05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 203 / Zusatzpunkt 7

Thorsten LiebFDP - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, schön, dass Sie heute Morgen da sind und wir über das Thema gemeinsam diskutieren können. Wir merken alle: Es ist Wahlkampf.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So billig kommen Sie nicht weg! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nee, das hat damit gar nichts zu tun! – Zurufe von der SPD)

– Offensichtlich getroffen. – Das ist ja die Zeit der verkürzten Botschaften und der verdrehten Tatsachen.

Lieber Kollege Fiedler, ich möchte daran erinnern, dass wir die Anlassbezogenheit entsprechender Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart hatten.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das macht es nicht besser!)

Wer sich daran nicht gehalten hat, waren Sie, war die SPD-Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sebastian Fiedler [SPD]: Was ist das denn für eine Argumentation in der Sache?)

Wir sind uns – das finde ich ja ganz spannend – eigentlich in der Analyse einig. Seit 20 Jahren gibt es kein rechtssicheres Mittel, mit dem Ermittlungsbehörden bzw. Strafverfolgungsbehörden wirksam Zugriff auf digitale Beweismittel haben. Liegt das an der FDP? Nein, es liegt nicht an der FDP. Seit 20 Jahren gibt es dauerhafte und wiederholte Versuche, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung durchzuführen. Es ist immer wieder – das zur Erinnerung – am Unionsrecht gescheitert.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Jetzt gibt es eine EuGH-Rechtsprechung! Was ist das denn für ein Unfug!)

Eine Vorratsdatenspeicherung stellt einen schweren Eingriff dar – Artikel 7 und 8 der Grundrechtecharta; das zur Erinnerung – und ist daher nur in eng umgrenzten Fällen zulässig.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Keine Rechtsgeschichte, bitte!)

– Ich finde es spannend, dass das Zitat der EuGH-Entscheidung zu einem Widerspruch führt. Interessant!

Deswegen braucht es einen neuen Weg, um wirksame Mechanismen für die Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen. Dazu legen wir als Freie Demokraten heute endlich – endlich! – den Entwurf für ein Verfahren vor, das rechtssicher und grundrechtskonform gleichermaßen ist.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es ist vor allem unwirksam! Unwirksam ist es!)

Das ist unser Vorschlag, den wir heute nach 20 Jahren Rechtsunsicherheit diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Und wenn es nach uns gegangen wäre – um das in aller Deutlichkeit zu sagen –, dann würde das seit zwei Jahren im Bundesgesetzblatt stehen, und die Behörden hätten schon eine Möglichkeit, etwas zu tun, und es wäre nicht blockiert worden.

(Beifall bei der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist Simulationspolitik, was Sie hier machen! Simulation von Politik! – Sebastian Fiedler [SPD]: Quatsch! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! So ein Quatsch braucht kein Mensch!)

Was ist eigentlich Quick Freeze? Auch da herrscht offenbar noch Nachholbedarf für das Verständnis beim ein oder anderen. Ein neues Ermittlungsinstrument einer Sicherungsanordnung für vorhandene, aber eben auch für zukünftig entstehende Daten an der Stelle.

(Zuruf des Abg. Sebastian Fiedler [SPD])

Diese immer wiederkehrende Botschaft „Wo nichts ist, kann man nichts einfrieren“ ist einfach großer Quatsch.

(Sebastian Fiedler [SPD]: Nein! Falsch!)

Zum einen ist in der Regel

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: „In der Regel“!)

sieben Tage sowieso etwas da, und die Sicherungsanordnung bezieht sich auf zukünftige Verfahren.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sicherheit nach Zufallsprinzip!)

Damit ist diese Sicherungsanordnung – um es noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen – als einziger Vorschlag sicher europarechtskonform

(Sebastian Fiedler [SPD]: Quatsch!)

und steht im Einklang mit der Budapest-Konvention des Europarates. Wenn jemand auf dem Boden des internationalen Rechts und der Verfassung steht, dann sind das wir, dann sind das die Freien Demokraten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da sind Sie wirklich auf dem Holzweg!)

Deswegen gibt es überhaupt gar keinen Grund, gegen diesen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zu stimmen. Er ist, wie gesagt, rechtlich zulässig. Es gibt ein wirksames Instrument. Im Übrigen, Herr Ministerpräsident – ich habe es ja gerade im Zwischenruf schon angesprochen –: Auch im Gesetzentwurf des Bundesrates ist das doch angesprochen und goutiert, dass das eine Variante sein kann.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Das ist ja bemerkenswert!)

Von daher gibt es doch für niemanden hier in diesem Saal einen Grund, dagegenzustimmen. Selbst der Bundesrat sieht das so.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren das in der Tat seit zwei Jahren an dieser Stelle hier in diesem Gremium – im Grunde mit den immer gleichen Botschaften.

(Abg. Axel Müller [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Meinetwegen gerne, wenn er das möchte.

Gut, dann halte ich Ihre Redezeit kurz an. – Herr Müller, Sie möchten eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung stellen. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege Lieb, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

(Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Sehr gerne!)

