Johannes FechnerSPD - Aktuelle Stunde: Weg für Neuwahlen freimachen, Vertrauensfrage umgehend stellen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir sind weit entfernt von Chaos oder von einer Staatskrise, wie es von der Union hier geradezu herbeigeredet wird.
(Beifall der Abg. Dr. Wiebke Esdar [SPD] – Zuruf von der CDU/CSU: Die Bevölkerung meint das! – Zurufe von der AfD)
Nein, wir haben klare Regeln im Grundgesetz, wie wir mit einer solchen Situation umgehen.
(Zuruf von der AfD: Die hat Robert Farle gerade vorgelesen!)
Und es ist gut, dass der Bundeskanzler Führungsstärke gezeigt hat
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Führungsstärke? Eijeijei! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)
und festgestellt hat, dass es keine Gemeinsamkeiten mehr gibt, und die Ampel beerdigt hat.
(Beifall bei der SPD)
Diese Regelung im Grundgesetz, die der Vorredner etwas flapsig dargestellt hat, hat sich bewährt. Es ist gut, dass es nur im absoluten Ausnahmefall Neuwahlen gibt, weil wir eben nicht, wie es in Italien über Jahrzehnte der Fall war, gefühlt jedes Jahr neu wählen müssen. Das bringt Stabilität in unser Land. Deswegen haben wir klare Regeln in unserem Grundgesetz – darauf kann man auch mal stolz sein –, und die werden wir jetzt so anwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Bundeskanzler hat den Weg zu Neuwahlen klar skizziert. Es stellt sich also einem Bürgervotum. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass er an seinem Stuhl klebt. Auch wir in der SPD unterstützen das. Und wir freuen uns auf den Wahlkampf.
(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Richtig! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht! Meine Güte – Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Wir freuen uns auch auf den Wahlkampf!)
Der Bundespräsident hat auch schon mitgeteilt, dass er den Weg für Neuwahlen entsprechend freimachen wird.
Aber was jetzt vorgeschlagen wird, dass der Bundeskanzler sofort die Vertrauensfrage stellen sollte,
(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Ja! Bitte!)
das geht praktisch nicht,
(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Klar geht das!)
weil die Wahl bis dahin nicht zu organisieren ist.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Warum gibt es denn dann Fristen?)
Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Warum gibt es denn dann Fristen?)
Es ist ganz einfach so, dass wir die Fristen im Grundgesetz haben. Der Bundespräsident hat drei Wochen Zeit, zu entscheiden.
(Luiza Licina-Bode [SPD]: Richtig!)
Die Zeit wird er nicht brauchen; er wird es früher entscheiden. Und dann muss innerhalb von 60 Tagen die Wahl stattfinden.
Spielen wir es doch einfach einmal durch: Was wäre, wenn der Wahltermin, wie Sie es fordern, Mitte Januar stattfinden würde? Der Bundeskanzler müsste dann in dieser Woche oder in der nächsten Woche die Vertrauensfrage stellen.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Dann rechnen Sie mal mit: Es dauert erfahrungsgemäß etwa zwei Wochen, um die Stimmzettel zu drucken und sie an alle Wahllokale auszuliefern.
(Zuruf des Abg. Johannes Vogel [FDP])
So. Etwa am 4. Januar müssten also die Stimmzettel als Druckvorlage vorliegen.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ist Ihnen das nicht peinlich? – Zurufe von der CDU/CSU – Weitere Zurufe von der FDP)
Dann müssen Sie noch einmal zwei Wochen abziehen, weil es Weihnachtsferien sind. Die Leute sind nicht in den Ämtern und können die Stimmzettel nicht überprüfen und auch nicht die Listen, die einzureichen sind.
(Johannes Vogel [FDP]: Stimmzettel drucken ist ganz schwierig!)
Also müssten die Listen vor Weihnachten aufgestellt sein.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Machen! Einfach machen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So ein Unsinn!)
Für die Listenparteitage sind Fristen einzuhalten.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Einfach mal machen!)
