18.10.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 195 / Zusatzpunkt 14

Catarina dos Santos-WintzCDU/CSU - Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen wird wieder hitzig über den DSA und seine Umsetzung in deutsches Recht diskutiert, was ein bisschen verwunderlich ist, da wir doch im Januar und im März an dieser Stelle bereits eine Debatte zu diesen Themen hatten. Aber da offensichtlich geboten, möchte ich versuchen, zu einer Versachlichung dieser Debatte beizutragen.

(Stephan Brandner [AfD]: Die fängt ja erst an!)

Mit dem DSA wurde ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen, um besser gegen illegale Inhalte im Bereich der strafrechtlich relevanten Hassrede – zu dem Begriff komme ich gleich noch mal –, aber auch unter anderem – das fällt in der Debatte manchmal hinten runter – gegen Markenpiraterie und unsichere Produkte vorzugehen.

Das Bundeskriminalamt nimmt Meldungen bei Verdacht auf Straftaten im Netz entgegen und geht diesen nach. Diese Meldungen erfolgen grundsätzlich durch die Plattformen. Sogenannte Trusted Flagger – wir haben den Begriff jetzt schon sehr oft gehört – sollen als „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ dabei unterstützen und laut Vorgabe über besondere Expertise und Erfahrung bei der Identifizierung und Meldung rechtswidriger Inhalte verfügen. Um diesen Status zu erhalten, müssen die Bewerber umfassende Kenntnisse nachweisen, regelmäßig berichten und können übrigens bei Verfehlungen durch die Bundesnetzagentur kontrolliert werden, und letztlich kann ihnen auch der Status entzogen werden.

(Stephan Brandner [AfD]: Schätze mal, das wird nie passieren!)

Plattformen sind gesetzlich verpflichtet, Meldungen von Trusted Flaggern prioritär zu behandeln und unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen. Social-Media-Plattformen nutzen dieses Konzept übrigens schon länger, um Effizienz und Effektivität von Verfahren zu steigern. Das kann man gut finden oder nicht. Die Anzahl der Meldungen ist hoch, und sicherlich nicht alle Meldungen sind gerechtfertigt.

(Stephan Brandner [AfD]: Aha!)

Trusted Flagger sind übrigens nicht nur in den sozialen Medien relevant, sondern auch auf Onlinemarktplätzen zur Anzeige von gefälschten Produkten. Es ist daher wichtig, auf den verschiedenen Ebenen die Tatsachen nicht zu verdrehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Das ist doch nur eine Ausrede!)

Um die rechtlichen Vorgaben zu verstehen, ist es sinnvoll, einen tatsächlichen Fall durchzuspielen. Ein rechtswidriger Kommentar mit jugendpornografischem Inhalt wird unter einen Post gesetzt. Das kann durch den Nutzer gemeldet werden, ein Unternehmen kann das aufspüren, oder ein Trusted Flagger meldet ihn beispielsweise bei der Social-Media-Plattform. Der Fall wird untersucht; die Plattform muss diesen übrigens auch selber untersuchen. Der Kommentar wird unter Umständen gelöscht und an das BKA weitergeleitet. Nutzer können sich darüber hinaus wehren, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.

Läuft jetzt also – so der Vorwurf – jede Äußerung Gefahr, gemeldet zu werden?

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, klar!)

Nein; denn die Meldepflicht gilt nur für Straftaten, die eine Gefahr für Leben und Sicherheit von Personen darstellen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das sagt ein Religionspädagoge oder Extremist!)

Keine Grundlage bietet Artikel 18 DSA übrigens bei Delikten, die keinerlei direkten Bezug zum Schutz von Leben oder Sicherheit von Personen aufweisen, beispielsweise bei Beleidigungsdelikten.

Ich lade Sie ein zu einer kurzen Reise in meine eigene Vergangenheit. Einer der Kommentare nach meiner Aufstellung als Bundestagskandidatin hieß sinngemäß: Haben die keinen richtigen Deutschen für den Posten gefunden? – Das war nicht schön. Das ist rassistisch und inhaltlich falsch, aber ist es strafbar? Fraglich. Deswegen muss ich das ertragen. Das ist okay. Das gehört im Zweifel zur Meinungsfreiheit in unserem Land dazu.

Und da das in der Debatte schon mal durcheinandergeht: Eine gewisse Sonderstellung nimmt in den Erwägungsgründen des DSA der mehrfach erwähnte Begriff der Hassrede ein, da es sich hierbei weder auf Unionsebene noch auf Ebene der Mitgliedstaaten um einen Rechtsbegriff im engeren Sinne handelt,

(Stephan Brandner [AfD]: Eben! Das ist das Problem!)

sondern um einen vom politischen Diskurs übernommenen Sammelbegriff, den man sicherlich unterschiedlich deuten kann.

(Beatrix von Storch [AfD]: Reine Willkür! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Ja, genau!)

Dementsprechend wird aber bei den Erwägungsgründen, um darauf direkt einzugehen, immer der Zusatz verwendet, dass die jeweilige Hassrede rechtswidrig sein muss. Damit wird effektiv auf die funktionierende Strafrechtsordnung in unseren Mitgliedstaaten verwiesen – und damit auch auf unsere –, ohne das noch mal jenseits bekannter Straftatbestände definieren zu müssen.

Ich möchte nicht leugnen: Wir befinden uns in einem Balanceakt. Und daher sage ich auch ganz klar: Natürlich ist die freie Meinungsäußerung ein hohes Gut unseres Grundgesetzes und deswegen eben auch grundrechtlich geschützt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Aber!)

Sie ist ein fragiles Gut, um das uns die meisten in der Welt beneiden.

(Stephan Brandner [AfD]: Wer denn? Ich kenne keinen einzigen!)

Eines ist aber auch klar: Wenn am Ende jeder nur noch seine eigene Meinung und damit seine eigene Wahrheit glaubt, bleibt kein Platz, zu hinterfragen, was wir eigentlich teilen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Tobias B. Bacherle, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617363
Wahlperiode 20
Sitzung 195
Tagesordnungspunkt Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken
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