18.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 195 / Zusatzpunkt 7

Konstantin von NotzDIE GRÜNEN - Sicherheitspaket

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren dieses Sicherheitspaket vor dem Hintergrund der entsetzlichen Tat von Solingen. An die Anhörung am 23. September 2024 mit massiver und fundierter Kritik schlossen sich intensive und – ich sage es gern hier offen und frei – harsche parlamentarische Verhandlungen an. Wir haben in allen Bereichen – Waffenrecht, Migration, Befugnisse – sehr relevante und entscheidende Verbesserungen vorgenommen. Dieses Paket wird wirksamer, aber es wird vor allem deutlich europa- und verfassungskonformer, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hat die Regierung was Verfassungsfeindliches vorgelegt?)

Im Waffenrecht ermöglichen wir der Polizei, einfacher anlassbezogen und verhältnismäßig Personen bezüglich des Mitführens von Messern bei großen Menschenansammlungen zu kontrollieren. Das stärkt die Sicherheit, und das stärkt die Sicherheitskräfte. Im Vorfeld dieser Zonen, die sichtbar ausgewiesen sein müssen, haben wir diese Kontrollen und damit eine Uferlosigkeit der Regelung aber ausgeschlossen, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zu den Befugnissen. Folgendes geht nicht, Frau Lindholz: Man schafft eine maßlose Eingriffsbefugnis, garniert sie mit einer uferlosen Datei und mixt dann noch mal ein bisschen KI in diese Soße.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

So eine Norm –

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Regierungsentwurf!)

das sage ich gerade zu Ihnen aus der Union, die ein verfassungswidriges Gesetz nach dem anderen produzieren – geht nicht mit uns, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Na, dann muss die Regierung weg! Die hat das nämlich vorgeschlagen!)

Deswegen war es zwingend und richtig, diese neuen Befugnisse klar und streng einzuhegen. Der extrem enge § 100b StPO, der die Anwendung auf schwerste Straftaten begrenzt, ist zentral. Aber auch sonst haben wir an ganz vielen großen und kleinen Schrauben gedreht, damit aus diesem Entwurf ein Gesetz wird, das in Karlsruhe bestehen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: War das verfassungswidrig, was die Koalition gemacht hat, die Regierung, das Innenministerium? Das ist doch absurd, was Sie hier sagen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer hat das denn eingebracht hier?)

Bei sensiblen Fragen des Einsatzes von KI haben wir die Notwendigkeit der Schaffung einer Rechtsverordnung im Benehmen mit der Bundesdatenschutzbeauftragten eingezogen. Das heißt, bevor es dem BMI nicht gelingt, sauber, bestimmt und schlüssig aufzuschreiben, wie genau man technisch diese neuen Befugnisse grundrechtsschonend umsetzen will, dürfen diese Werkzeuge auch nicht zum Einsatz kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das heißt, heute auch nicht beschlossen! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie wollen also gar nichts!)

Wir haben die Erfassung von Echtzeitdaten wie Streams ausgeschlossen. Es wird eine wissenschaftlich unabhängige Evaluierung geben. Zudem wird sichergestellt, dass ein biometrischer Abgleich nicht gegen Personen ohne Gefahrnähe erfolgen kann. Es gibt eine Protokollierungspflicht, die festgeschrieben ist, und über die Anordnung darf nur der Präsident oder die Präsidentin entscheiden.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Was ist mit der Sicherheit? – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die Grünen dürfen nie für Sicherheit verantwortlich werden in Deutschland! Das ist ja eine Katastrophe!)

Auch bezüglich der Vorgaben aus dem Entschließungsantrag erwarten wir als Parlament – und das sage ich deutlich in Richtung Bundesregierung – die exakte Einhaltung der Dinge, die wir als Parlament vorgegeben haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist ein Offenbarungseid, den Sie hier leisten!)

Und wir haben in das Paket die Prävention als zentralen Aspekt der Bekämpfung des Islamismus mit einem eigenen Entschließungsantrag eingewoben – das fehlte vor den Verhandlungen –, und das war richtig und wichtig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Im Bereich der Migration ist es notwendig, Regelungen zu schaffen, die ein gerechtes europäisches Verteilungssystem im Rahmen von GEAS ermöglichen. Zentral sind Kooperation und Solidarität in Europa, Herr Frei, und zwar auf Gegenseitigkeit.

(Lachen des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Zeigen Sie doch mal die Gegenseitigkeit!)

Wer wie CDU und CSU die Binnengrenzen dicht machen will, um pauschal zurückzuweisen, der zerstört Vertrauen und Solidarität und gefährdet Europa im Kern, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Menschen dürfen – das gebe ich der christlichen Partei mal mit – nicht in Verelendung und Obdachlosigkeit gedrängt werden.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was für ein Unsinn! Das wissen Sie doch!)

Wir verhindern das durch deutliche Verbesserungen bei den Härtefallregelungen und durch zusätzliche Voraussetzungen bei den Leistungsstreichungen. Es reicht eben nicht der Bescheid des BAMF.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das war der Regierungsentwurf!)

Zwingend müssen alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Ausreise gegeben sein, inklusive des von staatlicher Seite zu garantierenden Transfers in das andere europäische Land,

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das müssen die Sozialbehörden prüfen! Ein Riesenaufwand!)

bevor ein Leistungsentzug in Deutschland verhängt werden darf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gerade vor dem Hintergrund der völlig kontraproduktiven Schärfe der Diskussion und der unsäglichen Verbindungen, Herr Merz, zwischen den Themen Terror und Migration ist es entscheidend,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die Grünen dürfen einfach nicht regieren! Die Grünen sind ein Sicherheitsrisiko!)

dass diese Regelungen von Verhältnismäßigkeit, von Humanität und von Rechtsstaatlichkeit geleitet sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darauf verpflichtet uns das Grundgesetz, meine Damen und Herren.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie sind ein Sicherheitsrisiko für unsere Land! Furchtbar!)

Noch ein einziger Gedanke zum Abschluss. Es gibt einen Grund für die Regeln dieses Hauses. Für unsere Verfahren und Beratungen braucht man die notwendigen Anhörungen, alle Formen und Fristen, schlicht ausreichend Zeit für angemessene parlamentarische Beratung.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ah ja!)

Ich plädiere dafür, dass wir als Parlament in Zukunft diese Regeln hart verteidigen,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wieder einhalten! Einhalten wäre gut!)

auch wenn Bundesregierung oder Bundesrat Druck machen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie machen es doch nur in der Koalition! Aber nicht im Parlament! Wir haben die Änderungsanträge am Dienstag noch gar nicht gehabt! Das ist doch wirklich der Hammer!)

Ich werbe um Zustimmung.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Dr. Christian Wirth.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617287
Wahlperiode 20
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Sicherheitspaket
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