Michael FrieserCDU/CSU - 35 Jahre Mauerfall
Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ja, dieser 9. November hat schon etwas Besonderes. Den Anfang machte der Vormärz 1848 mit der Ausrufung der Republik, die danach – wir wollen den Hitler-Ludendorff-Putsch nicht vergessen – in ihr dunkelstes Kapitel eintrat, und sofort mit der Reichspogromnacht wurde das Datum zu einem Tiefpunkt der Menschenverachtung.
Wir haben die Hoffnung bei diesem 9. November schon verloren. Dann tut sich ein Spalt auf, nämlich in einer Mauer, ein Lichtblick. Liebe Christiane Schenderlein, ich will das wahrlich nicht relativieren, aber auch im Umfeld dieses 9. Novembers 2024 passieren doch einige erschreckende Dinge, die uns vor neue Herausforderungen stellen. Da drängt sich doch die Erinnerung an Günter Schabowski mit seinem Zitat auf: „... nach meiner Kenntnis … sofort – unverzüglich.“ Das könnte auch heute ein gutes Motto für die Zukunftsgestaltung dieses Landes sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Wer heute an der Installation an der Spree entlangläuft, wird ein Schild finden, auf dem es heißt: Die Freiheit hat immer recht. – Nach 41 Jahren Unfreiheit in schwieriger Situation kam mit Kampf, mit Mut, mit Einsatz das Ende der DDR. Trotzdem ist nicht alles so gut, wie es scheint. Das sehen wir gerade auch an den durchaus verunsichernden Ergebnissen der Wahlen in den östlichen Bundesländern.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Aha! Interessant!)
Es ist beileibe nicht alles in Ordnung.
Was ist so schwer daran, sich gegenseitig als Geschenk zu begreifen und anzunehmen, in einer solchen Situation gleichzeitig Geschenk und Beschenkter zu sein? Kollegin Piechotta, das nennt man „ontologische Paradoxie“. In der Lage zu sein, es im selben Atemzug anzunehmen, zu akzeptieren, das ist die Kunst der Stunde.
Hätte, müsste, sollte: Der Mensch neigt nun einmal dazu, auf seinen Istzustand immer gerne noch einen Sollzustand zu schrauben und nie damit zufrieden zu sein, was er eigentlich erreicht hat. Das führt auch zu einem defizitären Lebensgefühl. Das führt auch dazu, dass man mit einer permanenten Unzufriedenheit an die Dinge herangeht.
Gerade der Zukunftsmut in einer Friedlichen Revolution und der Wagemut, sich zu befreien, das ist als Geschenk anzunehmen. Sind wir mal ehrlich: Deutschland ist beschenkt und Beschenkter zugleich. Die volle Souveränität dieses Landes, in dessen Nichtsouveränität wir uns bis zur deutschen Einheit eigentlich sehr praktisch und komfortabel eingerichtet hatten, ist ein Geschenk.
Geschenke bedeuten manchmal neue Verantwortung, bedeuten manchmal Herausforderungen, die man nicht automatisch überschauen kann. So wird es nicht reichen, den Menschen immer zu sagen: Na ja, man hat es irgendwie noch nicht so ganz verstanden, und man muss eben Politik einfach ein bisschen besser erklären. – Das ist der erhobene Zeigefinger der Anpassungspädagogik. Diese wird an dieser Stelle nicht helfen.
Wir haben uns in dieser Woche im Kultur- und Medienausschuss – Frau Zupke, schön, dass Sie da sind – mit den Fragen beschäftigt, deren Antworten alle noch auf sich warten lassen. Frau Kollegin Budde, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Ihr Antrag – er wurde von den Grünen mitformuliert – ist sehr schön formuliert,
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
acht Seiten historische Prosa, und am Ende mündet das Ganze in eine Würdigungsapotheose. Würdigung ist wichtig, Bewusstmachung ist wichtig. Aber worauf das hinauslaufen soll, wäre schon auch wichtig.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht doch da drin!)
Wir haben uns deshalb erlaubt, in dem Antrag, den die Union gestellt hat, den Koalitionsvertrag zu zitieren und hineinzuschreiben, um was es in der Frage wirklich geht.
(Zuruf des Abg. Hannes Walter [SPD])
Wir haben es in dieser Woche wieder gehört, dass es um die Frage des Härtefallfonds, um die Frage der Opferrente, um die Frage der Antrags- und Hilfeleistungen geht.
(Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ja, das sind die Dinge, um die es geht. Man hätte schon Zeit gehabt, das auf den Weg zu bringen
(Katrin Budde [SPD]: Das hätte man in der letzten Legislatur machen können, Herr Friese! – Weitere Zurufe von der SPD)
und diese Vorhaben im Koalitionsvertrag tatsächlich zu einem Ende zu führen.
(Katrin Budde [SPD]: Das schleppen wir von der letzten Legislatur noch mit! Das hätten wir letzte Legislatur schon machen können! Dann wäre das erledigt gewesen!)
Deshalb bleibt die Aufgabe, die man als Geschenk begreifen muss: Wenn man Beschenkter und Geschenk zugleich ist, dann bedeutet das auch Verantwortung für die Zukunft in Freiheit. Mehr dieses Wagemutes, mehr dieser Risikobereitschaft wäre manchmal etwas, was uns guttäte; denn die Freiheit hat immer recht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der nächste Redner ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Michael Kellner.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617823 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | 35 Jahre Mauerfall |