15.11.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 201 / Zusatzpunkt 11

Karl Lauterbach - Aktuelle Stunde: Cannabis-Legalisierung - Auswirkung auf die innere Sicherheit

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Es ist sehr wichtig, dass wir diese Debatte führen. Es ist eine angemessene Debatte. Das Gesetz müssen wir nüchtern betrachten, ohne Polemik und ohne Häme. Ich möchte diese Gelegenheit daher auch nutzen, das Gespräch zu suchen. Es soll keine Wahlkampfrede sein.

Zunächst ist ganz klar: Es ist eine umstrittene Gesetzgebung; denn wir haben unsere Drogenpolitik bei Cannabis ganz grundsätzlich geändert. Wir sind weggegangen von einer Verbotspolitik und hin zu einer Legalisierung, einer Aufklärung und einer Verbesserung der Sicherheit.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Der Bundesdrogenminister spricht!)

Was ist der Hintergrund dieser Vorgehensweise? Der Hintergrund dieser Vorgehensweise lässt sich wie folgt beschreiben: Der Konsum ist ohne diese Gesetzgebung in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Deshalb haben Sie es legalisiert!)

In der Zeit von 2018 bis 2021 – in nur drei Jahren – hatten wir einen sehr starken Anstieg bei Jugendlichen, bei Erwachsenen, bei älteren Menschen.

In Bayern ist es jetzt so, dass 27 Prozent der jungen Menschen in der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren im Laufe des Jahres schon einmal konsumiert haben – jeder Vierte! Cannabis ist überall! Wenn Sie am Abend durch die Straßen gehen, dann können Sie es sehen, und Sie können es riechen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was ist da jetzt das Argument? -Dr. Christina Baum [AfD]: Das ist ja furchtbar!)

Bei den 60- bis 64-Jährigen hat sich der Konsum in wenigen Jahren verdoppelt.

(Dr. Christina Baum [AfD]: Fragen Sie sich mal, warum!)

Das heißt: Der Cannabiskonsum ist eine Realität.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie sind auch noch gerne Drogenminister!)

Dieser Konsum ist in den letzten Jahren immer gefährlicher geworden. In der Zeit vor dieser Reform ist der Konsum gefährlicher geworden, weil die Dosierungen höher geworden

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Reden Sie von Cannabis! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Deswegen wurde er erlaubt, weil er gefährlicher geworden ist!)

und die Konzentrationen gestiegen sind. Es gibt toxische Beimengungen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ja! Also heißt das was?)

Das heißt: Der Cannabiskonsum ist auch ohne die Reform überall,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wenn Sie vor Cannabis mal genauso warnen würden wie vor Salz!)

und er wird immer gefährlicher.

Die Drogenkriminalität ist über die Jahre hinweg immer weiter gestiegen. Woran liegt das? Weil nur Kriminelle derzeit das Monopol für den Verkauf haben.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die unterstützen Sie jetzt! Sie wissen doch gar nicht, von was Sie reden! Das ist ja unerträglich, was Sie hier für einen Müll erzählen!)

Bei Ihnen in Bayern verkaufen nur die Kriminellen. Sie erlauben nur den Kriminellen den Absatz. Ich will das auch in dieser Klarheit sagen: Die holländischen Mocro-Clans beispielsweise

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

sind doch das Ergebnis der gescheiterten Drogenpolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Denn nur diese Clans konnten bisher verkaufen. Das sind doch Ihre Clans.

Es ist im Prinzip, wenn ich das den Kollegen der Union so sagen darf, ein doppeltes Versagen:

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: An Dümmlichkeit ist dieses Argument nicht zu überbieten! Mein Gott! Bitte abtreten! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie nicht gerade gesagt, Sie machen keine Wahlkampfrede? Das ist ja Wahnsinn!)

Erstens: Der Konsum ist stetig gestiegen. Und zum Zweiten:

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Gehen Sie nach Hause! Treten Sie ab!)

