Johannes VogelFDP - Private Altersvorsorge und Altersvorsorgedepots
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diskussionen über Aktien in Deutschland laufen leider fast immer gleich. Man hört nämlich von der linken Seite des politischen Spektrums: Aktien, die machen ja die Reichen immer reicher.
(Carsten Träger [SPD]: Sie hätten mal zuhören müssen! – Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt [SPD])
Wenn man dann konkrete Vorschläge vorlegt, wie alle von Aktien profitieren könnten, dann hört man Dinge wie „Zockerei“, wie wir es eben auch wieder bei der ersten Rednerin in der Debatte erleben konnten, oder „Casino-Rente“.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU])
Wenn wir die Vermögensschere in diesem Land schließen wollen, dann brauchen wir eine bessere Aktienkultur. Und natürlich brauchen wir Aktien auch in der Altersvorsorge. Es ist ja richtig: Aktien schwanken; das stimmt. Deswegen würde ich auch niemandem raten,
(Lennard Oehl [SPD]: … in Aktien zu investieren!)
über Aktien für eine Investition in drei Jahren zu sparen. Aber wenn man breit gestreut – genau darum geht es ja –,
(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Nee! In Ihrem Gesetzentwurf sind Einzelaktien drin!)
am besten global breit gestreut länger als 15 Jahre in Aktien anlegt, dann gibt es kein Szenario, bei dem man Verlust macht, und wenn man 20, 30 oder 40 Jahre anlegt, dann macht man richtig Gewinn damit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Worum geht es bei der Altersvorsorge noch mal genau? Um lange Anlagezeiträume von 20, 30 Jahren, und deshalb sind Aktien so besonders gut geeignet für die Altersvorsorge.
Wir brauchen zwei Dinge in diesem Land:
Erstens. Wir müssen Aktien in der ersten Säule, in der gesetzlichen Rente, nutzen.
(Widerspruch des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke])
Deshalb brauchen wir eine echte Aktienrente wie in Schweden. Darüber können die Bürgerinnen und Bürger am 23. Februar in diesem Land abstimmen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie das in Schweden funktioniert, hat der Kollege Stefan Schmidt eben gesagt! Das wollt ihr ja gerade nicht!)
Dann haben wir nämlich nicht nur ein stabiles Rentensystem und Beiträge, die dauerhaft finanzierbar sind, sondern das Rentenniveau steigt sogar wieder, und die Menschen kriegen mehr aus der gesetzlichen Rente raus, und das ist richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Zweitens. Wir brauchen Aktien eben auch bei der geförderten privaten Altersvorsorge. Andere Länder machen uns das doch schon ganz lange vor: 401(k), Roth IRA. Andere Länder haben ganz viele Modelle, die einfach zeigen, dass es funktioniert. Und wir legen hier einen Gesetzentwurf vor, wie ein solches Altersvorsorgedepot auch in Deutschland funktionieren könnte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist richtig, damit endlich alle in diesem Land von Aktien profitieren.
(Beifall bei der FDP)
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rosemann von der SPD-Fraktion?
Sehr gerne.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das war gelogen!)
Dann muss er vielleicht nicht so schnell reden, wenn er dadurch mehr Redezeit kriegt. – Also, lieber Kollege Vogel, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Sie haben eben erzählt, dass Sie Ihre Aktienrente – die haben Sie ja schon das letzte Mal im Wahlkampf vertreten; die haben Sie dann mit uns nicht in den Koalitionsvertrag reingekriegt – jetzt wieder hervorgeholt haben, und dann haben Sie wieder die Geschichte erzählt, dadurch würde das Rentenniveau steigen. Da will ich Sie schon mal darauf hinweisen, dass das, was Sie da machen, ja nichts anderes ist, als dass Sie zunächst mal das Rentenniveau senken.
Sie verweisen auf Schweden. Da ist es genauso passiert: Da hat man einen Teil des umlagefinanzierten Beitrags genommen und hat den in individuelle Konten gesteckt. Der steht dann dem Umlagesystem nicht zur Verfügung. Und das heißt, Sie müssen zunächst mal Rentenleistungen absenken,
(Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
weil Sie weniger Geld für die umlagefinanzierte Rente zur Verfügung haben, und dadurch sinkt zunächst das Rentenniveau. Es steigt nur dadurch an, dass es vorher sinkt, und es steigt dann wieder irgendwann, wenn die Anwartschaften aus dem Kapitalstock dazukommen.
(Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Können wir mal über das Thema reden? – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das hat mit dem Antrag nichts zu tun! Steht nicht im Antrag!)
