Manuel HöferlinFDP - Aktuelle Stunde: Kein Stillstand im Parlament - Sachbezogene Mehrheiten nutzen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Deutschland steht an einer Weggabelung. Diese Richtungsentscheidung ist grundsätzlich. Die einen wollen Probleme mit mehr Geld aus Schulden und Steuererhöhungen lösen, die anderen strukturelle Probleme mit Veränderungen, Innovationen, Wachstum und Wohlstand.
Diese Richtungsentscheidung ist notwendig; denn unser Land braucht Veränderungen, und zwar tiefgreifende.
Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, lassen sich nicht durch das Drehen an kleinen Rädchen oder durch technokratische Maßnahmen lösen. Wir brauchen eine echte Wirtschaftswende, eine, die den Menschen wieder Vertrauen und Zuversicht gibt – Vertrauen, dass sie auch morgen noch ihren Job haben werden, die Zuversicht, dass sie auch morgen noch ihre Familien versorgen können, dass die Zukunft Ihrer Kinder gesichert ist.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Ja, bei allen Menschen! Nicht nur die Reichen!)
Und für die Kinder und die Kindeskinder haben wir auch die Schuldenbremse im Grundgesetz. Das ist die Vorsorge, die Generationengerechtigkeit. Deswegen achten wir Freien Demokraten auch immer darauf, dass die Schuldenbremse eingehalten wird, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Deutschland braucht aber auch eine Wirtschaftswende, die den Stolz auf das zurückbringt, was unser Land leisten kann. Wenn die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden, dann können sich die Stärken unserer Gesellschaft auch wieder entfalten. Es ist Zeit, die strukturellen Probleme unseres Landes entschlossen anzugehen. Bürokratie und Regelungswut ersticken unsere Innovationskraft. Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel und belastet unsere sozialen Sicherungssysteme. Dazu kommen hohe Energiepreise und ein nationaler Sonderweg beim Klimaschutz, der die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwächt.
Wir Freie Demokraten glauben an eine Politik, die Menschen und Unternehmen Chancen und Freiheit gibt, statt sie mit Vorschriften zu hemmen. Wir setzen auf Technologieoffenheit und Fortschritt, und das ist es, was unser Land braucht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Nicht alles war schlecht in den letzten drei Jahren. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beispielsweise war ein wichtiger Schritt. Ohne uns Liberale, ohne die SPD und die Grünen gäbe es dieses Gesetz nicht. Es war seit Jahrzehnten überfällig. Unsere Wirtschaft hat lange auf diese klaren Regeln gewartet, um die dringend benötigten Fachkräfte ins Land holen zu können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber jetzt muss es auch umgesetzt werden. Die Langsamkeit in diesem Land bremst es weiter aus. Unsere Unternehmen können nicht länger darauf warten. Deswegen muss jetzt endlich Dampf gemacht werden.
Die strukturellen Herausforderungen, die unser Land heute bremsen, verlangen nach klaren Antworten. Dazu gehört auch der Mut, Infrastrukturen und Staatsorganisationen zu modernisieren. Das festgefahrene Silodenken, auch in unseren Ministerien, muss beendet werden. Das sind auch keine kurzfristigen, schnellen Projekte, sondern es ist eine gezielte Modernisierung – für unser Land und unsere Zukunft.
(Beifall bei der FDP)
Ein entscheidender Schritt beispielsweise wäre ein echtes, eigenständiges Digitalministerium – ein Punkt, den ich seit Jahren hier vortrage; schon 2017 haben wir ein konkretes Szenario ausgearbeitet und vorgelegt. Es könnte die digitale Transformation in allen Bereichen vorantreiben, damit Deutschland endlich den Anschluss findet, wieder Tempo aufnimmt und vorne mitspielt. Das wäre so dringend nötig, und ich hoffe, es kommt noch.
(Beifall bei der FDP)
In der verbleibenden Zeit bis zur Wahl hat der Bundestag die Verantwortung, wichtige Entscheidungen zu treffen. Alles, was unsere Wirtschaft stärkt oder die demokratischen Grundpfeiler sichert, ist auch mit uns noch möglich. Ich will ein Beispiel nennen. Es ist Aufgabe dieses Hauses, unser Bundesverfassungsgericht als Schutzpfeiler der Demokratie und des Rechtsstaats unangreifbar zu halten. Die FDP-Fraktion ist bereit, noch in dieser Legislaturperiode die notwendigen Schritte zu gehen, um das Gericht vor Bedrohungen zu schützen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Sehr gut!)
Lassen Sie mich bitte noch ein paar grundsätzliche Dinge am Ende meiner Rede sagen; es ist möglicherweise die letzte Rede im Deutschen Bundestag, weil ich mich entschlossen habe, nicht wieder zu kandidieren.
(Stefan Keuter [AfD]: Sie kommen auch nicht rein mit 4,5 Prozent!)
Freiheit stirbt immer scheibchenweise. Das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit bedarf eines klugen und vorsichtigen Ausgleichs. Der Bürger darf nie – nie! – in die Position kommen, den Staat fragen zu müssen, was er noch tun darf. Und der Staat muss vielmehr immer – immer! – genau begründen, warum er die Freiheiten der Bürger einschränken muss und will.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das haben wir bei Corona gesehen!)
Ich hoffe, dass Sie das auch zukünftig in Ihren Debatten über Vorratsdatenspeicherung, Befugnisse und Überwachungen immer berücksichtigen. Jimmy Schulz aus der Cloud und ich aus Rheinland-Pfalz werden darauf achten.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dorothee Martin [SPD])
Zum Abschluss möchte ich an die Anwesenden hier und an die zukünftigen Kollegen einen Appell richten. Der Bundestag ist nicht nur Gesetzgebungsorgan, er ist nicht nur Herzstück der Demokratie. Sie alle, wir alle, sind Vorbilder. Es ist eine Verantwortung, mit Respekt, mit Nachdruck hier miteinander zu debattieren. Streiten, ja, hart in der Sache, aber nicht persönlich. Ich hoffe, dass es in Zukunft hier eine Kultur des Streits gibt.
Es war mir eine Ehre. Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Vielen Dank, Herr Höferlin. – Jetzt gebe ich das Wort an Caren Lay für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618156 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Kein Stillstand im Parlament - Sachbezogene Mehrheiten nutzen |