Markus KurthDIE GRÜNEN - Private Altersvorsorge und Altersvorsorgedepots
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Johannes Vogel, Sie haben gerade gesagt, wenn man 2 Prozent des Rentenversicherungsbeitrags in einen privaten Fonds einzahlt, dann kämen für den Durchschnittsverdiener wahrscheinlich nach 45 Jahren Sparzeit 1 000 Euro im Monat heraus.
(Johannes Vogel [FDP]: Zusätzlich!)
Sie haben aber nicht dazu gesagt – was ja auch Martin Rosemann erfragt hat –, um wie viel dann aktuell die gesetzliche Rente gekürzt werden müsste, nämlich um rund 10 Prozent bei allen derzeitigen Rentnerinnen und Rentnern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Frauke Heiligenstadt [SPD]: Viel Spaß dabei! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Was? Belegen Sie das doch mal bitte!)
Das machen 2 Prozent vom Beitragssatz nämlich aus.
Wenn ich eins gelernt habe in gut 20 Jahren Sozialpolitik, dann ist es, dass man dort genau hingucken muss, gerade bei den Langfristthemen wie der Alterssicherung. Und das tut Ihr Gesetzentwurf nämlich auch gerade nicht.
Als ich 2002 in den Deutschen Bundestag eingezogen bin, war gerade die Riester-Rente eingeführt worden. Und die staatliche Förderung wurde damit begründet, dass die Riester-Rente das Absenken des Niveaus der gesetzlichen Rente ersetzen sollte. Genau deshalb ist als Bedingung für die Riester-Rente eine Garantie der eingezahlten Beiträge gesetzt worden und vor allem eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, also eine Rente bis zum Tode.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das ist genau das, warum es nicht funktioniert!)
Das macht Ihr Vorschlag genau nicht.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Genau!)
Es soll nur bis zum 85. Lebensjahr abgesichert werden. Und was passiert nach dem 85. Lebensjahr, wenn dann die gesetzliche Rente nicht ausreicht? Dann wird die öffentliche Hand, dann werden alle Bürgerinnen und Bürger als Steuerzahler die Ausfallbürgen.
Ich kenne die durchaus schlüssige Argumentation, dass ohne Garantien höhere Renditen möglich sind, aber eben möglich und nicht garantiert. Und wer möchte, kann das auch gerne am privaten Kapitalmarkt tun. Nur brauchen wir es dann nicht steuerlich mit dem Geld aller Bürgerinnen und Bürger auch noch zusätzlich zu fördern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist ziemlich wichtig – das merkt man auch wieder in dieser Debatte –, dass man die besonderen Charakteristika von Systemen sozialer Sicherung berücksichtigt und auch keine Haurucklösungen verspricht, sondern deren Pfadabhängigkeit sieht.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nichts machen geht auch!)
Ich hoffe, dass das in Zukunft auch Fachkolleginnen und Fachkollegen aller demokratischen Fraktionen tun.
Dies ist meine letzte Rede heute im Deutschen Bundestag.
(Beifall des Abg. Karsten Hilse [AfD] – Gegenruf des Abg. Dr. Carsten Brodesser [CDU/CSU]: Peinlich! – Weiterer Gegenruf der Abg. Frauke Heiligenstadt [SPD]: Erbärmlich! – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Mann, Mann, Mann! – Gegenruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Seit sechs Wahlperioden – das sind 22 Jahre – habe ich die Ehre, diesem Haus anzugehören. Ich bedanke mich bei allen, die mich unterstützt haben, mit denen ich zusammenarbeiten konnte, und auch bei allen, mit denen ich fair streiten konnte in der Sache – das muss ich ausdrücklich dazu sagen –: bei Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei den Mitarbeitern des Deutschen Bundestages, des Ministeriums und natürlich auch ganz besonders bei den Mitarbeitern meines Abgeordnetenbüros, von denen viele auch sehr lange Jahre bei mir geblieben sind – und das nehme ich als Kompliment.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der AfD und der Linken)
Ich muss mich auch bedanken – ganz privat tatsächlich, denn auch das Private ist politisch – bei meinem Sohn und bei meiner langjährigen Partnerin, späteren – inzwischen geschiedenen – Ehefrau, der ich aber nach wie vor eng verbunden bin. Das gute Aufwachsen meines Sohnes, der inzwischen erwachsen ist, ist vor allen Dingen ihr Verdienst, und auch er hat einiges mitmachen müssen. Vielen Dank, Jonas und Sabine!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der AfD und der Linken)
Meine Damen und Herren, gerade in diesen Tagen dieses für uns auch vielleicht nicht ganz unerwarteten, aber nunmehr doch abrupten Umbruchs fällt mir dann doch auch immer etwas Grundsätzliches ein. Ich möchte schließen mit dem Zitat von Ernst-Wolfgang Böckenförde, dem Böckenförde-Diktum:
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“
Ich finde, das ist ein wichtiger Verweis darauf, dass wir hier auch alles dafür tun müssen, die Institutionen der demokratischen Zivilgesellschaft zu stärken, sie ernst zu nehmen, sie nicht mit irgendwelchen Scheinlösungen hinters Licht zu führen. Ich werde nach meinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag auch alles dafür tun, dass dieser freiheitliche Staat funktionieren und leben kann. Ich freue mich, das nach meiner Mandatszeit zu tun.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der Linken – Die Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD erheben sich)
Lieber Herr Abgeordneter Kurth, Sie haben eigentlich alles Wichtige schon selbst gesagt. Aber ich möchte doch diesen einen Punkt noch mal aufgreifen: Natürlich sind wir alle freiwillig hier, aber wir bringen auch viele Opfer. Und das ist ganz oft auch im privaten Bereich, wo wir gar nicht dankbar genug sein können, wenn das auch zu Hause aufgegriffen wird. Deswegen danke ich Ihnen für Ihre Worte, aber auch für Ihr langjähriges Wirken hier und vor allen Dingen für Ihre Streitlust, die nämlich für den Bundestag immer ganz wichtig ist. Ganz herzlichen Dank und alles Gute für Sie und Ihre Zukunft!
(Beifall)
Wir dürfen in der Debatte fortfahren. Der letzte Redner ist Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618699 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Private Altersvorsorge und Altersvorsorgedepots |