08.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 198 / Tagesordnungspunkt 23

Christiane SchenderleinCDU/CSU - 35 Jahre Mauerfall

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Politik ist ein schnelllebiges Geschäft; das konnten wir alle vor zwei Tagen hautnah erleben. Doch während vorgestern nur eine zerrüttete Regierung ihr Ende bekannt gegeben hat, hat Günter Schabowski mit seiner Pressekonferenz ein ganzes politisches System zum Einsturz gebracht.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aus Versehen!)

Sein gemurmeltes „Das tritt nach meiner Kenntnis – – ist das sofort, unverzüglich“ brachte die Berliner Mauer zum Einsturz und startete damit den Prozess, der nach nicht einmal einem Jahr in die deutsche Wiedervereinigung mündete. An diesem Datum, dem 9. November 1989, zeigte sich, dass Mut, bürgerschaftliches Engagement und das Streben nach Demokratie und Freiheit sinnbildlich Mauern einreißen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Linda Teuteberg [FDP])

Den ostdeutschen Bürgerinnen und Bürgern, die im Herbst 1989 demonstrieren gegangen sind, gilt unser ewiger Dank. Es war mehr als riskant, auf die Straßen zu gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und auch wenn sich das nationale Gedenken nicht auf Jahrestage beschränken darf, ist es wichtig, diese doch immer wieder zum Anlass für öffentliche Debatten zu nehmen. Mit unserem Antrag haben wir als Union die Initiative ergriffen, hier im Deutschen Bundestag an die Friedliche Revolution in der DDR und den Mauerfall vor 35 Jahren zu erinnern.

Die DDR war ein Unrechtsstaat; das müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Konsequenzen aus 40 Jahren sozialistischer Diktatur können wir auch heute noch vielerorts in Ostdeutschland spüren. Trotzdem verschließen Linke und BSW vor dieser Realität die Augen.

(Zuruf der Abg. Amira Mohamed Ali [BSW])

Ich durfte in den vergangenen Tagen beobachten, welches DDR-Bild das BSW in den sächsischen Sondierungsverhandlungen zeichnen wollte. Von einer differenzierten Betrachtungsweise war da die Rede, weg von der aus dessen Sicht einseitigen Darstellung als sozialistische Diktatur. Sie verkennen, welches staatlich gelenkte Unrecht Tausenden DDR-Bürgern widerfahren ist.

Unrecht verjährt nicht. Erst vor einem Monat ist ein ehemaliger Stasioffizier wegen heimtückischen Mordes an der DDR-Grenze zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Weniger als einen Kilometer von diesem Rednerpult entfernt erschoss er einen polnischen Staatsbürger bei einer fingierten Ausreise. Das ist das Erbe der DDR.

Aber wir kommen in der Aufarbeitung auch voran. Ikea hat sich in den vergangenen Wochen als erstes Unternehmen, das von DDR-Zwangsarbeitern profitiert hat, bereit erklärt, 6 Millionen Euro in den Härtefallfonds für SED-Opfer einzuzahlen. Das ist beispiellos und hat hoffentlich Vorbildwirkung.

Wir würdigen mit unserem Antrag die Menschen, die in 40 Jahren DDR-Diktatur Widerstand geleistet haben und Opfer staatlicher Willkür wurden; denn noch heute leiden viele unter den Folgen von Zersetzung, Verfolgung und Repression.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und noch heute gibt es politischen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf; denn die ehemalige Ampelregierung hat dieses Thema zwar im Koalitionsvertrag verankert, aber nach drei Jahren Regierungszeit nicht realisiert. Darunter fallen die erleichterte Beratung für Opfer bei gesundheitlichen Folgeschäden, die Dynamisierung der SED-Opferrenten, der bundesweite Härtefallfonds, die Weiterentwicklung der Außenstellen des Stasi-Unterlagen-Archivs und der ehemaligen Stasizentrale zum Campus für Demokratie. Bei all diesen Punkten hätten Sie uns als Union an Ihrer Seite gehabt. Ich finde es betrüblich, dass diese Aufgaben immer noch offen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja!)

Die geplante Novellierung des SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes hat zwar das Parlament erreicht; aber sie hat grobe Lücken, sodass auch hier ein Beschluss noch nicht absehbar ist.

Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus enorm wichtig.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wann kommt das denn?)

Zwar hat hier die Ampel bereits den Standort geklärt, jedoch nicht die Finanzierung, und ähnlich verhält es sich beim Freiheits- und Einheitsdenkmal; auch hier klafft eine Finanzierungslücke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Bezeichnend!)

Dabei wäre vor allem dieses Denkmal ein so wichtiger Beitrag, um einen positiven Erinnerungsort zu schaffen.

Die Friedliche Revolution 1989 ist ein Teil der europäischen Freiheits- und Demokratiegeschichte. Dazu gehören auch die Solidarność-Bewegung in Polen, die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei und auch der Baltische Weg.

Die Vermittlung der Folgen von Unfreiheit und Diktatur, insbesondere an die Nichterlebensgenerationen, wird mit wachsendem zeitlichem Abstand immer wichtiger, und dabei gilt es zu betonen: Vergleiche zwischen der europäischen Freiheitsbewegung 1989/90 und den heutigen Protestbewegungen in unserem Land schließen sich aus.

(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist es!)

Es ist das hohe Gut der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, dass jedermann auf die Straße gehen kann, egal ob es aus unserer Sicht legitim ist oder ob es die größten Demagogen sind. Fakt ist, sie brauchen nicht um Leib und Leben fürchten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht umsonst wehren sich DDR-Bürgerrechtler und Ostdeutsche gegen eine Gleichsetzung der Demonstrationen von damals, der Friedlichen Revolution, mit der rechten Protestbewegung. Hunderte haben das Manifest „Nicht mit uns“ unterzeichnet und werfen rechtsextremen Kräften Geschichtslügen und den Missbrauch der Friedlichen Revolution für Wahlkampfzwecke vor.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Umso perfider ist es, dass unter den rechten Schwurblern und den Menschen am rechten Rand auch ehemalige SED-Mitglieder, Grenzsoldaten und DKP-Funktionäre sind.

(Maja Wallstein [SPD]: Hört! Hört! – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist es!)

Jeder Verharmlosung und jedem Versuch einer Ideologisierung stellen wir uns entgegen. Der Fall der Berliner Mauer ist ein Symbol der Freiheitsgeschichte. Es sendet auch aktuell Hoffnung in all jene Regionen, die für Freiheit und Demokratie kämpfen. Wir sind uns bewusst: Diese Errungenschaften von 1989 sind keinesfalls selbstverständlich, und wir müssen alles dafür tun, um sie zu verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächste hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckardt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7617818
Wahlperiode 20
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt 35 Jahre Mauerfall
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