Sie haben es in Ihrer Verantwortung für das Innenministerium nicht geschafft,

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

diese Clans, Ihre Clans, in den Griff zu bekommen.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie versuchen, diese Verantwortung jetzt abzuladen,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist ja wirklich unverschämt! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Herr Dobrindt, auf eine Reform, die noch gar nicht wirken kann,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Herr Lauterbach, Sie sind an Peinlichkeit nicht zu überbieten! Verlassen Sie das Rednerpult!)

weil Sie selbst die Umsetzung der Cannabisklubs für die legale Herstellung zum Teil nicht gewährleisten und blockieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manuel Höferlin [FDP] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Lauterbach wirkt bei den Clans!)

Sie blockieren doch die Reform, die die Lösung wäre, und kriegen gleichzeitig das Problem nicht in den Griff. Das ist die Wahrheit.

(Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

Ich bitte Sie auch ganz ehrlich,

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

die Menschen nicht für dumm zu verkaufen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Dann hören Sie auf, zu reden!)

Der Konsum ist da, er war da. Er hat keine legale Quelle. Solange es keine legale Quelle gibt, wird es die Verunreinigungen geben, wird es die toxischen Konzentrationen geben, wird es die Drogenkriminalität geben.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Genau das ersetzt jetzt die Drogenmafia! Das glauben Sie doch selbst nicht!)

– Sie haben doch kein Konzept. Was wäre denn das Konzept der Union gewesen, diese Probleme in den Griff zu bekommen?

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Wir haben ein Konzept!)

Sie sagen: Es muss beim Verbot bleiben. Wollen Sie wirklich ernsthaft sagen, dass die 27 Prozent der 18- bis 24-Jährigen, die in Bayern konsumieren, alles Kriminelle sind,

(Beatrix von Storch [AfD]: Ja!)

alles Straftäter sind? Das ist doch nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist doch:

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie verdrehen ja so dermaßen die Tatsachen! Das ist unglaublich! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das tut wirklich weh! Also, diese Rede tut weh!)

Derjenige, der ab und zu konsumiert und sich der Risiken auch bewusst ist,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ich glaube, dass sich Teile der Regierungsbank schämen für Ihre Rede!)

der ist doch nicht krimineller als derjenige, der jeden Abend eine Flasche Wein trinkt. Es ist doch falsch, diese Leute zu kriminalisieren.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie zeigen ja, dass Sie von nichts was verstanden haben! – Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

Von daher: Die Kriminellen sind nicht die Konsumenten, sondern die Kriminellen sind diejenigen,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das sind diejenigen, die das legalisiert haben! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Und die unfähigen Minister!)

die dank Ihres Versagens Cannabis verkaufen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Hören Sie auf, zu kiffen, Herr Lauterbach!)

die keine Steuern bezahlen, die Beimengungen hinzufügen

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine wirre Rede!)

und versuchen, die Menschen von anderen Drogen abhängig zu machen. Das sind die tatsächlichen Kriminellen und nicht die Menschen, die konsumieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wie kann man sich bei so einem Thema hierhinstellen und so ein wirres Zeug erzählen? – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist sogar der Innenministerin sehr peinlich, Ihre Rede!)

Wenn man darauf schaut, von wem nennenswert etwas gemacht worden ist in der Bekämpfung der Drogenkriminalität, stellt man fest: Das ist tatsächlich Bundesinnenministerin Faeser gewesen,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die schämt sich gerade für Ihre Rede! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Peinlich! Frau Faeser findet es auch peinlich, was Sie hier erzählen!)

weil sie die Ermittlungskompetenzen ausgedehnt hat. Sie beklagen sich, aber Sie haben doch über Jahre hinweg die Kriminalität im Drogenmilieu nicht in den Griff bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Studienlage – das will ich hier klipp und klar sagen – ist die: Wo Cannabis entkriminalisiert wurde, wo es eine Alternative zum Schwarzmarkt gab, ist der Konsum nicht gestiegen.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er ist nicht gestiegen in Kanada.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Er ist nicht gestiegen in Colorado. Er ist nicht gestiegen in den Bundesstaaten der Vereinigten Staaten, in denen legalisiert wurde.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie leben in einer Parallelwelt! Es ist unglaublich!)

