07.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 197 / Tagesordnungspunkt 6

Michael BreilmannCDU/CSU - Jüdisches Leben in Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Ehrengäste! Der 7. Oktober 2023 ist eine Zäsur. Seit dem schrecklichen Massaker der Hamas sind die jüdischen Gemeinden in unserem Land personell, emotional und organisatorisch am Limit. Das Leben für Jüdinnen und Juden in Deutschland hat sich stark verändert. Jüdisches Leben ist leider weniger sichtbar geworden. Und im Jahr 2024 war fast die Hälfte aller jüdischen Gemeinden von antisemitischen Vorfällen betroffen. Ich möchte betonen: Dieser Zustand darf in unserem Land keine Normalität werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Jeder antisemitische Angriff ist ein Angriff auf uns alle; denn beim Kampf gegen Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens geht es konkret auch um die Stärkung unseres Rechtsstaates und unserer freiheitlich-demokratischen Werte.

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Deutsche Bundestag es immer geschafft und war immer bereit, über die Grenzen von Opposition und Regierung hinweg gemeinsame Lösungen und Antworten gegen Extremismus und gegen Antisemitismus zu finden. Und diese Resolution heute ist ein weiterer wichtiger Beweis dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bei der Erarbeitung haben uns drei grundlegende Punkte geleitet: erstens der Schutz von Jüdinnen und Juden, zweitens die Förderung des vielfältigen und vor allen Dingen auch so bereichernden jüdischen Lebens in Deutschland und natürlich drittens das Existenzrecht Israels mit unserem unverrückbaren Schutzversprechen.

Wenn wir alle gemeinsam Antisemitismus bekämpfen wollen – das ist vorhin schon mal deutlich geworden –, dann müssen wir ihn auch klar benennen können. Für uns als Union war von Beginn der Gespräche an immer klar, dass nur die IHRA-Antisemitismusdefinition und keine andere maßgeblich sein kann; denn die IHRA-Definition basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und adressiert vor allem genau den israelbezogenen Antisemitismus, der als die häufigste Form bei uns in Deutschland derzeit in Erscheinung tritt. Ich bin dankbar, dass wir die IHRA-Definition in diese Resolution aufgenommen haben und dass sie die maßgebliche ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich halte den Kritikern entgegen: Diese Definition besagt ausdrücklich, dass Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet wird. Deswegen entgegne ich denjenigen, die etwas anderes behaupten: Sie sagen die Unwahrheit.

Und es ist wichtig, in der Debatte zu betonen, dass die Arbeit durch diese Resolution jetzt erst richtig losgeht. Wir müssen diese Resolution mit Leben füllen, wir müssen sie konkretisieren, und das gilt insbesondere bei unserer nun gemeinsamen Position, dass antisemitische Straftaten stärker als bisher Konsequenzen auch beim Aufenthalts-, Asyl-, Straf- und Staatsangehörigkeitsrecht haben müssen. Die Vorschläge der Union dazu liegen in einem Entschließungsantrag aus dem letzten Jahr auf dem Tisch. Es ist deshalb gut, dass gleich zu Beginn dieses Resolutionstextes ausdrücklich auf diesen Antrag verwiesen wird, er als wichtig bezeichnet wird und Grundlage für weitere Initiativen in Bund und Ländern sein kann.

Wir senden heute aber auch die klare Botschaft, dass eine staatliche Förderung von Antisemitismus ausgeschlossen sein muss. Länder, Bund und Kommunen sollen – soweit noch nicht erfolgt – rechtssichere haushalterische Regelungen finden, damit Projekte und Vorhaben mit antisemitischen Zielen nicht gefördert werden.

Ich möchte auch betonen: Grundrechte wie die Meinungs- und Kunstfreiheit werden durch unsere Resolution gerade nicht gefährdet; denn Kunst- und auch Meinungsfreiheit erlauben keinen Antisemitismus. Strafrechtlich relevante Äußerungen werden gar nicht vom Schutzbereich der Grundrechte erfasst. Die Grundrechte gelten auch nicht schrankenlos. Wir stellen mit diesem Antrag vielmehr klar, dass wir verhindern werden, dass unter dem Deckmantel der Grundrechte Antisemitismus verbreitet wird. Wir stellen mit diesem Antrag klar, dass es auch in den Reihen von Kunst, Kultur und Medien keinen Raum für Antisemitismus gibt. Und wir stellen mit diesem Antrag klar, dass alle Ursachen und Hintergründe der letzten großen Antisemitismusskandale – insbesondere auf der documenta fifteen, und der Berlinale im Februar 2024 – umfassend aufgearbeitet und daraus Konsequenzen gezogen werden. Dieses Versprechen geben wir mit dieser Resolution heute ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich kann nur sagen: Gehen wir diese Herausforderungen mit Ernsthaftigkeit und Engagement, aber auch mit Optimismus und Zuversicht an! Es ist wichtig, dass wir heute zu diesem Zeitpunkt ein klares Zeichen setzen.

Ich durfte in meinem Wahlkreis in den letzten Tagen persönlich erleben, wie vielfältig und engagiert gerade junge Menschen der Reichspogromnacht und der Vertreibung und Ermordung von Jüdinnen und Juden gedenken. Ich finde, das gibt Hoffnung, dass junge Menschen in unserer Gesellschaft – aber auch die Gesellschaft insgesamt – bereit sind, dem Antisemitismus klar entgegenzutreten. Ich bin mir sicher: Viele Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete können von ähnlichem Engagement in ihren Wahlkreisen berichten. Das gibt uns Hoffnung; das führt uns aber auch immer klar vor Augen: Erinnern heißt handeln.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat das Wort für die SPD-Fraktion Simona Koß.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617723
Wahlperiode 20
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Jüdisches Leben in Deutschland
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