Torsten HerbstFDP - Aktuelle Stunde: Kein Stillstand im Parlament - Sachbezogene Mehrheiten nutzen
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD will also der Gralshüter der parlamentarischen Demokratie sein, und sie sorgt sich um die Arbeitsfähigkeit des Bundestages. Das kommt mir reichlich seltsam vor. Das erinnert mich eher an einen Wolf, der in den Schafstall geht und den Lämmern erklärt, dass er ihr neuer Beschützer ist. Das ist wenig glaubwürdig.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Lutze [SPD])
Ausgerechnet die AfD! Die gleiche AfD, die die Nazizeit als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnet,
(Zurufe von der AfD)
die gleiche AfD, die das Holocaustmahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, die gleiche AfD, die den Herrscher im Kreml anhimmelt. Meine Damen und Herren, Sie sind keine Gralshüter der Demokratie. Ihre Vorbilder sitzen in Moskau und Peking. Sie sind nicht die Alternative für Deutschland; Sie sind die Alternative für Autokraten.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Janich [AfD]: Ist das Ihre letzte Rede? – Dr. Harald Weyel [AfD]: Was für eine Verschwörungstheorie! – Weitere Zurufe von der AfD)
Sie erklären hier öffentlich, Sie sorgten sich um unser Land.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manche fragen, welches Land Sie meinen!)
Sie erinnern sich vielleicht, dass Sie mal einen Fraktionssprecher namens Christian Lüth hatten.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: O Gott!)
Er sagte – ich zitiere ihn –: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ganz genau! – Steffen Janich [AfD]: Ihr habt das Land doch in diesen Zustand gebracht! Ihr seid doch diejenigen! Ihr seid verantwortlich!)
Meine Damen und Herren, wie moralisch verkommen, wie unpatriotisch sind diese Aussagen?
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das zeigt: Keiner schaut verächtlicher auf dieses Land als Sie auf unser Parlament.
Und Sie irren komplett: Dieses Parlament ist arbeitsfähig, und es ist beschlussfähig.
(Steffen Janich [AfD]: Dann macht doch endlich mal was! Arbeitet doch! – Weitere Zurufe von der AfD)
Wir haben in den letzten Stunden – viele von Ihnen waren dann nicht da – Beschlüsse hier im Parlament getroffen, im Haushaltsausschuss wurden heute ebenfalls Beschlüsse getroffen, und das passiert auch in Zukunft.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nur ausgewählte!)
Dieses Parlament ist in der Lage, Beschlüsse zu treffen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie drücken sich doch vor den Debatten!)
Was Ihnen nicht gefällt, ist, dass Ihre Meinung sich nicht durchsetzt.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das sind wir ja gewohnt!)
Deshalb sind Sie verbittert; denn Entscheidungen werden im Parlament mit Mehrheit gefällt.
(Steffen Janich [AfD]: Bei 1 Prozent in Sachsen! – Jürgen Braun [AfD]: Das muss gerade die FDP sagen, ja?)
Das gefällt mir nicht immer zwingend; das gefällt auch meiner Fraktion nicht. Aber ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Entscheidungen mit Mehrheit sind das Wesensmerkmal der Demokratie, von der Sie wenig verstehen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dorothee Martin [SPD] – Jürgen Braun [AfD]: Sagt die 3-Prozent-FDP! Die FDP redet von Mehrheit bei 3 Prozent! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wir dürfen unsere Vorschläge nicht mal vorbringen!)
Im Übrigen sind Ihre Pöbeleien, die permanent stattfinden –
(Enrico Komning [AfD]: Das sind Zwischenrufe!)
auch in der großen Debatte heute Mittag –, kein Gewinn für die politische Kultur in diesem Land und kein Gewinn für die Demokratie.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Zwischenrufe sind Plan des Parlamentarismus! Immer schon! Sie haben wohl von Demokratie gar nix mitbekommen! – Steffen Janich [AfD]: Keiner wählt Sie!)
Natürlich haben wir eine neue Situation, weil es nicht mehr die klare Koalitionsmehrheit gibt, die es noch vor zwei Wochen gab. Aber, meine Damen und Herren, wir ringen hier trotzdem um die beste Lösung für unser Land. Wir haben den Wettbewerb der Ideen, und der Bundestag ist und bleibt die Herzkammer der Demokratie in unserem Land.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Außer am Freitag! – Weiterer Zuruf von der AfD: So, so!)
Ich sage Ihnen ganz klar: Sie und manch andere werfen uns ja immer vor,
(Jürgen Braun [AfD]: Sie können ja auch nichts entgegnen! – Zuruf von der AfD: Ja! Zu Recht!)
dass wir das Fähnlein in den Wind hängen und an Posten bzw. Regierungsämtern hängen. Spätestens seit der letzten Woche laufen Ihre Vorwürfe ins Leere. Wir stehen zu unseren Überzeugungen.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Wir stehen in Treue zur Verfassung. Meine Damen und Herren, die Verfassungstreue ist uns wichtiger als das Regierungsamt; das haben wir bewiesen. Sie haben das noch nie bewiesen.
(Beifall bei der FDP – Steffen Janich [AfD]: Wer hat denn drei Jahre lang nichts gemacht?)
Unser Land – und das ist aus unserer Sicht unbestritten – braucht einen Neuanfang.
(Jürgen Braun [AfD]: Nachdem Sie drei Jahre regiert haben! Wir brauchen einen Neuanfang, genau! Weil die FDP alles vergeigt hat!)
Wir brauchen Anreize für die Fleißigen in Deutschland. Wir brauchen einen Staat, der wieder Dinge ermöglicht, aber nicht weiter gängelt und bevormundet. Und wir brauchen eine Anerkennungskultur für die Tüchtigen statt Sozialneid. Darum werden wir kämpfen, weil wir wissen: Nicht derjenige ist am sozialsten, der den Menschen das meiste wegnehmen und umverteilen will, sondern derjenige, der dafür sorgt, dass überhaupt etwas umverteilt werden kann. Deshalb kommt Erwirtschaften vor Verteilen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU] – Jürgen Braun [AfD]: Wer war denn in der Regierung: Sie oder wir?)
Unser Land braucht einen neuen Aufbruch, aus unserer Sicht mit mehr Mut zur Freiheit, mit der Stärkung von Marktwirtschaft und mit mehr Leistungsgerechtigkeit. Mit dieser Position stellen wir uns selbstbewusst dem Votum der Wählerinnen und Wähler.
(Ulrike Schielke-Ziesing [AfD]: Viel Spaß!)
Am 23. Februar des kommenden Jahres wird entschieden. Und auch das gehört zur Demokratie, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP – Stefan Keuter [AfD]: War das der letzte Auftritt im Bundestag? – Weiterer Zuruf von der AfD: Bye, bye!)
Nächster Redner ist Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD sowie der Abg. Robert Farle [fraktionslos] und Thomas Seitz [fraktionslos])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618149 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Kein Stillstand im Parlament - Sachbezogene Mehrheiten nutzen |