Axel MüllerCDU/CSU - Palliativversorgung und Hospizarbeit in Deutschland
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sterben gehört zum Leben, am Ende steht der Tod. Den Gedanken daran verdrängen wir gerne, oder wir verbinden ihn mit dem Wunsch, nach einem langen und erfüllten Leben friedlich einzuschlafen und einfach nicht mehr aufzuwachen. Diese Gnade Gottes wird nicht allen Menschen zuteil. Viele werden von lebensbedrohlichen und nicht selten unheilbaren Krankheiten heimgesucht. Viele haben Angst vor einem längeren, mit starken Schmerzen verbundenen Leiden.
Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir uns hier in diesem Haus mit fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen zum Thema „assistierter Suizid“ befasst. Die damit verbundene Diskussion gab es auch schon 2015. Der Ausgang ist bekannt, ebenso das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020. Geblieben ist das Hospiz- und Palliativgesetz, das Union, SPD und Grüne 2015 gemeinsam beschlossen haben.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: So ist es!)
Die FDP war damals nicht dabei; sie hatte vier Jahre Parlamentspause.
(Jens Teutrine [FDP]: Bildungsurlaub!)
Mit dem Gesetz wurde die Palliativversorgung Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung. Palliation bedeutet Linderung: im Krankenhaus, zu Hause oder im Pflegeheim. Die Rahmenbedingungen sind höchst unterschiedlich, und das gilt auch für die Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Angehörigen. So entstand eine Mischung aus medizinischer, pflegerischer, psychosozialer und seelsorgerischer Betreuung mit dem Ziel einer flächendeckenden Verbreitung.
Mit einer Kleinen Anfrage im Februar 2024 erkundigte sich meine Fraktion bei der Bundesregierung nach dem Stand der Palliativ- und Hospizversorgung. Die Zahlen, die uns geliefert wurden, sind durchaus beeindruckend: 279 stationäre Hospize, davon 17 Kinderhospize. 4 500 Vertragsärzte sind Teil der besonderen ambulanten Palliativversorgung. Es gibt über 1 000 ambulante Hospizdienste mit mehr als 50 000 ehrenamtlich Tätigen. Viele tun das ohne Förderung, in Hospizvereinen, so auch in meiner Heimatstadt Weingarten in Oberschwaben. Und es gibt Stiftungen, die von Menschen gegründet wurden, die selbst einen großen Verlust, vermutlich den schwersten, der Eltern widerfahren kann, nämlich den Tod des eigenen Kindes, zu beklagen haben.
Ein solcher Schicksalsschlag führte zur Gründung der Stiftung Valentina in Wangen im Allgäu. Valentina wurde nur 13 Jahre alt. Sie starb an einem unheilbaren Tumor. Sie wurde, sooft es ging, dort palliativmedizinisch versorgt, wo Kinder sich am wohlsten fühlen, wenn sie schwer krank sind: zu Hause im Kreis ihrer Familie. Über 300 Kinder werden auf diese Art vom Ärzte- und Pflegeteam der Universitätsklinik in Ulm über eine Fläche von sieben Landkreisen auf dem letzten Weg begleitet. Sie machen 6 500 Hausbesuche, fahren eine halbe Million Kilometer und leisten über 20 000 Einsatzstunden – alles finanziert über Sponsoren der Stiftung und den unermüdlichen Einsatz der Gründerfamilie. Viele dieser Familien geraten physisch, psychisch, aber auch finanziell an ihre Grenzen. Für sie fordern wir mit unserem Antrag eine Ausweitung des Entlastungsbudgets.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Den Wunsch nach einem menschenwürdigen Sterben in häuslicher Umgebung haben auch Erwachsene. Für sie gibt es eine spezielle ambulante Palliativversorgung mit einem eigenen Fallmanagement. Ein solches Fallmanagement sollte auch für Menschen, die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege betreut werden, über eine entsprechende Anpassung des SGB V möglich gemacht werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir fordern zudem eine flächendeckende und möglichst kleinteilige Versorgung mit Palliativstationen an den Krankenhäusern. Nur 17 Prozent der Häuser verfügen darüber. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass es einen himmelweiten Unterschied macht, ob ein Haus darüber verfügt oder nicht.
Ich bin mir bewusst, dass Sie als Regierungskoalition sich schwertun, einem Oppositionsantrag näherzutreten. Vielleicht ist auch die Umsetzung der einen oder anderen Forderung derzeit nicht möglich. Da tun wir uns als Opposition natürlich etwas leichter. Aber lassen Sie uns davon so viel realisieren wie irgend möglich.
Es geht hier nicht um den politischen Erfolg unseres Antrages. Es geht um viel mehr: Es geht darum, all denjenigen zu helfen, die direkt oder indirekt von einem unheilbaren Leiden betroffen sind. Es geht um ein menschenwürdiges Sterben. Ich wünsche mir, dass wir das – wie schon 2015 – als Parteien der demokratischen Mitte im Konsens bewerkstelligen: Union, SPD, Grüne, und dieses Mal könnte ja auch die FDP mitwirken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Herbert Wollmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617173 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Palliativversorgung und Hospizarbeit in Deutschland |