Da müssen Delegierte gewählt werden.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
– Also bei uns ist es so, Herr Frei. Wir halten uns an Recht und Gesetz.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Blödsinn!)
– Herr Frei sagt, das wäre Blödsinn – Um zu überprüfen, ob das alles eingehalten worden ist,
(Zuruf von der CDU/CSU: Also, wir kriegen das hin!)
dauert es erfahrungsgemäß auch zwei bis drei Wochen, also bis die Wahlbehörden die eingereichten Listen überprüft haben. Da muss doch geschaut werden: Kann die Person, die auf der Liste steht, überhaupt kandidieren?
(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Lächerlich!)
Wenn wir uns dann auch noch vor Augen führen, dass viele Wahlkreise – auch bei der CDU – noch gar keinen Kandidaten vor Ort gefunden haben, wird klar:
(Zuruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP])
Der muss nominiert werden. Für diese Nominierungsveranstaltung müssen Delegierte in vielen Fällen gewählt werden.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Warum gibt es denn die Fristen? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Es ist also faktisch nicht möglich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Sie müssen dann auch mal zur Kenntnis nehmen: Was sagen denn die Praktiker? Und die Bundeswahlleiterin hat gestern ausdrücklich gesagt, sie möchte keinen schnellen Wahltermin,
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wie hat es denn früher funktioniert?)
weil so eine Wahl gut vorbereitet sein muss.
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
Ich erinnere daran, dass vor dem Verfahren gegen die Berlinwahl, bei der sich die Ampel mit ihrer Position durchgesetzt hat, der Landeswahlleiter in Berlin das Bundesverfassungsgericht inständig darum gebeten hat, eine Entscheidung so zu treffen, dass nicht im Dezember und auch nicht im Januar gewählt werden muss,
(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: Ach Quatsch!)
weil da die Schulen geschlossen sind und man nicht die Räumlichkeiten nutzen kann. Die Wahlhelfer sind im Urlaub.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke] – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: „Da haben die Schulen nicht geöffnet“! Peinlich! Peinlich!)
Es gibt so viele formale Gründe, warum wir die Bundestagswahl so stattfinden lassen sollten, wie es der Bundeskanzler vorgeschlagen hat. Das war der formale Teil.
(Beifall bei der SPD)
Es geht uns aber – und das ist für uns das Allerwichtigste – neben diesen Formalien,
(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Das Einzige, was die SPD kann!)
die uns von den Wahlrechtsexperten genannt wurden, auch um die Inhalte; diese sind uns wichtig. Wir wollen – und dazu haben Sie jetzt die Chance – noch in diesem Jahr das Kindergeld erhöhen. Wir reden nicht nur in Sonntagsreden davon, die Familien zu unterstützen,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
sondern jetzt haben wir ein ausgehandeltes Paket. Wir wollen jetzt die Unternehmen entlasten. Wir wollen jetzt eine solide Krankenhausfinanzierung auf die Beine stellen;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das haben Sie drei Jahre nicht geschafft!)
und da muss der Bund handlungsfähig sein jetzt in den Gesprächen mit den Ländern. Und wir wollen unsere Demokratie jetzt besser gegen Verfassungsfeinde absichern,
(Beifall bei der SPD)
deshalb jetzt für den Bundestag eine neue Geschäftsordnung beschließen und jetzt noch stärkere Regelungen für das Bundesverfassungsgericht einführen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dazu haben Sie die Chance. Machen Sie jetzt mit! Es geht jetzt um unser Land, es geht nicht um Parteipolitik.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich würde mich schämen! – Zuruf von der AfD: Nein! Nie!)
Wissen Sie, uns in der SPD ist es egal, ob wir im Januar, im Februar oder im März die nächste Bundestagswahl gewinnen.
(Lachen bei der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD: Helau!)
Uns geht es jetzt ums Land.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen noch in dieser Wahlperiode die Verbesserungen umsetzen, die wir für die Familien, für die Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land brauchen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7617858 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Weg für Neuwahlen freimachen, Vertrauensfrage umgehend stellen |