Marcel EmmerichDIE GRÜNEN - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Legislaturperiode scheint innen- und rechtspolitisch gefühlt so zu enden, wie sie begonnen hat, nämlich mit einem Unionsantrag zur Vorratsdatenspeicherung.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Schlimm genug, dass Sie nicht gehandelt haben!)
Es ist natürlich vollkommen klar, dass unsere Sicherheitsbehörden auch in diesen Zeiten angesichts der Vielzahl von sicherheitspolitischen Herausforderungen auf der Höhe der Zeit arbeiten können müssen, und deswegen haben wir in dieser Legislaturperiode in den verschiedenen Bereichen durchaus Änderungen vorgenommen. Bei der Nachrichtendienstreform, bei der Bundespolizei oder auch beim Bundeskriminalamt haben wir entsprechende Eingriffsbefugnisse auf den Weg gebracht, und das zeigt, dass wir durchaus dafür offen sind, wenn es in einem vertretbaren rechtsstaatlichen Rahmen umgesetzt wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber man muss sich auch klarmachen, dass diese Vorschläge, die hier mit Blick auf die Vorratsdatenspeicherung im Raum stehen, eine anlasslose Überwachung von allen Bürgerinnen und Bürgern bedeuten, und deswegen geht das über das Ziel hinaus.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Wenn wir uns das mal im Einzelnen anschauen: Es ist ja gar nicht so, dass die Sicherheitsbehörden und die Polizei da vollkommen im Dunkeln tappen würden; das ist nicht der Fall. Telekommunikationsanbieter speichern schon heute ein paar Tage lang entsprechende Daten.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nicht alle!)
Es ist also nicht so, dass da irgendwer vollkommen im Dunkeln tappen würde.
Wenn es um den Kinderschutz geht, muss man einfach feststellen, dass die Union immer nur die Vorratsdatenspeicherung ins Schaufenster stellt und sonst keine Vorschläge im Hinblick auf die Prävention hat.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Falsch! Falsch! Das entspricht nicht den Tatsachen! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch eine Grundvoraussetzung! Ohne das ist alles andere nichts!)
Ich will auch noch ganz klar hervorheben, dass selbst der Kinderschutzbund sagt, dass er eine rechtssichere Lösung befürwortet und deswegen dem Vorschlag zum Quick-Freeze-Verfahren zustimmt, aber die Vorratsdatenspeicherung ablehnt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Alles in allem kann man daher sagen, dass wir es hier mit einer rechtsunsicheren Lösung zu tun haben, die auch in der Praxis gar nicht von allen begrüßt wird.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Von den Tätern nicht! Das stimmt!)
Warum ist sie so rechtsunsicher? Das sieht man allein schon in dieser Legislaturperiode, wo Ihre Fraktion verschiedene Anträge und Gesetzentwürfe hier eingebracht hat.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Und Sie machen einfach nichts!)
Mal war die Speicherfrist sechs Monate, dann drei Monate, dann einen Monat. Das zeigt ja, dass Sie sich selber überhaupt nicht im Klaren darüber sind, wie das Ganze rechtssicher funktionieren soll, dass es einfach nur in einem möglichst geringen begrenzten Zeitraum gespeichert wird.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Eine Nichtstun-Politik!)
Sie sind da einfach auf dem falschen Weg unterwegs. Mit der Vorratsdatenspeicherung würde man dafür sorgen, dass die Daten von allen Bürgerinnen und Bürgern gespeichert würden, und zwar anlasslos, und das ist ein zu großer Eingriff in die Freiheitsrechte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Fiedler [SPD]: Das sieht der EuGH anders! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie verstehen es einfach nicht! Das ist unfassbar!)
Lassen Sie uns einfach mal ein Gedankenexperiment machen.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Vergleichen Sie doch mal die beiden Rechtsgüter! Es geht hier um das Leben! Es geht um den Schutz der Kinder!)
Mal angenommen – wirklich nur mal angenommen –, wir als Koalition hätten jetzt in erster oder sogar zweiter, dritter Lesung die Vorratsdatenspeicherung, wie Sie sie sich wünschen, hier eingebracht.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und Sie reden einfach weiter!)
Sie würden dem doch gar nicht zustimmen! Sie machen das auch beim Netzentgelt nicht, wo wir die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft entlasten wollen. Sie machen es bei der Kindergelderhöhung nicht. Sie machen hier doch gar nicht mehr mit!
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Sicherheitspaket auch nicht!)
Der Fraktionsvorsitzende Merz hat gesagt: Dieser Koalition wird nicht mehr geholfen. – Das ist doch Fakt. Deswegen ist das hier alles – lustig, lustig, trallala – für Sie vor allem eine Show.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind drei Jahre in die falsche Richtung gelaufen! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bei diesem wichtigen Thema so viel Zynismus!)
Ich bitte Sie auch darum, dass Sie beim Thema Sicherheitspolitik ein bisschen den Blick weiten; denn wenn es um Sicherheitspolitik in diesem Land geht, dann haben Sie doch nur zwei Vorschläge.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal einen Satz über die Opfer! Das interessiert Sie überhaupt nicht! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Es geht um das Kindeswohl!)
– Hören Sie mal zu, Herr Kollege, ich habe was Interessantes zu erzählen. – Da haben wir nur zwei Vorschläge von Ihnen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt gar nicht!)
Entweder wollen Sie das Asylrecht verschärfen oder die Vorratsdatenspeicherung einführen. Aber Sicherheitspolitik, gerade auch im Innern, ist so viel mehr!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Politik der offenen Tür!)
Stimmen Sie doch zum Beispiel dem KRITIS-Dachgesetz hier im Hohen Haus zu, das wir auf den Weg gebracht haben. Angesichts der Vielzahl von möglichen Sabotagen und Angriffen auf die Cybersicherheit in diesem Land wäre das doch mal ein Beitrag zur Sicherheitspolitik in diesem Land, wo man wirklich viel schaffen kann. Oder schauen Sie sich andere Punkte an, beispielsweise das Thema Zivilschutz – daran will ich mal erinnern –: Da haben Sie jetzt auch herausgefunden, dass Sie für den Zivilschutz sind und dass Sie Geld in die Hand nehmen wollen. Wir wollten beim Sondervermögen auch den Zivilschutz mit reinnehmen. An wem ist denn das hier im Bundestag gescheitert?
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wir wollten! Wir hätten!)
An Ihrer Fraktion!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss will ich noch das Sicherheitspaket ansprechen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Peinlich!)
Das Sicherheitspaket haben wir hier im Deutschen Bundestag beschlossen.
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Kein Wort zu den Kindern!)
Ich freue mich sehr, Herr Ministerpräsident Rhein, dass Sie da sind, aber ich frage mich, warum Sie nicht auf die Frage geantwortet haben, warum Sie dieses Sicherheitspaket zum Scheitern gebracht haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgehordneten der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Reden Sie doch mal zur Sache, Herr Kollege!)
Denn das liegt auch in Ihrer Verantwortung.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sagen Sie mal ein paar Sätze zur Sache!)
Damit sorgen Sie dafür, dass die Sicherheitsbehörden nicht über die Eingriffsbefugnisse verfügen, die wir hier in einem guten und tragfähigen Kompromiss erarbeitet hatten.
Weiten Sie deshalb mal Ihren Blick auf die Sicherheitspolitik: Das ist mehr als Vorratsdatenspeicherung, mehr als Asylrechtsverschärfungen. Ein bisschen über den Tellerrand blicken täte Ihnen manchmal ganz gut.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Ihnen auch! Das ist beschämend!)
Nächster Redner ist Manuel Höferlin für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618753 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO |