17.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 194 / Tagesordnungspunkt 15

Herbert WollmannSPD - Palliativversorgung und Hospizarbeit in Deutschland

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie es gesagt haben, Herr Müller: Viele von uns kennen die seelisch so belastende Situation, die sich einstellt, wenn ein naher Angehöriger oder ein guter Freund oder eine gute Freundin von einer schweren Krankheit betroffen ist, die unweigerlich zum Tode führt.

Alle, die schon länger im Gesundheitswesen unterwegs sind, wissen noch, wie es ohne ambulante palliativmedizinische Versorgung aussah. Das bedeutet nicht, dass seinerzeit die Versorgung von Sterbenden oder Menschen mit schweren, fortgeschrittenen Tumorerkrankungen unter stationären Bedingungen schlechter war als heute. Die Bedingungen vor einigen Jahrzehnten waren andere. Die Liegezeiten waren kaum begrenzt, die gemeinsame Einweisung von Erkrankten und Partnern – Stichwort „soziale Integration“ – wurde von den Kostenträgern noch akzeptiert, und die Chefärztinnen und Chefärzte hatten gegenüber der Klinikleitung noch das Sagen. Auf den sogenannten Krebsstationen der onkologischen und strahlentherapeutischen Abteilungen waren daher eine dem Menschen zugewandte Behandlung und Pflege am Lebensende durchaus möglich.

Mit der zunehmenden Ökonomisierung im Krankenhauswesen im Laufe der Jahrzehnte änderte sich das leider dramatisch. Insbesondere der gestiegene Zeitdruck, einerseits durch die Einführung der Fallpauschalen und andererseits durch die umfangreicheren Aufgaben für das medizinische Personal, hat dazu geführt, dass die Zeit für menschliche Nähe und Zuwendung in den stationären Einrichtungen von Jahr zu Jahr abgenommen hat.

Auch aus dieser Entwicklung heraus wurde mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 die spezialisierte ambulante Palliativversorgung als neue Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Damit wurde es möglich, dass Menschen am Lebensende in ihrer gewohnten Umgebung bleiben konnten, weil sie und ihre Angehörigen sich auf eine intensive und hochwertige ambulante Versorgung verlassen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein Meilenstein auf dem Weg, Menschen am Lebensende ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, war dann das von Ihnen angesprochene Hospiz- und Palliativgesetz von 2015. Im Rahmen des Hospiz- und Palliativgesetzes wurden sowohl die Palliativversorgung der häuslichen Krankenpflege weiter gestärkt als auch die gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase eingeführt. Damit wurde das Prinzip „ambulant vor stationär“ vorbildlich umgesetzt.

Sie als Union haben in einer Kleinen Anfrage vom 15. Februar 2024 auf Unzulänglichkeiten in der Umsetzung dieses Hospizgesetzes hingewiesen. Als eines der Hauptdefizite haben Sie eine mangelnde Datenlage angeführt und werfen das dem Bund vor. Dabei wissen Sie selbst, dass viele Datenlücken auf Verantwortlichkeiten der Länder und Kommunen zurückzuführen sind und nicht im Wirkungskreis des Bundes liegen.

Aus dem Antrag, den wir heute beraten, möchte ich noch einen Punkt herausnehmen, den ich auch sehr ernst nehme. Sie weisen auf einen möglichen Versorgungsengpass in Bezug auf Arzneimittel in der Palliativmedizin hin. Für diesen Hinweis bin ich Ihnen dankbar, weil ein solcher Engpass für Betroffene in der Tat prekär ist; denn im Gegensatz zu anderen medizinischen Fachgebieten ist es in der Palliativmedizin meist nicht möglich, ein Medikament ohne Wirkungsverlust durch ein anderes zu ersetzen.

Trotz all der Kritik möchte ich aber abschließend betonen: Für mich ist das Hospizgesetz alles in allem eine Erfolgsgeschichte. Das kann ich aus eigener Erfahrung, denke ich, beurteilen. Es hat die palliative Versorgung verbessert. Das unterstreicht auch der letzte Bericht des GKV-Spitzenverbandes vom Dezember 2023. Sie wissen, die GKV muss alle drei Jahre Bericht erstatten. Dieser Bericht besagt, dass der Strukturaufbau im Bereich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung nahezu abgeschlossen ist. Anders ausgedrückt heißt das, dass in Deutschland mittlerweile jeder Versicherte und jede Versicherte Leistungen im Rahmen der allgemeinen und speziellen Palliativversorgung in Anspruch nehmen kann.

Ja, wir müssen das Gesetz evaluieren. Wir müssen uns aber auch davor hüten, nur aus Frust über das Oppositionsdasein alles schlechtzureden

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Wollen wir nicht!)

und durch unnötige Dokumentationspflichten den bürokratischen Aufwand in den medizinischen Einrichtungen noch auszuweiten. Insofern freue ich mich auf die weiteren Diskussionen im Ausschuss und das Ergebnis einer möglichen Anhörung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion der Kollege Jörg Schneider.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617174
Wahlperiode 20
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Palliativversorgung und Hospizarbeit in Deutschland
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