Diese Daten liegen ja vor. Es gibt überhaupt keine Evidenz dafür,

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist doch alles Unfug, was Sie da erzählen! Es ist nicht wahr!)

dass eine Legalisierung den Konsum erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir sehen doch, was Sie angerichtet haben! Die steigende Kriminalität, der steigende Drogenkonsum in Deutschland: Das ist Ihre Kriminalität, das ist Ihr steigender Drogenkonsum!)

Daher geht es nur darum, den bestehenden Konsum sicherer zu machen, den bestehenden Konsum zu entkriminalisieren,

(Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

und zwar sowohl bei den Konsumenten wie auch bei den Dealern.

Ich kann nur sagen: Wenn wir diesem Gesetz eine faire Chance geben

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Nein!)

und nicht versuchen, noch einmal mit Rezepten aufzuwarten, die in der Vergangenheit nicht funktioniert haben, dann werden wir das auch sehen. Wir werten ja dieses Gesetz aus.

(Zuruf der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])

Es gibt kaum ein Gesetz, das gründlicher ausgewertet wird als dieses Gesetz. Das ist auch richtig. Das, was ich hier sage, muss ja belegt sein.

(Lachen bei der CDU/CSU und der AfD)

– Ja, wir werten das Gesetz aus.

(Zurufe von der CDU/CSU)

– Ihr Versagen ist ausgewertet; darüber haben wir gerade gesprochen.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Sie reden ins Blaue hinein – ohne jeden Beleg!)

Wir werten dieses Gesetz aus wie kaum ein anderes Gesetz. Wir werden den Konsum bei Kindern und Jugendlichen mit allen Mitteln bekämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie tun doch das Gegenteil!)

Dafür haben wir die Regeln verschärft.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es ist für den Kinder- und Jugendschutz eine Katastrophe!)

Wir werden den Konsum bei Kindern und Jugendlichen monitoren.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Es ist jugendgefährdend, was Sie tun!)

Wir werden den Gesamtkonsum monitoren. Wir werden die Kriminalität monitoren.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das heißt: Zuschauen, wenn Kinder kiffen!)

Das ist ein Gesetz, welches eine Chance verdient.

(Zuruf des Abg. Steffen Janich [AfD])

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Der Weg, den wir bisher bei Cannabis gegangen sind, ist gescheitert. Die Konsumenten sind keine Kriminellen, die Händler sind es wohl. Wenn Sie wirklich etwas für die Drogenpolitik erreichen wollen,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: … dann drehen wir es zurück! Wir drehen es zurück!)

dann bringen Sie Vorschläge dort ein, wo es wirklich zur Sache geht,

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Wir haben Vorschläge!)

nämlich bei Crack, bei Kokain, bei Tranq, bei Heroin. Wo sind denn da Ihre Vorschläge?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Heute wäre die Gelegenheit gewesen, über Ihre Konzepte zu sprechen für die Drogen, die den Menschen wirklich schaden,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Zucker und Salz, oder was?)

und zwar demjenigen, der konsumiert, aber auch Dritten.

Der Cannabiskonsum ist eine Realität.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Und Sie sind Geschichte!)

Die Kriminalisierung macht keinen Sinn. Sie ist in der Vergangenheit gescheitert.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nee! Gescheitert ist Ihre Politik, Herr Lauterbach! Ausschließlich! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Die Ampel ist gescheitert!)

Daher müssen wir diesem Gesetz eine Chance geben

(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

und den großen Drogenkonsum und die große Drogenkriminalität bekämpfen, so wie es Ihnen Innenministerin Faeser vorgeschlagen hat.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat das Wort für die FDP-Fraktion Kristine Lütke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618309
Wahlperiode 20
Sitzung 201
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Cannabis-Legalisierung - Auswirkung auf die innere Sicherheit
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