18.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 195 / Zusatzpunkt 10

Antje TillmannCDU/CSU - Jahressteuergesetz 2024, Existenzminimum

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen! Liebe Zuhörer! In dieser Woche waren wir auf einen großen Steueraufschlag vorbereitet. Leider haben Sie sich beim wichtigen Steuerfortentwicklungsgesetz nicht einigen können, sodass heute nur die Hälfte zur Abstimmung steht.

Dass der Kollege Herbrand an guten Regelungen überwiegend die aus dem Steuerfortentwicklungsgesetz, das noch gar nicht auf der Tagesordnung steht, erwähnt, zeigt, dass er dieses Gesetz, das Jahressteuergesetz, für nicht so beeindruckend hält.

(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Herbrand [FDP]: Was ist das denn für ein Quatsch?)

Das war es auch nicht; denn Sie haben ähnlich wie beim Heizungsgesetz erst mal für größtmögliche Verunsicherung bei Musik- und Sportvereinen gesorgt, frei nach dem Motto: Wenn wir androhen, was Schlimmes zu machen, freuen sich alle, wenn es hinterher besser kommt.

Sie haben Musikschulen und Sportvereine verunsichert; Musikschulen, weil Sie den Musikunterricht umsatzsteuerpflichtig machen wollten – das hätte den Musikunterricht verteuert –, und Sportanlagen, weil Sie die Umsatzsteuerfreiheit einführen wollten, was aber zum Wegfall des Vorsteuerabzugs geführt hätte.

Beide Ansinnen haben Sie fallen gelassen; diese Maßnahmen machen das Gesetz besser. Besser macht das Gesetz auch, dass Sie das Mobilitätsbudget fallen gelassen haben; denn Sie hatten vor, den Unternehmen erhebliche bürokratische Mehraufwendungen zuzumuten, indem Sie Steuerfreiheit für private E-Rollerfahrten zur nächtlichen Party bis 2 400 Euro in kleinen Fahrscheinen ermöglichen wollten.

(Michael Schrodi [SPD]: Frau Tillmann, das ist aber jetzt unterkomplex!)

Geplant war eine pauschale Besteuerung in Höhe von 25 Prozent: Das wäre wieder an den Geringverdienern und auch an der ländlichen Bevölkerung vorbeigegangen. Dass Sie das fallen gelassen haben, macht das Gesetz auch besser.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Nicht besser macht das Gesetz, dass Sie eine sogenannte neue Wohngemeinnützigkeit einführen.

(Zuruf des Abg. Tim Klüssendorf [SPD])

Wir sind uns einig, dass wir dringend mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland brauchen. Das haben Sie ja auch zu einem Schwerpunktthema dieser Legislaturperiode gemacht – leider nicht sehr erfolgreich. Erst heute hat das Statistische Bundesamt verkündet, dass die Zahl der Baugenehmigungen erneut gesunken ist: 19,3 Prozent weniger Baugenehmigungen sind in diesem Jahr bis August beantragt worden und diesen Monat noch mal 6,8 Prozent weniger. Sie sind da nicht gut.

Sie werden auch nicht dadurch besser, dass Sie sich was ausdenken, was von den Unternehmen nicht abgefragt wird. Denn keiner von Ihnen konnte uns erklären, warum eine gemeinnützige GmbH, die keine Gewinne macht, eine Steuerfreiheit durch Gemeinnützigkeit braucht. Das macht keinen Sinn, und das haben Ihnen die Sachverständigen in der Anhörung auch gesagt.