Mich würde interessieren: Sie sagen ja, der Europäische Gerichtshof würde die IP-Adressen-Speicherung als anlasslose Vorratsdatenspeicherung charakterisieren und deshalb nicht zulassen.

(Manuel Höferlin [FDP]: Sehr gut! Gute Frage!)

Das stimmt nicht.

Nein, das habe ich nicht gesagt.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom Mai dieses Jahres klargestellt, dass eine IP-Adressen-Speicherung nicht nur bei schwersten kriminellen Taten zulässig ist, sondern auch in anderen Fällen, allerdings zeitlich auf das notwendige Maß begrenzt. Und das notwendige Maß orientiert sich an dem, was die Ermittlungsbehörden uns sagen. Da wäre beispielsweise, wie es in der Bundesratsinitiative von Hessen der Fall ist, eine Speicherung von maximal einem Monat zulässig. Was sagen Sie dazu?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christian Wirth [AfD] – Manuel Höferlin [FDP]: Das steht doch gar nicht im EuGH-Urteil!)

Zum einen, Herr Kollege, herzlichen Dank für die Zwischenfrage. – Jetzt kann ich sozusagen das dranhängen, was sowieso als Nächstes in meiner Rede gekommen wäre. Sie haben es ja dankenswerterweise auch schon selbst bestätigt. Der engumgrenzte Zeitraum steht entgegen manchen Stimmen in der Öffentlichkeit in der Tat auch im EuGH-Urteil aus diesem April. An der Rechtsprechung hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert. Manche haben ja behauptet, das sei jetzt irgendwie weg mit der neuen Entscheidung. Das ist nach wie vor eineindeutig der Grundsatz, den wir haben.

Jetzt haben Sie gesagt, Herr Kollege – ich bin, ehrlich gesagt, etwas irritiert –: Die Sicherheitsbehörden bestimmen, was angemessen ist. – Ich dachte, wir sind der Gesetzgeber, und wir entscheiden gemeinsam politisch, was richtig und angemessen ist, was rechtskonform und politisch gewollt ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Da sind wir ganz frei darin!)

Dass der EuGH diese Möglichkeit geschaffen hat, das wissen wir ja alle hier im Raum. Hier brauchen wir keine Rechtsfortbildung. Die Frage ist aber: Was ist politisch klug? Was ist richtig? Was ist grundrechtsschonend und grundrechtskonform? Und das ist dieser Vorschlag genau nicht.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich fahre fort. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mich auf zwei Punkte begrenzen – um das direkt noch mal weiterzuführen –, was die Vorschläge des Bundesrates und auch der Unionsfraktion anbelangt.

Das eine habe ich gerade gesagt: Die Begrenzung auf das absolut Notwendige steht als Begriff auch in der Entscheidung vom April. Daran hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert.

Der zweite Punkt ist der – wir haben es eben gehört –: Bundesrat und Unionsfraktion schlagen jeweils drei Monate als Speicherfrist vor. Wir hatten eine öffentliche Anhörung zu dem Thema. Und wir alle lesen die EuGH-Rechtsprechung hoffentlich so, dass es eine sachliche Begründung für den Zeitraum braucht.

(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Jetzt habe ich mal reingeschaut: Was steht eigentlich in den ganzen Vorlagen und Gesetzentwürfen? Sie haben zum Beispiel im Gesetzentwurf ausgeführt, dass die Aufklärungsrate der IP-Adressen auf über 90 Prozent steigen soll, wenn man eine Vorratsdatenspeicherung von einem Monat einführen würde. Und? Wo ist die Argumentation für zwei und drei Monate?

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Einen Monat machen Sie mit? Einen Monat macht die FDP mit!)

Sie machen doch wieder genau den gleichen Fehler. Deswegen müssen wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Es gibt bis heute keine einzige sachliche Begründung, weder aus der Anhörung noch in Ihrem Gesetzentwurf, was einen zweiten oder dritten Monat rechtfertigten soll. Es wird das Gleiche passieren wie immer, wenn dieser Vorschlag Gesetz werden sollte: Es wird geklagt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auf einen Monat können wir uns einigen? Einen Monat? Einigung?)

– Jetzt fangen diese Taschenspielertricks wieder an.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ich frage mal!)

Sie haben schon mal zwei Monate vorgeschlagen, schon mal einen. Sagen Sie doch erst mal selbst, was Sie wollen, und dann können wir weiter diskutieren. Aber doch bitte nicht so!

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: So viel wie möglich! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Mehrheit! Demokratie hat mit Mehrheiten zu tun! Sie haben sie gerade verloren!)

Drei Monate sind rechtliches Hochrisiko. Das lehnen wir ab.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Lieber Gott, ist das schäbig! Echt! Da kann man kaum zuhören!)

Wir Freien Demokraten sind für eine grundrechtschonende und rechtsichere Variante. Deswegen Quick Freeze und nichts anderes.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Der Bundesrat sagt, einen Monat! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ich bin echt fassungslos!)

Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Helge Limburg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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