14.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 200 / Zusatzpunkt 9

Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde: Weltklimakonferenz COP29

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die Klimakonferenz in Baku, die COP 29, findet in bewegten Zeiten statt. Ich habe etwa an einem Dutzend Klimakonferenzen teilgenommen, zum Teil mit dem Kollegen Jung und der heutigen Bundesaußenministerin, damals als Abgeordnete. In diesem Jahr darf ich nicht teilnehmen; dazu aber gleich noch etwas mehr.

Der Bundeskanzler nimmt übrigens auch nicht teil. Und wenn ich mir vorstelle, dass er dort neben Herrn Alijew, Herrn Orbán und anderen stehen würde, finde ich es gar keine schlechte Idee, dass er nicht teilnimmt und diese Show, die in Aserbaidschan betrieben wird, nicht begleitet – in einer Zeit, in der zum Beispiel der Friedensvertrag zwischen Aserbaidschan und Armenien mutwillig noch nicht unterschrieben ist.

Herr Kollege Jung, wenn Sie – natürlich zu Recht – sagen: „Auf Deutschland kommt es an. Man guckt darauf, wie wir die Klimafinanzierung organisieren“, dann kann ich nur entgegnen: Die ganze Welt guckt auf Deutschland. Sie versteht überhaupt nicht, warum wir dem Fetisch einer Schuldenbremse nachhängen, der uns ökonomisch bindet. Das versteht die ganze Welt nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und ich würde sagen, sie wartet auch nicht auf einen Kanzler Merz, der ja eher eine Allergie gegen erneuerbare Energien hat. Der wird jedenfalls das internationale Klimageschehen nicht voranbringen.

Ich will eine Lanze brechen für Klimakonferenzen, weil ich in den Medien immer wieder die Kritik lese: Warum findet das da statt? Es ist alles ganz schrecklich und alles ganz schwierig. – Das stimmt; aber es gibt trotzdem nichts Besseres auf der Welt, als das UN-System zu stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wo hätten denn die Least Developed Countries, die am wenigsten entwickelten Staaten, oder kleine Inselstaaten überhaupt sonst auf der Welt ein Forum, wo sie ihre Positionen einbringen können? Deswegen mache ich mir zwar große Sorgen darüber, wie wenig dabei herauskommt; nichtsdestotrotz braucht es diese Klimakonferenzen.

Was überhaupt nicht hilfreich ist, ist in der Tat der Austragungsort Aserbaidschan. Ich komme zurück zu dem, was ich am Anfang gesagt habe. Es gibt Abgeordnete des Deutschen Bundestages – Heike Engelhardt gehört dazu, Max Lucks gehört dazu, meine Wenigkeit gehört dazu, der Kollege Andrej Hunko gehört dazu –, die ein Einreiseverbot für Aserbaidschan haben. Andere haben vielleicht auch eines, wissen es bloß noch nicht. Weshalb? Nur weil wir uns für die Menschenrechte in Aserbaidschan starkmachen. Deswegen ist es ein Riesenproblem, dass diese Konferenz in Aserbaidschan stattfindet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])

Denn selbst wenn man eine Lupe zur Hilfe nimmt, findet man dort keine Ambitionen für eine positive Energietransferagenda.

Wir haben eine staatlich organisierte Korruption in Aserbaidschan, die nach Europa und in die ganze Welt reicht; und das Absurde ist: Sie wird von SOCAR organisiert, einem der großen Energiekonzerne Aserbaidschans und weltweit. Wir erleben dort eine Demokratie, die uns eigentlich nur vorgespielt wird, die Karikatur einer Demokratie, in der seit über 30 Jahren eine Familiendynastie die Macht hat, in der Verbrechen an Menschen verübt werden, in der die Anständigsten des Landes in Gefangenschaft sind und in der das Recht der Menschen auf Pressefreiheit und Demokratie zerstört wird.

Weltweit wird von 317 politischen Gefangenen berichtet. Ich will aber deutlich machen: Das ist nur die Spitze des Eisberges; wir reden eigentlich über Hunderte, vielleicht Tausende mehr, die mittlerweile aus dem Land getrieben worden sind und dort, aber auch in Deutschland weiterhin transnationalen Repressionen ausgesetzt sind.

Es gibt eine Blutspur Aserbaidschans, die sich auch durch Europa zieht. Wir haben den Fall von Gubad Ibadoghlu, der jetzt eigentlich Professor an der Technischen Universität in Dresden sein sollte. Sein einziges Verbrechen war, die Machenschaften Alijews und die wirtschaftlichen Verflechtungen aufgedeckt zu haben. Er ist in einem kritischen gesundheitlichen Zustand. Er muss freigelassen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] und Dr. Lukas Köhler [FDP])

Wir haben den Fall von Anar Mammadli, Träger des Václav-Havel-Menschenrechtspreises des Europarats, der in Haft sitzt. Wir haben den Fall von Afgan Sadigov, der gerade in Tiflis, in Georgien, im Hungerstreik sitzt, weil er nach Aserbaidschan abgeschoben werden soll.

Alle diese politischen Gefangenen müssen freigelassen werden. Und es wäre eigentlich ein gutes Zeichen und eine Möglichkeit für Aserbaidschan, seine internationale Reputation zu verbessern und sie jetzt freizulassen.

Ich will aber auch deutlich machen, dass auch wir in Deutschland Hausaufgaben haben. Ich lobe die deutsche Außenpolitik für ihre Klimapolitik und für ihre Menschenrechtspolitik.

Wir haben in Deutschland – eigentlich zum Glück – unabhängige Institutionen; aber manchmal wirkt es absurd. Wir haben das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es ist eine der bestfunktionierenden Asylbehörden der Welt; aber es trifft Fehlentscheidungen – manchmal zugunsten von Antragstellenden, manchmal zu deren Ungunsten. Wir haben sechs Fälle von Oppositionellen dokumentiert, die in Deutschland kein Asyl gefunden haben. Sie wurden abgeschoben und in Aserbaidschan im Grunde genommen vom Flughafen direkt in die Zelle gebracht. Wir müssen alles tun, damit diese Menschen freikommen, weil wir für diese Menschen eine besondere Verantwortung haben.

Einer davon ist Samir Ashurov. Ich habe letztens die Familie in Tiflis getroffen. Es ist völlig absurd: Sie sitzen dort in der Sackgasse, nachdem die Kinder in Deutschland zur Schule gegangen sind und wunderbar Deutsch sprechen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Deswegen wünsche ich dieser Klimakonferenz alles Gute. Ich glaube, wir werden in der Tat mit einer guten Delegation dort vertreten sein. Ich hoffe, dass wir die Menschenrechte dort auch im Blick haben und dass wir am Ende alles tun, damit wir weltweit eine bessere Lage für das internationale Klima haben. Aufgeben gilt jedenfalls nicht.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Lukas Köhler.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618193
Wahlperiode 20
Sitzung 200
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Weltklimakonferenz COP29
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