Benjamin Strasser - Zuständigkeitsstreitwerte der Amtsgerichte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche zumindest etwas: zu erklären, was sich hinter diesem Titel versteckt.
Gerade in Zeiten, in denen unser Rechtsstaat zunehmend infrage gestellt wird, ist es von großer Bedeutung, Bürgerinnen und Bürgern ein überzeugendes Angebot zur Beilegung ihrer zivilrechtlichen Streitigkeiten zu machen. Gerade die Amtsgerichte gewährleisten durch ihre Verteilung in der Fläche einen ortsnahen Rechtsschutz und damit für Bürgerinnen und Bürger einen leichten und auch zeit- und kostenschonenden Zugang zur Justiz. Dieser Zugang muss aus Sicht der Bundesregierung dringend erhalten bleiben.
Wir wollen als Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gerade die Amtsgerichte stärken. Die Verteilung der Amtsgerichte in der Fläche ist es, die auf dem Spiel steht; denn auch an den Amtsgerichten ist der Rückgang der Eingangszahlen in der Ziviljustiz in den letzten Jahren nicht vorübergegangen. Dieser Rückgang ist insbesondere für kleinere Amtsgerichtsstandorte problematisch.
(Sonja Eichwede [SPD]: Genau!)
Denn diese können den Rückgang nicht durch einen Abbau von Stellen kompensieren. Ihnen droht vielmehr, dass sie geschlossen werden müssen. Und das drohende Sterben von Amtsgerichtsstandorten muss unbedingt verhindert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Gefahr wollen wir durch die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte von bisher 5 000 auf nunmehr 8 000 Euro entgegenwirken. Nachdem dieser Wert seit mehr als 30 Jahren unverändert geblieben ist, soll damit auch die Inflation in diesem Zeitraum nachgezeichnet werden. Wir greifen außerdem ein Anliegen aller Länder auf, den ortsnahen Rechtsschutz für Bürgerinnen und Bürger gerade auch in ländlichen Regionen durch eine Stärkung der Amtsgerichte zukünftig weiter zu gewährleisten.
Daneben soll diese Neuregelung der Zuständigkeitsverteilung genutzt werden, um durch eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die Amts- und an die Landgerichte die Spezialisierung der Justiz zu fördern. Die Konzentration einzelner Sachgebiete in der Eingangsinstanz der Amts- oder der Landgerichte verspricht erhebliche Effizienzgewinne. Wir stärken so den konkreten Zugang zum Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zivilrechtliche Streitigkeiten werden in einigen Rechtsgebieten zunehmend komplexer; bei anderen Rechtsgebieten spielt hingegen die Ortsnähe eine besondere Rolle. Vor diesem Hintergrund sollen bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den Amtsgerichten zugewiesen werden. Streitigkeiten aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen streitwertunabhängig durch die Landgerichte bearbeitet werden.
Daneben adressiert der Gesetzentwurf ein weiteres Problem der gerichtlichen Praxis. Derzeit ist es den Gerichten nicht möglich, eine in einem Urteil getroffene Kostenentscheidung nachträglich zu ändern, wenn diese infolge einer Streitwertänderung oder einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Wertfestsetzung unrichtig geworden ist; denn der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2015 entschieden, dass eine Urteilsberichtigung in einem solchen Fall nicht in Betracht kommt. Werden also zum Beispiel mehrere Streitgegenstände in einer Klage verfolgt, kann es nach einer nachträglichen Änderung der Wertfestsetzung für einen der Streitgegenstände dazu kommen, dass eine nach den ursprünglichen Streitwerten getroffene Kostenquote nicht mehr dem Verhältnis des Obsiegens und des Unterliegens der Parteien entspricht. Kurz gesagt führt dies zu Wertungswidersprüchen und zu Ungerechtigkeiten für die Parteien. Deshalb schaffen wir für solche Fälle eine gesetzliche Regelung in den Verfahrensordnungen, die eine solche Änderung künftig ermöglicht. Wir setzen damit nicht nur ein weiteres Anliegen der Länder um, sondern wir schaffen auch für die Prozessparteien mehr Fairness.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Entwurf greift wichtige Anliegen der gerichtlichen Praxis auf, weshalb ich am Ende unserer parlamentarischen Beratungen herzlich um Ihre Zustimmung bitte.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort erhält Dr. Martin Plum für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617242 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Zuständigkeitsstreitwerte der Amtsgerichte |