17.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 194 / Tagesordnungspunkt 21

Stefan NackeCDU/CSU - Reintegration in das Erwerbsleben

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen möchte ich heute nicht mit unserem Antrag, sondern mit einem interessanten Gespräch, das die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion am vergangenen Wochenende mit dem bekannten Soziologen Steffen Mau geführt hat.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Das ist gut! Etwas lernen!)

Mit seiner ostdeutschen, sehr bewegten Biografie und großen Expertise trägt er als Gesellschaftserklärer Aufschlussreiches bei. Mau weist empirisch nach, dass wir gesellschaftsübergreifend trotz Wertewandel, Individualisierung und Pluralisierung in allen Schichten und Milieus etwas Gemeinsames haben: den Glauben an die Leistungsgerechtigkeit.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Früher ein Phänomen gesellschaftlicher Eliten, ist der Glaube an Leistungsgerechtigkeit heute in alle Bereiche der Gesellschaft eingedrungen. Mau zeigt, dass dieser Glaube – natürlich mit unterschiedlichen Ausprägungen – inzwischen als normative Grundlage die Sicht der Menschen auf die Welt bestimmt. Dieser Befund erstaunt – und ich halte ihn für sehr aufschlussreich –; denn er zeigt, dass Politiker bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen, Interessen und Lebenslagen in der Bevölkerung mit dem Begriff der Leistungsgerechtigkeit doch einen gemeinsamen Resonanzraum für politisches Handeln haben. Dieses Wertefundament müssen wir immer mitdenken, wenn wir Gesetze machen. Politische Entscheidungen gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger funktionieren nicht; das hat die Ampel beim Heizungsgesetz sehr nachdrücklich erfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man kann bei Mau aber noch mehr lernen. Mit dem Verständnis der Bürger zur Leistungsgerechtigkeit korrespondiert die Erwartung an die Politik, für Befähigungsgerechtigkeit zu sorgen. So schreiben Mau und sein Team in ihrem viel besprochenen Buch „Triggerpunkte“: Der Staat soll für soziale Sicherheit sorgen, aber kein Gleichmacher sein. Zitat:

„Fragt man nach zustimmungsfähigen Programmatiken, so sticht die starke, fast gesellschaftsübergreifende Unterstützung für investive Sozialpolitik heraus, also Maßnahmen und Instrumente, die auf Bildung, Qualifizierung und Enabling zielen ...“

Durch die Ablehnung unseres Antrags zum Fallmanagement bei Reha und Wiedereingliederung in das Erwerbsleben im Ausschuss zeigen die drei Ampelparteien SPD, Grüne und FDP: Sie setzen weiter auf einen alimentierenden Sozialstaat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Union steht im Gegensatz dazu für einen aktivierenden Sozialstaat. Wir glauben an die Menschen. Wir trauen ihnen etwas zu. Wir wollen in die Menschen investieren und sie nicht alimentieren. Wir wollen einen Sozialstaat, der die Hand reicht, damit jede und jeder sich den eigenen Wünschen entsprechend entfalten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau hier schlage ich die Brücke zwischen Maus Befunden und unserem Antrag. Der Fachkräftemangel ist mittlerweile in keiner Branche mehr zu übersehen, ebenso wenig wie die Finanzierungsprobleme unserer Sozialversicherungen. Wir müssen uns – und das erwarten die Menschen zu Recht – anstrengen und endlich Maßnahmen ergreifen, um mehr Menschen in den Arbeitsprozess zu bekommen und sie dort zu halten. Wir sehen dabei ein riesiges Potenzial bei denjenigen, die wegen Krankheit oder Unfall unfreiwillig aus dem Beruf auszuscheiden drohen. In diese Menschen muss unser Sozialstaat investieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn sonst verlieren wir laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin weiterhin 207 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung, und das jedes Jahr.

Da wir hier nicht nur über Zahlen, sondern über Menschen und konkrete Biografien sprechen: In der Ausschussanhörung hat uns Ingo Schäfer vom DGB verdeutlicht, dass ein Viertel der Erwerbsminderungsrenten vor dem 50. Lebensjahr eintritt und drei Viertel vor dem 60. Lebensjahr eintreten. „ Wir reden also hier konsequent über Leute, die 5, 10, 20 Jahre Arbeitsleben noch vor sich haben“, so der Gewerkschafter.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: So ist es!)

Arbeit bringt Erfüllung und schafft Teilhabe. Insofern steht für mich außer Frage: Jede Investition in die Verbesserung des Rehaprozesses zahlt sich am Ende mehrfach aus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Anhörung wurde die Zielsetzung unseres Antrags von der BDA bis zum VdK gelobt. Wir müssen uns – und darin sind wir uns mit den Sachverständigen einig – endlich um die vorhandenen Schnittstellenproblematiken im zersplitterten Rehasystem kümmern. Fachverbände und Rentenversicherungen stimmen zu, dass wir im SGB VI eine Definition des Fallmanagements gesetzlich verankern müssen. Zitat Rentenversicherung:

„Sie würde auf jeden Fall für Klarheit bei der notwendigen Einordnung des Fallmanagements im gegliederten System sorgen und für eine einheitliche Rechtsgrundlage … Sie würde insofern insgesamt zur Optimierung des Rehabilitationsprozesses beitragen.“

(Beifall bei der CDU/CSU)

Professor Mennemann von der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management bescheinigt unserem Antrag – Zitat –:

„Er beinhaltet zudem bei genauer Betrachtung einen Organisationsentwicklungsprozess, bei dem unterschiedliche Professionen bzw. Einheiten der Organisation gezielt zusammenarbeiten.“

(Jens Teutrine [FDP]: Und der Normenkontrollrat? Was hat der gesagt?)

„Die konkrete Fallmanager-Tätigkeit wird auf der Einzelfallebene sinnvollerweise von den Rehaberatern übernommen.“

Aufgrund der von ihm begleiteten Modellprojekte prognostiziert er einen überschaubaren Aufwuchs. Wenn ich das hochrechne, brauchen wir bundesweit nur 100 neue Rehaberater.

„Zusammenarbeit“ heißt hier das Schlüsselwort, aber nicht Zusammenarbeit, wie die Ampel sie versteht. Bei diesem Ampelgehampel ist das ein hoffnungsloser Fall. Da können keine Fallmanager und Rehamaßnahmen mehr helfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Die wissen ja gar nicht, wie man „Zusammenarbeit“ schreibt!)

Nächste Rednerin ist Ulrike Schielke-Ziesing für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617227
Wahlperiode 20
Sitzung 194
Tagesordnungspunkt Reintegration in das Erwerbsleben
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