Deswegen frage ich Sie: Bringen Sie die Ehrlichkeit auf, diesen Mechanismus zu bestätigen, dass Sie also mit Ihrem Modell der Aktienrente erst mal Geld aus der Rentenkasse rausnehmen, damit die Rentenleistungen absenken wollen, zum Beispiel die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren nicht mehr machen wollen oder an anderer Stelle kürzen wollen – das steht ja alles in Ihrem Papier –, damit dann das Rentenniveau wieder steigt? Bestätigen Sie das: „Erst kürzen, dann steigt es“?
Ich stelle sehr gerne ehrlich dar, welche zwei Varianten für die weitere Entwicklung der gesetzlichen Rente in diesem Land zur Diskussion stehen. Die eine Möglichkeit ist, das zu tun, was die SPD vorschlägt: das Rentenniveau gesetzlich zu stabilisieren, bei 48 Prozent festzuschreiben, was dann dazu führt, dass die Beiträge für die arbeitende Mitte und für die Jüngeren immer weiter steigen – immer weiter steigen!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Frauke Heiligenstadt [SPD] und Carsten Träger [SPD])
Ich kann das auch ganz konkret machen: Wir sind heute bei Sozialversicherungsbeiträgen von über 40 Prozent – Rente, Pflege, Krankenversicherung zusammen. Wenn wir den Vorschlag der SPD umsetzen würden, dann sind wir angesichts der absehbaren Entwicklung bei Krankenversicherung und Pflege – medizinischer Fortschritt, Demografie – laut Martin Werding, Wirtschaftsweiser der Bundesregierung, bald bei 50 Prozent Sozialversicherungsbeiträgen.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ach! Das ist ja viel!)
50 Prozent, und da kommen die Steuern noch obendrauf. Wie soll das die arbeitende Mitte – gerade die Jüngeren – in diesem Land denn finanzieren? Wie soll dieses Land zukunftsfähig sein bei 50 Prozent Sozialversicherungsbeiträgen?
(Beifall bei der FDP)
In der Tat, wir schlagen eine Alternative vor. Wir wollen, dass auch in der gesetzlichen Rentenversicherung ein kleiner Teil der Beiträge in einen öffentlichen Non-Profit-Fonds, in einen Staatsfonds, mit Aktien fließt. Und warum wollen wir das? Weil das der Weg ist – das hat Martin Werding auch mal in einer Studie ausgerechnet –,
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sie in Auftrag gegeben haben!)
der den Beitragsanstieg dämpft, der die Beiträge stabilisiert, langfristig finanzierbar macht und in der Tat dazu führt – und das ist das einzige Konzept, was das leistet –,
(Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der erst mal zu niedrigeren Renten führt!)
dass das Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung auch wieder steigt. Und das müssen wir doch wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Denn gerade die, die auf die Rentenversicherung angewiesen sind, brauchen doch diese Perspektive.
Ich kann es auch ganz konkret machen: 2 Prozent Rentenbeiträge in eine gesetzliche Aktienrente, das würde für einen Durchschnittsverdiener in diesem Land 1 000 Euro Rente mehr pro Monat bedeuten.
(Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In wie vielen Jahren?)
Und schon für jemanden, der nur den Mindestlohn bekommt: 500 Euro Rente mehr pro Monat. Ich finde, das ist ein Konzept, über das wir in diesem Land reden sollten, und die Bürgerinnen und Bürger können entscheiden, ob sie das überzeugt.
(Beifall bei der FDP – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wahnsinn! So viel Geld!)
Jetzt zurück zu dem Gesetzentwurf zur privaten Altersvorsorge. Ein Aspekt ist mir besonders wichtig. Uns ist wichtig, dass alle davon profitieren können, auch Selbstständige, weil Selbstständige in diesem Land viel zu häufig als Erwerbstätige zweiter Klasse behandelt werden, und das muss enden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Wir haben eben gehört, insbesondere von Rednerinnen und Rednern der Grünen, dass wir das ja in der jetzt gescheiterten Koalition hätten machen können. Das ist interessant. Denn in der Tat – der Redner der Grünen hat darauf hingewiesen –, das ist ein Gesetzentwurf, der im Finanzministerium ähnlich erarbeitet wurde, angepasst um Aspekte wie, dass Selbstständige mit reinsollen. No shit, Sherlock! Ja, natürlich ist das der Gesetzentwurf. Nur unwahr ist, dass man den in der Koalition hätte verabschieden können.
Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen.
Denn die grünen Ministerien haben ihn blockiert. Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn sich das jetzt geändert hat und wir alle dafür sind, freue ich mich, wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Das können wir in dieser Legislaturperiode noch machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das wäre gut für dieses Land.
(Beifall bei der FDP)
Nächste Rednerin ist Janine Wissler für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618697 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Private Altersvorsorge und Altersvorsorgedepots |