Geben Sie das auf, und kümmern Sie sich lieber um den § 21 Absatz 2 Einkommensteuergesetz! Den lassen Sie nämlich unverändert. Damit zwingen Sie sozialverantwortliche Vermieter, bei jedem neuen Mietpreisspiegel die Miete zu erhöhen, damit sie nicht tatsächlich vereinnahmte Mieten von unter 66 Prozent haben und damit den Steuervorteil verlieren. Mit jeder Mietspiegelerhöhung erhöhen wir wieder Mieten in Deutschland. Sie haben die Chance verpasst, Mieterinnen und Mieter tatsächlich zu entlasten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Verlängerung der Übergangsfrist in § 2b Umsatzsteuergesetz gehen wir auch nicht mit. 2015 haben wir die Umsatzbesteuerung von gewerblichen Leistungen der öffentlichen Hand eingeführt, und zwar deswegen, weil wir es ungerecht finden, dass steuersubventionierte Kommunen dem örtlichen Gartenbaubetrieb, der sowohl Umsatzsteuer als auch Gewerbesteuer zahlen muss, Konkurrenz machen.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Sie haben das doch selber verlängert!)

Auch wir haben damals gesagt: Wir geben den Kommunen eine Übergangszeit – zweimal ab 2015.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Mehrfach!)

Sie wollen diese Frist jetzt erneut verlängern.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Das hätten Sie genauso gemacht!)

– Nein, das hätten wir nicht getan. Ganz im Gegenteil: Meine Heimatstadt Erfurt wendet das nämlich jetzt gar nicht an.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Ach, deshalb! – Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])

Sie sagt zu Recht: Es kann nicht sein, dass die Rechtstreuen immer die Blöden sind, indem sowohl die Unternehmen als auch die Kommunen Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent zahlen, und die Nachbarkommune, die sich nicht an Recht und Gesetz hält, sich diese 19 Prozent spart. Das ist ungerecht; das ist gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht fair. Wir wollen nicht, dass der Staat kleinen Unternehmen Konkurrenz macht und dann auch noch Steuern spart.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Verlängerung hätten sich übrigens die Landwirte gewünscht. Da waren Sie sehr viel kleinlicher.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Ein schöner Übergang!)

Denn bei den Landwirten setzen Sie bei der Pauschalsteuer schon wieder, und zwar zweimal hintereinander und sogar im laufenden Jahr, eine Schlechterstellung bei der Pauschalbesteuerung durch. Wenn Sie da ähnlich großzügig gewesen wären wie beim § 2b Umsatzsteuergesetz, hätten wir an diesem Punkt vielleicht sogar zugestimmt.

Ein paar Lichtblicke hat der Regierungsentwurf. Kinderbetreuungskosten: Die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten erhöhen Sie auf 80 Prozent und den Maximalbetrag auf 4 800 Euro gegenüber bisher 4 000 Euro. Das unterstützen wir. In unserem Familienantrag wären wir weitergegangen, aber das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Und, Herr Kollege Herbrand, weil Sie in einer Ausschusssitzung gefragt haben, wo denn unsere Vorschläge sind. Sie haben sie schon abgeschrieben. Deshalb kann ich hier nur noch darauf hinweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Markus Herbrand [FDP]: Steht aber nicht im Regierungsentwurf!)

Ich musste schmunzeln, Herr Kollege Herbrand, dass Sie ausgerechnet mit den Termingeschäften als gute Lösung dieses Gesetzes angefangen haben. Da mussten die Grünen lachen, und die SPD hat ein ziemlich zerknirschtes Gesicht gemacht, weil das natürlich auch der krasseste Punkt in den Verhandlungen der Großen Koalition war. Sie wollen im Moment Finanzbildung betreiben. Deshalb ist es richtig, dass Sie hier den jungen Menschen nicht sagen müssen: –

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Bei den Kapitaleinkünften musst du die Gewinne besteuern, und die Verluste darfst du selber haben. – Das ist richtig; das ist gut.

Frau Kollegin!

Auch an dieser Stelle wirkt Opposition, weil wir zum Beispiel Anträge zum Zukunftsfinanzierungsgesetz eingebracht haben. Leider ist das Gesetz nicht gut genug – –

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe Ihnen das Wort entzogen. Sie können sich bitte setzen.

Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Tim Klüssendorf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617350
Wahlperiode 20
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Jahressteuergesetz 2024, Existenzminimum
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