Dirk WieseSPD - Jüdisches Leben in Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Ehrengäste auf der Tribüne! „ Deutschland ist nur vollkommen bei sich“, wenn Menschen jüdischen Glaubens „sich hier vollkommen“ sicher und willkommen fühlen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das waren die Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2021 bei den Eröffnungsfeierlichkeiten zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
Ich will unterstreichen: Gerade in dieser Woche, im Vorfeld des Gedenkens an die Reichspogromnacht am Samstag, dem 9. November, wo bei uns im ganzen Land, in vielen Orten, Städten, Gemeinden, Gedenkveranstaltungen, Erinnerungsveranstaltungen stattfinden, ist es wichtig und richtig, dass wir heute Morgen als demokratische Fraktionen hier im Deutschen Bundestag, ja, in nicht einfachen, herausfordernden Zeiten, in denen wir uns tatsächlich aktuell befinden – das wissen wir –, dieses Zeichen gemeinsam setzen und dass es bei allen Meinungsverschiedenheiten Themen gibt, über die wir nicht streiten, sondern bei denen wir parteiübergreifend und zusammen handeln. Und dafür bin ich allen hier im Haus sehr dankbar.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ja, es ist richtig, dass wir diese Debatte hier heute führen, dass wir diesen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beraten. Ja, das hat lange gedauert. Und ja – das will ich unterstreichen –, ich hätte auch nicht gedacht, dass es tatsächlich so lange dauert. Aber es war richtig, dass wir drangeblieben sind, dass wir gemeinsam parteiübergreifend gesagt haben, wir wollen dieses gemeinsame Signal setzen: „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“.
Darum will ich meinen Dank an die Vorsitzenden der Fraktionen ausdrücken, dass man gemeinsam verabredet hat, sich dieses gemeinsame Ziel zu setzen. Ich will auch den Berichterstatterinnen und Berichterstattern Dank sagen, dass sie drangeblieben sind, dass sie, ja, manchmal auch um die eine oder andere Formulierung gerungen haben. Das ist so, wenn die Parteien übergreifend versuchen, zu einem Antrag zu kommen. Aber dass dies dann am Ende gelungen ist, das ist, glaube ich, heute das entscheidende Signal, gerade im Hinblick auf das Gedenken an die Reichspogromnacht am kommenden Samstag.
Darum lassen Sie mich heute Morgen einmal einen Dank an die Kolleginnen und Kollegen sagen, die bis zum Schluss mitverhandelt haben: an Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen, an Konstantin Kuhle von der FDP, aber auch an Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke Ihnen, Danke euch, dass ihr das möglich gemacht habt und dass wir dieses wichtige Signal gegen Antisemitismus heute Morgen hier gemeinsam setzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Schauspielerin Susan Sideropoulos hat einmal gesagt – ich zitiere –:
„Seit meiner Kindheit habe ich nie ein anderes Bild gesehen als eine Synagoge mit Polizei, die davorsteht – für meine Kinder genau das Gleiche. Ich glaube, meine Kinder wussten bis vor kurzem nicht, dass nicht alle Schulen von der Polizei bewacht werden.“
Und sind wir ehrlich: Was wir in den vergangenen Wochen und Monaten gesehen haben, das muss uns ernsthafte Sorgen bereiten. Dass Menschen jüdischen Glaubens, die uns eine Chance gegeben haben, nach dem fürchterlichen Verbrechen der Shoah wieder eine Heimat für sich in diesem Land zu finden, überlegen, dieses Land wieder zu verlassen, dass sie sich mehr und mehr Angriffen ausgesetzt sehen, dass sie sich wegen des Antisemitismus, den wir in all seinen Formen erleben – Antisemitismus, der neu zu uns gekommen ist, Antisemitismus, der schon lange hier ist, der leider immer noch tief verankert ist in der Gesellschaft –, Sorgen machen, muss uns betrüben.
Darum ist es richtig, alles dafür zu tun, dass Menschen jüdischen Glaubens hier in der Bundesrepublik Deutschland eine Heimat haben, ein Zuhause haben, dass sie Teil davon sind. Sie gehören in unsere Mitte. Sie sind Teil der Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und weil dieser Antrag sehr viele Diskussionen außerhalb dieses Hauses hervorgerufen hat und uns dazu viele Zuschriften in den letzten Wochen und Monaten erreicht haben, will ich deutlich machen: Dieser Antrag kann nicht alle Diskussionen abräumen. Dieser Antrag kann nicht alle Probleme auf der Welt lösen. Das wäre auch vermessen. Das war auch nie der Anspruch dieses Antrags. Dieser Antrag soll ein Zeichen setzen für die Menschen jüdischen Glaubens, die sich bei uns im Land sicher fühlen wollen, die hier ein Zuhause haben wollen, die zu uns gehören wollen.
Darum will ich mit einem Satz schließen, den ein junger Schüler – er heißt Jonah – bei der Eröffnungsveranstaltung zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gesagt hat – ich zitiere –:
„Ich wünsche mir eigentlich nur Frieden und keinen Antisemitismus mehr.“
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617717 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Jüdisches Leben in Deutschland |