Benjamin Strasser - Rückgabe von NS-entzogenem Kulturgut
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hunderttausende Kulturgüter wurden in Nazideutschland ihren Eigentümern unrechtmäßig entzogen. Auch das war Teil der nationalsozialistischen Entrechtungs- und Vernichtungspolitik. Insbesondere Jüdinnen und Juden wurden so vielfach um ihr Eigentum gebracht und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Acht Jahrzehnte nach Ende der NS-Herrschaft befinden sich etliche der von den Nazis entzogenen Kulturgüter noch immer nicht in den Händen ihrer Eigentümer. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielfach hat das damit zu tun, dass ihr Verbleib ungeklärt ist. Mitunter liegt es aber auch daran, dass das Recht es schwer macht, bestehende Herausgabeansprüche durchzusetzen. Mit unserem Gesetz, das wir zusammen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Bundesfinanzministerium entworfen haben, wollen wir die Durchsetzung bestehender Herausgabeansprüche erleichtern. Und das ist dringend notwendig.
Was schlagen wir konkret vor? Der Gesetzentwurf schafft einen neuen Auskunftsanspruch, der sich gegen Personen richtet, die Kulturgüter in Verkehr bringen, die ihren Eigentümern in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurden. Der genannte Personenkreis soll Auskunft geben über ihm bekannte Namen und Anschriften von Einlieferinnen und Einlieferern, Veräußerinnen und Veräußerern, Erwerberinnen und Erwerbern und Auftraggebern sowie über vorhandene Erkenntnisse zur Herkunft des betroffenen Kulturguts. Dadurch unterstützen wir die Opfer des NS-Kulturgutraubs unter anderem bei der Feststellung, gegen wen der Herausgabeanspruch zu richten ist. Wir erleichtern so die Prüfung, ob den ursprünglichen Eigentümern bzw. ihren Rechtsnachfolgern eine Herausgabe zusteht.
Wir modifizieren außerdem die Regeln über die Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe von Kulturgut. Der Besitzer eines Kulturguts soll sich künftig nur noch dann darauf berufen können, dass der Herausgabeanspruch gegen ihn verjährt ist, wenn er den Besitz in gutem Glauben erworben hat. Das heißt, die Einrede der Verjährung soll ihm nur offenstehen, wenn ihm beim Erwerb des Besitzes an der Sache nicht bekannt war und es sich ihm auch nicht aufdrängen musste, dass der Veräußerer nicht Eigentümer der Sache war. Diese Einschränkung der Einrede der Verjährung soll für NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut auch dann gelten, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist. Wir erleichtern damit die tatsächliche Durchsetzung von Ansprüchen.
Außerdem konzentrieren wir die erstinstanzliche gerichtliche Zuständigkeit für Ansprüche auf Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut sowie für darauf bezogene Auskunftsansprüche bei den Landgerichten. Damit soll der Komplexität entsprechender Rechtssachen unabhängig von der Höhe des Streitwerts Rechnung getragen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen zudem einen besonderen Gerichtsstand in Frankfurt am Main für Ansprüche auf Herausgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut sowie für darauf bezogene Auskunftsansprüche einführen. Entsprechende Klagen sollen also in jedem Fall auch in Frankfurt am Main erhoben werden können, unabhängig davon, wo der Beklagte ansässig ist; in Frankfurt am Main deshalb, weil dieser Standort insbesondere für Klägerinnen und Kläger aus dem Ausland gut zu erreichen ist. Wir wollen den Betroffenen unnötigen Aufwand so gut wie möglich ersparen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Awet Tesfaiesus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Verbesserung des Auskunftsanspruchs, der Modifikation der Verjährung des Herausgabeanspruchs und dem besonderen Gerichtsstand unterstützen wir die Opfer und ihre Erben bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Unser gemeinsames Ziel dabei ist klar: Von den Nationalsozialisten unrechtmäßig entzogenes Kulturgut muss dahin zurück, wo es hingehört: in die Hände der rechtmäßigen Eigentümer. Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt hin zu diesem Ziel. Deshalb bitte ich Sie herzlich um Ihre Unterstützung.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617231 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Rückgabe von NS-entzogenem Kulturgut |