06.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 196 / Zusatzpunkt 2

Bengt BergtSPD - Ganzheitliche Klimapolitik

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Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn man verstehen will, wie wichtig der Union Klimaschutz ist, lohnt sich eine einfache Google-Recherche. Das können Sie mal ausprobieren, geben Sie „Klimaschutz“ plus „Merz“ ein. Dann findet man ein verräterisches Zitat, das lautet: Morgen geht ja die Welt nicht unter. – Lassen Sie sich den Satz mal auf der Zunge zergehen. Morgen geht die Welt nicht unter,

(Jörn König [AfD]: Da mache ich jede Wette mit Ihnen! Morgen geht die Welt nicht unter!)

ein Satz, der im April 2023 in einem Gespräch mit der „Zeit“ gefallen ist. Wenn man diesen Satz von Herrn Merz mal übersetzt, heißt das so viel wie: Lasst die Menschen mal in Ruhe mit diesem ganzen Klimaschutz-Gedöns,

(Jörn König [AfD]: Das ist jetzt eine Unterstellung!)

das ist alles anstrengend, und Geld kostet es auch noch.

Und jetzt schauen Sie sich bitte mal die aktuellen Bilder aus Spanien an. Wassermassen sind sintflutartig über Menschen und Häuser gerollt und haben Leid und Zerstörung gebracht. Über 200 Menschen sind bei den Unwettern gestorben, viele sind verletzt, viele werden vermisst, unzählige Menschen haben ihr Obdach verloren. Andere Regionen sind schon länger und noch stärker leidgeprüft:

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Das hat es früher nicht gegeben, ja?)

Unwetter und Hochwasser mit zahlreichen Toten in Myanmar, Taiwan, auf den Philippinen, in Pakistan, Afghanistan, Indonesien. Wohlgemerkt, alles nur in diesem Jahr. Morgen geht ja die Welt nicht unter, sagt Herr Merz lapidar zum Klimaschutz. Meine Damen und Herren, Merz und Klimaschutz, da wird mir angst und bange, da dreht sich mir der Magen um; das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Jung [CDU/CSU]: Zur Sache!)

Aber kommen wir mal zu Ihrem Antrag, den würde ich gerne neu überschreiben mit: „Too little too late“ – zu wenig, zu spät. Sie wollen die Harmonisierung des ETS-Handels auf europäischer Ebene – na ja, Binsenweisheit; dafür setzen wir auch uns ein, das ist ganz klar. Dann wollen Sie, dass die CO2-Bepreisung so gestaltet ist, dass sie Firmen zum klimafreundlichen Umbau anreizt. Das ist jetzt auch nichts Neues; das machen wir auch schon die ganze Zeit, und zwar seit drei Jahren. Sie wollen, dass die Betrugsfälle um sogenannte Upstream Emission Reduction aufgeklärt werden – das wollen wir auch, da sind wir dran, intensiv sogar. Sie wollen die CO2-Bepreisung an die Bürger zurückgeben – guck mal, das klingt irgendwie mächtig nach Klimageld; das ist eine Ampelerfindung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Gebhart [CDU/CSU]: Das ist doch keine Ampelerfindung!)

Das haben Sie toll abgeschrieben. Sehr schön gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Sie wollen, dass alle weiteren Erneuerbaren wie Geothermie oder Bioenergie ausgebaut werden. Da sind wir mittendrin. Diesen Montag gab es dazu die Anhörung. Sie wollen den Wasserstoffhochlauf beschleunigen; das ist ja mal ganz was Neues. Wir haben das Wasserstoffkernnetz auf den Weg gebracht,

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Ja! Super habt ihr das gemacht! Den Süden leider vergessen!)

das Beschleunigungsgesetz ist gerade in Arbeit,

(Dr. Thomas Gebhart [CDU/CSU]: Wann kommt denn das Klimageld?)

die Importstrategie ist schon ein Jahr alt. Das Wasserstoffkernnetz heißt Kernnetz,

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Sie haben den Süden vergessen! Ein Nordnetz ist das!)

weil es die Hauptgräte ist und nicht das Verteilnetz. Wir haben 800 Verteilnetze.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Also bitte, da muss man sich auch mal ein bisschen mit dem Thema beschäftigen. Tut mir leid, nur weil Konstanz nicht dabei ist – also wirklich, nichts für ungut.

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Da hängen Sie den Süden ab! Ein Trauerspiel!)

Schon wieder zu spät, nicht aufgepasst. Sie wollen Superabschreibungen für klimafreundliche Umbauten – im Wachstumschancengesetz steht das bereits drin. Schon wieder zu spät. Dann wollen Sie eine regionalisierte Kraftwerksstrategie mit einem Kapazitätsmarkt. Das haben wir schon mal gehört, komisch – das liegt daran, dass wir mitten in der Gestaltung sind.

Und dann kommt, was kommen musste: der ewige Ruf nach der Atomenergie. Sie wollen zwei neue Fusionsreaktoren bauen. Die Technologie gibt es noch gar nicht. Man könnte ja vielleicht einfach mal in die Forschung von Solarzellen investieren; die haben einen Wirkungsgrad von 42 Prozent. Das ist Weltrekord. Übrigens kommen sie aus Deutschland, vom Fraunhofer-Institut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Weiter geht es mit Ihren Forderungen nach den guten alten Zeiten. Achtung, konservativer Trigger, jetzt aufpassen: Sie wollen den klimafreundlichen Verbrennungsmotor. Den gibt es aber nur mit E-Fuels. Dafür brauchen wir unfassbar viel erneuerbare Energien. Der Faktor ist 1:6. Den Bürgern vorzugaukeln, dass sie ihr Auto mit E-Fuels weiterfahren könnten, ist schäbig. Das wird richtig teuer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das lohnt nur für Schwerlastanwendungen wie Schiffe und Flugzeuge – da ist es auch wichtig und richtig –, aber nicht für Verbrennungsmotoren im Individualverkehr.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Bürgerverarsche ist das!)

Übrigens gibt es für Flugbenzine zum Beispiel schon eine Quote, die haben Sie interessanterweise selber eingeführt; da haben Sie offensichtlich nicht in die Vergangenheit geguckt. CCS fordern Sie auch. Dazu hatten wir heute die Anhörung. Auch das ist in der Mache.

Wenn man sich die Anträge der Union zu Energie und Klimaschutz aus den vergangenen Jahren insgesamt anschaut, erkennt man, dass Sie laufend so tun, als müsse man jetzt endlich mal was machen, als müssten jetzt endlich die Konzepte kommen. Herr Gebhart, Sie sprachen von Ihrem Konzept. Ich habe mal durchgezählt: 19 von den 30 Punkten sind in Arbeit oder schon erledigt.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Drittel!)

Das ist gar nicht Ihr Konzept. Das ist im Grunde unseres und noch ein bisschen was dazu geschrieben. Der Rest ist gelebte Nostalgie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie rennen nur hinterher. Wir sind es, die beschleunigen. Wir sind es, die gestalten.

Und ja, das ruckelt, weil wir seit 2017 langsam in eine Krise gleiten. Wir haben die krassesten Krisen und sogar Kriege um uns herum. Uns wurde ein Rückgang der Wirtschaft von 5 bis 10 Prozent vorhergesagt. Doch dank uns sind es nur 0,1 Prozent. Das ist immer noch Mist; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber statt Nostalgie und einer Rolle rückwärts gibt es bei uns einen Schritt in die Zukunft.

In diesem Sinne ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Für Die Linke hat Ralph Lenkert das Wort.

(Beifall bei der Linken)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617691
Wahlperiode 20
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Ganzheitliche Klimapolitik
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