Johannes SteinigerCDU/CSU - Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Mansmann hat ja gerade eben von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gesprochen. Oft leiden die Diskussionen, die wir hier im Plenarsaal haben, ja daran, dass wir nur in Allgemeinplätzen sprechen. Ich habe Ihnen mal eine E-Mail mitgebracht, die ich gestern Mittag, kurz nach 12 Uhr, von einem Unternehmen bei mir aus dem Wahlkreis bekommen habe. Ich lese Ihnen das mal vor: Wir stecken aktuell in der schlimmsten Krise, die ich in meinen 40 Jahren hier bei der Firma erlebt habe. Unsere Industrie in Deutschland ist am Boden. Viele Firmen haben schon sehr lange Kurzarbeit, einige haben Insolvenz angemeldet oder ihre Produktion ins Ausland verlagert. – Dann fragt er nach Hilfsmöglichkeiten des Bundes, um dann zu sagen: Wenn es diese Hilfen nicht gibt, wird es unsere Firma nicht mehr lange geben. Die Aufträge in Deutschland gehen immer weiter zurück, und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden derzeit Zeuge des wirtschaftlichen Abstiegs in unserem Land.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)
In den letzten drei Jahren sind 300 000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren gegangen. Es gab 25 Prozent mehr Insolvenzen als im vergangenen Jahr und in den letzten drei Jahren 250 Milliarden Euro an Investitionen, die nicht in Deutschland getätigt worden sind, sondern die ins Ausland abgeflossen sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine handfeste Rezession, und ich wünsche mir, dass die Ampel das endlich mal anerkennt und auch etwas dagegen macht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Till Mansmann [FDP]: Dann stimmen Sie doch jetzt dafür!)
– Den Zwischenruf von der FDP hätte ich jetzt eigentlich eher von den Grünen erwartet, wo man sich ja denken könnte: Gerade die Grünen sind eigentlich dafür, dass wir in der Rezession sind.
(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völliger Unsinn! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Sie sind ja immer für Degrowth; das ist ja das, was Sie uns hier immer zurufen. Sie wollen ja eine kleinere Wirtschaft in diesem Land haben. Ihnen macht es im Zweifel auch nicht so viel aus, wenn es diese Verlagerungen gibt.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Sie stimmen also nicht zu!)
Ich kann Ihnen nur zurufen: Tun Sie etwas gegen die Rezession! Wir haben es das letzte Mal vor zwanzig Jahren gehabt – 2002/2003 –, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Land zweimal in Folge geschrumpft ist. Das haben wir jetzt wieder erlebt.
(Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Damals gab es dann die Agenda 2010 des Bundeskanzlers Schröder. Heute sagt der Bundeskanzler Scholz: Alles wird gut. – Nein, es wird nicht alles gut.
Wir brauchen eine Agenda 2030.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tim Klüssendorf [SPD]: Was ist denn die Agenda 2030? Sagen Sie doch mal was! Das gibt’s ja wohl nicht! Leere Worthülsen sind das! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wir hören derzeit aus der Wirtschaft die drei V: Die Großen verlagern, die Mittleren verkaufen, und die Kleinen verabschieden sich. Wir hatten zehn Jahre Wirtschaftswachstum in diesem Land. Seit Sie dran sind, sind wir in der Rezession.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das ist ja schon ein bisschen billig! – Zurufe von der SPD)
Wir können Ihnen nur sagen: Handeln Sie endlich!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt kommen wir zum Gesetz.
(Zuruf von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz kleinen Moment. Ich halte die Zeit für Sie an. – Ich finde es wirklich gut, dass noch ein bisschen Stimmung aufkommt in diesem Plenarsaal; aber es wäre schön, wenn der Redner so reden könnte, dass man ihn auch noch verstehen kann.
(Zuruf von der SPD: Das liegt am Redner!)
Einzelne Zwischenrufe beleben die Debatte. Zwischenrufe in Summe führen dazu, dass es nur laut wird. Ich bitte da also um ein bisschen Mäßigung.
Herr Kollege Steiniger, Sie haben weiterhin das Wort.
Das ist sehr nett, Herr Präsident; aber mich irritiert es in keiner Art und Weise. Man merkt ja an den Reaktionen der SPD, dass sie sich sehr getroffen fühlen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Insofern ist es eher eine Bestätigung unserer Thesen.
(Armand Zorn [SPD]: Herr Kollege, überschätzen Sie sich bitte nicht! – Zuruf von der SPD: Reden Sie doch mal zum Gesetz, Herr Steiniger!)
Jetzt wird gesagt: Dann stimmen Sie doch diesem Gesetz zu! – Dieses Gesetz hat einen wunderbaren Titel. Es nennt sich „Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht“. Wir hatten eine Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, zu der wir Sachverständige, Experten aus der Praxis, eingeladen haben, die wir dann dazu befragt haben: Wie groß ist denn jetzt eigentlich der Abbau, der durch dieses Gesetz entsteht?
(Carlos Kasper [SPD]: 3,5 Milliarden!)
Es war hochinteressant zu hören, was die Experten aus Wirtschaft und Verbänden gesagt haben. Die haben nämlich alle – bis auf einen Professor – gesagt: Nein, hier passiert genau das Gegenteil. Hier passiert kein Abbau von Bürokratie. Wir haben durch dieses Gesetz sogar ein Mehr an Bürokratie.
(Armand Zorn [SPD]: Nein, das stimmt nicht!)
Also, Sie führen Ihr Ziel völlig ad absurdum. Deswegen hätten Sie dieses Gesetz am besten einfach weggelassen.
(Armand Zorn [SPD]: Herr Kollege, das stimmt nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Es ist hochinteressant, dass hier wieder reingerufen wird. Ich sage Ihnen mal was zum Interesse der Ampel an diesem Gesetz:
(Zuruf von der SPD: Keine Steuersenkung von der CDU!)
Wir hatten die Sachverständigenanhörung. Wir haben unsere drei Sachverständigen eingeladen. Die SPD hat noch einen dazu eingeladen, die FDP auch einen. Die Grünen aber haben nicht mal einen Sachverständigen zu der Anhörung eingeladen. Sie haben überhaupt gar kein Interesse an diesem Gesetz.
(Carlos Kasper [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Warum lügen Sie? Das ist eine Lüge! Also wirklich!)
Das habe ich, ehrlich gesagt, in den letzten Jahren hier im Deutschen Bundestag noch nicht erlebt.
Und dann sagen Sie: Wir haben es sogar ein bisschen besser gemacht im Verfahren, Stichwort „Änderungsantrag“.
(Armand Zorn [SPD]: Herr Kollege, machen Sie Feierabend! Es wird nicht besser!)
Sie haben zwei Änderungsanträge zustande gebracht. Die waren übrigens auch schon in den letzten Wochen überall hier im Umlauf. Im Finanzausschuss haben wir uns minutenlang Protokollerklärungen der Ampel angehört.
Nur mal für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Es gibt Änderungsanträge zu Gesetzen, mit denen man auch wirklich etwas ändert, etwas verbessert im Gesetz. Und wenn man sich in nichts mehr einig ist, dann schreibt man irgendwelche Protokollerklärungen. Das hat die Ampel gemacht.
(Zurufe von der SPD)
Wir saßen minutenlang im Ausschuss und haben zugehört. Also, auch dieses Gesetz ist mal wieder ein Beispiel dafür: Sie haben fertig! Sie kriegen nichts mehr hin.
(Dagmar Andres [SPD]: Minutenlang? Skandal!)
– Ich verstehe, dass Sie sich aufregen; aber hören Sie besser zu.
(Zuruf des Abg. Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Letzter Punkt. Sie nehmen den Strom aus Biomasse, aus Klär- und Deponiegasen und aus den erneuerbaren Energien heraus. Sämtliche Stadtwerke haben uns in den letzten Wochen dazu angeschrieben.
(Carlos Kasper [SPD]: Das kann gar nicht sein!)
Das ist insbesondere ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die Verantwortung im ländlichen Raum tragen.
Man merkt, man kann diesem Gesetzentwurf wirklich nicht zustimmen. Wir haben einen guten Entschließungsantrag eingebracht. Wir werden dieses Gesetz ablehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Steiniger. – Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Carlos Kasper.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617373 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht |