwohner: Wir haben erstens keine Schulden; wir haben zwei Schwimmbäder im Ort; wir haben Schulen im Ort; wir haben Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Ich behaupte mal: Wir sind ein lebenswerter Ort. Ganz nebenbei ist die FDP-Fraktion im Gemeinderat die stärkste Fraktion, was den Ort natürlich umso lebenswerter macht, möchte ich sagen.
(Beifall bei der FDP)
Wir haben vor 14 Tagen die Kitaplanung gemacht. Dazu möchte ich einige Zahlen nennen, die wirklich auf das Problem hinweisen. Wir haben im Jahr 2022 27 Kinder in den Kindereinrichtungen gehabt; im Jahr 2023 waren es noch 22 Kinder. In diesem Jahr sind 14 Kinder geboren. Viel mehr werden es wahrscheinlich auch nicht werden; vielleicht kommen wir auf 15 oder 16. Und das ist das eigentliche Problem, das wir haben. Im Vergleich: In den Jahren vor 2020 hatten wir circa 40 Kinder pro Jahrgang, die eingeschult worden sind. Jetzt haben wir einen Überhang in der Versorgung. Also, wenn es Bedarf gibt: Ziehen Sie nach Floh-Seligenthal! Wir können den Bedarf dort befriedigen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Natürlich müssen wir versuchen, die wenigen potenziellen Arbeitskräfte, die wir in Zukunft haben, auch wirklich vor Ort zu halten. Da müssen wir einiges tun. Zum Beispiel machen wir einen Tag der offenen Betriebe für alle Schüler der Schulen aus der Region, bei dem fast alle Betriebe in der Gemeinde ihre Türen aufmachen. Die Schüler können mit ihren Eltern kommen und sich angucken, was denn vielleicht ein zukünftiger Arbeitsplatz wäre. Es gibt Diskussionen in der Schule, Speeddating mit Unternehmern, jetzt sogar mit Politikern; wir haben einen kommunalen Wirtschaftsausschuss gegründet.
Das alles bringt was, aber es reicht nicht, um diese Löcher komplett zu stopfen. Und wenn wir dieses Loch bei uns stopfen würden, würden wir das Loch woanders nur vergrößern. Also, ganz einfach und schnell werden es nicht mehr Leute.
Was können wir machen? Ich hätte einen Vorschlag: Wir brauchen Freiheitszonen, wir brauchen Reallabore. Und zum Schluss kommend möchte ich sagen, dass wir uns auch darum kümmern müssen, dass die Kommunen deutlich besser ausfinanziert werden; denn das ist der eigentliche Schlüssel zum Glück.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Unionsfraktion hat das Wort Mario Czaja.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617138 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Gleichwertigkeitsbericht 2024 |