Sebastian FiedlerSPD - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute das zweifelhafte Vergnügen, zum fünften Mal zu diesem Thema hier zu reden.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, weil Sie nichts machen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Ich habe in einer Fernsehdiskussion neulich gesagt: Ich habe inzwischen die Schnauze voll. – Ich will es heute parlamentarischer sagen: Mir reicht’s wirklich. Und ich will auch begründen, warum. Weil nämlich das Sammelsurium an Mythen, Falschinformationen, maßlosen Diffamierungen, Über- und Untertreibungen von Ermittlungsinstrumenten unserer Sicherheitsbehörden kaum erträglich ist. Das haben die vielen Menschen, die bei Staatsanwaltschaften und Gerichten, bei der Polizei und beim Verfassungsschutz an 365 Tagen im Jahr unter einer wahnsinnigen Belastung ihr Bestes geben, um Schlimmstes zu verhindern, um Opfer zu schützen, Straftaten aufzuklären, Verfassungsfeinde aufzuklären, wahrlich nicht verdient.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Dass Sie mal ein Gesetz gemacht hätten, das hätten sie verdient! Dass Sie mal gehandelt hätten, das hätten sie verdient!)
Was sie verdient haben, ist, dass wir mit einer großen Ernsthaftigkeit hart an der Sache orientiert ohne ideologische Verblendung darum ringen, wie wir ihre wichtige Arbeit so gut wie möglich unterstützen können. Das haben sie verdient. Dazu wird meine Fraktion einen Beitrag leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die größte Verantwortung dafür – das kann ich Ihnen nicht ersparen –, dass ich hier zum fünften Mal reden muss, hat die Sabotagepolitik der FDP.
(Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Oijoijoi!)
Ex-Justizminister Buschmann hat die Not von Millionen Mieterinnen und Mietern gegen das Leid Tausender Opfer missbraucht.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und Sie haben sich darauf eingelassen!)
Ich würde mich an seiner Stelle schämen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Eine solche Politik verhöhnt nicht nur die Justiz und die Sicherheitsbehörden, viel schlimmer noch: Sie verhöhnt die Opfer. Wir haben einige Beispiele schon von Ministerpräsident Rhein gehört: penetrierte Säuglinge, Kinder, die schlimmster sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind und im Livestream von masturbierenden Tätern beobachtet werden. Es gab Verabredungen, Kinder planvoll zu zeugen, um sie anschließend zu vergewaltigen. Das Bild- und Videomaterial derartiger Gewaltexzesse geht rund um den Globus. Und die Opfer werden wieder zu Opfern und wieder und wieder und wieder. Das Ausmaß dieser unbeschreiblichen Kriminalität ist pandemisch – im Wortsinne – und nach aller mathematischen Wahrscheinlichkeit befinden sich hier im Plenarsaal ebenfalls Opfer.
38 000-mal – so haben Sie, Herr Rhein, es im Bundesrat schon formuliert – hätten seit der ersten EuGH-Entscheidung schon Ermittlungsansätze zur Verfügung gestanden, und nun können wir darüber diskutieren, ob die Mindestspeicherfrist drei Monate oder einen Monat betragen soll. Entscheidend für mich und für meine Fraktion ist: Wir kriegen endlich etwas gemeinsam hin?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Da geht es nicht nur um die sogenannte Kinderpornografie, es geht auch um Terrorismusbekämpfung. Wir kennen alle den Fall aus Castrop-Rauxel, bei dem wir nur eine sechseinhalb Tage alte IP-Adresse hatten, und nur durch Glück und Zufall und fleißige Arbeit beim BKA ein Giftgasanschlag mit Rizin und/oder Cyanid verhindert werden konnte. Glück? Zufall? Das ist irre!
Wie kann man sich solcher Fakten verweigern? Wie kann man das mit gutem Gewissen tun? Ich frage mich tatsächlich – ich habe das an anderer Stelle auch schon gesagt –: Muss immer erst Blut auf der Straße liegen, damit wir zu kriminalpolitisch wichtigen Entscheidungen kommen, so wie nach Solingen? Ich bin der Meinung: Nein.
Und jetzt, wo Blockade-Justizminister Buschmann eben nicht mehr da ist, glaube ich und appelliere auch tatsächlich an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, dass wir tatsächlich einmal ernsthaft über diese Frage und diese Gelegenheit hier im Parlament diskutieren. Es macht auch allein schon deswegen Sinn, wenn Sie mit Ihren Länderkolleginnen und -kollegen sprechen. Es gibt ein 22-seitiges Papier aus Nordrhein-Westfalen, das nach Solingen entstanden ist, in dem auch aus Nordrhein-Westfalen heraus mit Beteiligung der Grünen die IP-Adressen-Speicherung eingefordert wird. Das macht Sinn, und das hat einen guten Grund.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja!)
Man kann auch das Recht nicht mehr ins Feld führen. Der EuGH hat inzwischen sogar bei allgemeiner Kriminalität die Speicherung erlaubt, und erst gestern hat uns alle noch mal der Deutsche Richterbund eindringlich aufgefordert und darauf hingewiesen, dass das nötig ist.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So ist es!)
Hören Sie doch alle auf die dritte Staatsgewalt! Das ist doch wohl völlig klar.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Unter Kriminalisten gibt es den berühmten Spruch: Das Schnitzel, das der Hund schon aufgefressen hat, kann man nicht mehr einfrieren.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, so ist es!)
Das gehört also zu den Mythen um Quick Freeze. Genauso erfolglos ist ein solcher Ansatz. Er ist im Übrigen auch nicht quick; auch das hat der Deutsche Richterbund noch einmal deutlich gemacht. Also hören Sie auf die Rufe aus der Praxis! Ich habe heute Morgen noch mal mit meinem Nachfolger beim BDK gesprochen. Die GdP ist sich da einig. Es gibt eine einhellige Auffassung in der Praxis der Strafverfolgung. Kurzum: Die Bundesinnenministerin ist bei dem Thema seit langer Zeit klar. Meine Fraktion hat im September noch mal einen klaren Beschluss dazu gefasst, dass wir das wollen. Also lassen Sie uns gemeinsam ohne Ideologie über dieses Thema diskutieren!
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nicht diskutieren, sondern entscheiden!)
Mit uns können Sie sicher nach vorn schauen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Also stimmt die SPD zu! Also haben wir schon eine Mehrheit!)
Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Thorsten Lieb.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618747 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO |