06.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 196 / Zusatzpunkt 1

Lena WernerSPD - Aktuelle Stunde - Kurs der Bundesregierung in der Wirtschaftskrise

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage der deutschen Wirtschaft ist momentan – da müssen wir auch nicht lange drum herumreden – nicht wirklich ideal. Das zarte Wirtschaftswachstum im dritten Quartal und die verbesserten Auftragszahlen für die Industrie – lieber Herr Kuban, das haben Sie eben vergessen zu erwähnen – sind gute Zeichen, aber noch lange keine Trendumkehr. Deswegen heißt es weiter: Kurs halten –

(Lachen bei der AfD)

die Richtung stimmt –, die Wachstumsinitiative umsetzen, und zwar konsequent, und wenn möglich weitere Maßnahmen beschließen, um unsere Wirtschaft zu unterstützen und damit Arbeitsplätze zu sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist klar, dass politisch was passieren muss, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Es ist jedoch nicht so, dass die Bundesregierung nichts dagegen tut.

(Stephan Brandner [AfD]: Sie macht alles nur viel schlimmer!)

Ich will die Union daran erinnern, dass wir die Situation schon im Winter letzten Jahres erkannt und das Wachstumschancengesetz auf den Weg gebracht haben, um Investitionen anzukurbeln. Und das Ergebnis ist bekannt: Die Union hat das Paket im Bundesrat aus politischem Kalkül blockiert und im Vermittlungsausschuss entkernt. Damit haben Sie der deutschen Wirtschaft keinen Gefallen getan.

Seit dem Sommer beschäftigen wir uns mit der Umsetzung der Wachstumsinitiative, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Das heißt zunächst einmal, unnötige Bürokratie abzubauen. Wir haben beim Solarausbau gesehen, was für Effekte das haben kann. Mithilfe von Praxischecks wurde der Schulterschluss zur Branche gesucht und der gesetzliche Rahmen pragmatisch gestaltet. Dieser Prozess kann als Vorbild dienen. In der Gastronomie wurde vor Kurzem auch ein solcher Praxischeck durchgeführt, und ich hoffe, dass die Ergebnisse schnell umgesetzt werden und den Betrieben entgegenkommen. Weitere branchenspezifische Praxischecks werden folgen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Modernisierung im Arbeitszeitgesetz. Der Achtstundentag ist eine große Errungenschaft von Sozialdemokratie und Gewerkschaften und sollte weiter der Standard sein. In manchen Branchen passt das starre Konzept jedoch nicht zu den Arbeitsanforderungen. Das ist zum Beispiel in der Veranstaltungsbranche so. Das kenne ich selber ziemlich gut. Man arbeitet zu gewissen Peak-Zeiten, besonders während, vor und nach Veranstaltungen, und hat dann zwischenzeitlich längeren Leerlauf. Das ist in der Festivalsaison oder auch beim Oktoberfest so. Für diese Branchen bietet sich ein Wochenarbeitszeitmodell sehr gut an. Der Bundesarbeitsminister hat einen entsprechenden Vorschlag für diesen Monat angekündigt. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch hierbei zügig vorankommen und den parlamentarischen Prozess bald eröffnen können.

Die wirtschaftliche Gesamtsituation ist herausfordernd. Wir brauchen daher eine schnelle, entschlossene Umsetzung der vorliegenden Maßnahmen. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen und ein konjunkturelles Anschieben der Wirtschaft stehen sich aus meiner Sicht dabei nicht im Weg. Bei den Verhandlungen der Ampel sollte, so wie es der Kanzler gesagt hat, Pragmatismus über Idealismus stehen; denn es geht hier um Arbeitsplätze und die finanzielle Sicherheit von Haushalten. Es geht um die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand von morgen. Apropos Wohlstand von morgen: Dazu gehört natürlich auch der Ausbau und das Streuen unserer Handelsbeziehungen. Das ist nicht nur mit Blick auf die Abhängigkeiten von China wichtig, sondern seit heute Nacht auch mit Blick auf die USA.

Unabhängig vom Ausgang der Wahl war lange klar und deswegen auch nicht überraschend, dass sich die Handelsbeziehungen mit den USA ändern werden. Das Ergebnis der Wahl in den Vereinigten Staaten zeigt, dass wir uns auf ein hartes „America First“ einstellen müssen, auch oder gerade wirtschaftspolitisch. Schon während seiner letzten Amtszeit hat Trump hohe Zölle auf einzelne Branchen eingeführt, zum Beispiel auf Wein, was die Winzer/-innen an der Mosel wirtschaftlich getroffen hat. In meinem Bundesland, Rheinland-Pfalz, weiß man davon ein Lied zu singen; denn es hat sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zu den USA und kennt die Folgen eines starken Protektionismus aus eigener Erfahrung.

Potenziale für den Ausbau von Handelsbeziehungen gibt es sehr viele, wie zum Beispiel im Indopazifik-Raum. Das haben wir letzte Woche auf der Asia-Pacific Conference of German Business in Indien, wo ich mit dem Kollegen Houben war, noch einmal deutlich gesehen. Diese Potenziale müssen wir nutzen. Bei allem politischen Hin und Her müssen wir im Blick behalten: Es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland, und dafür lohnt es sich, Vorschlägen zuzuhören, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und entschlossen zu handeln.

Abschließend möchte ich aus aktueller Gegebenheit noch etwas sagen, was mir persönlich sehr wichtig ist. Auch wenn sich hier in Deutschland gerade teilweise Freude, vor allem am rechten Rand, über das Ergebnis in den USA breitmacht,

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Respekt vor dem Wähler in den USA!)

und auch bei aller Freundschaft, die ich persönlich und die wir als Land mit den USA haben: Dieses Ergebnis ist besorgniserregend. Hier stehen demokratische Strukturen, Menschenrechte und auch Frauenleben auf dem Spiel.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Das ist doch lächerlich!)

Volle Solidarität mit allen Gruppen, die stigmatisiert werden und unter der zukünftigen Politik leiden werden!

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Peter Beyer [CDU/CSU]: Was ist das für eine arrogante Einstellung?)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Michael Kellner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617654
Wahlperiode 20
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Kurs der Bundesregierung in der Wirtschaftskrise
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