Manuel HöferlinFDP - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, ich kandidiere nicht mehr für den nächsten Bundestag, und in der vergangenen Sitzungswoche habe ich hier meine vermeintlich letzte Rede gehalten. Jetzt darf ich heute meine allerletzte Rede halten. Manchmal ergeben sich solche Gelegenheiten.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich rede heute zu einem Thema, das mich seit meinem Einzug in den Deutschen Bundestag 2009 regelmäßig und immer wieder 16 Jahre lang begleitet hat. Das, was uns eint – das möchte ich mit aller Ernsthaftigkeit sagen; denn beim letzten Mal habe ich zu Ernsthaftigkeit und zu Fairness in dieser Debatte geraten –, ist doch der Wille, dass wir Strafverfolgung effizienter machen. Das, was uns eint, ist, dass wir die abscheulichen Straftaten an Kindern wie sexuellen Missbrauch und dessen Darstellung verfolgen und verurteilen wollen. Ich finde es richtig, dass wir das deutlich sagen, und ich finde es nicht in Ordnung, dass Worte wie „Kinderschänder“ dazwischengerufen werden, wie ich sie von der Union gehört habe.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das hat hier keiner gesagt!)
– Ich entschuldige mich. – Das sollten wir nicht immer so zuspitzen, sondern wir sollten uns auch mal klarmachen, was uns eint. Aber der Weg unterscheidet uns eben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Vorratsdatenspeicherung war ein Werkzeug, das nie funktioniert hat. Es war übrigens nie anwendbar. Warum? Weil wir seit anderthalb Jahrzehnten immer wieder die gleichen Debatten erleben, immer mit den gleichen Argumenten und leider auch immer mit den gleichen Ergebnissen. Jede Version der Vorratsdatenspeicherung wurde entweder vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft oder vom EuGH als europarechtswidrig verworfen. Es war nie anwendbar, bis auf zwei Wochen mal, und dennoch steht heute erneut ein Vorschlag im Raum,
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Weil es neue EuGH-Urteile gibt, Herr Kollege!)
der uns in die Sackgassen der Vergangenheit zurückführt, meine Damen und Herren. Das bringt uns nicht weiter.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte daran erinnern, wie die Große Koalition mit ihren Ansätzen mehrfach krachend gescheitert ist, und jetzt versuchen Union und die unionsgeführten Länder – Herr Rhein hat ja hier vorwiegend wahlkampfmäßig dafür gesprochen –, das gleiche oder ein ähnliches Konzept wieder vorzuschlagen, ein Konzept, das die Daten von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern pauschal speichert, ohne konkreten Anlass, ohne Verdacht,
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auf der Grundlage von EuGH-Entscheidungen!)
und das ist eben nicht nur ein Angriff auf unsere Grundrechte. Es schafft am Ende auch mehr Unsicherheit statt Sicherheit und gefährdet das Vertrauen in staatliche Institutionen. Und das ist gerade in diesen Zeiten brandgefährlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das Gegenteil ist der Fall!)
Es geht aber auch anders. Es geht auch anders mit einem Quick-Freeze-Verfahren, das wir vorschlagen, das eine moderne, effektive, rechtssichere Alternative ist.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist nicht effektiv!)
Quick Freeze bedeutet: Ein konkreter Verdacht auf eine schwere Straftat liegt vor. Ich höre, Frau Lindholz, Sie möchten inzwischen jegliche Straftat verfolgen;
(Stephan Brandner [AfD]: Genau das ist das Problem!)
das haben Sie gerade selbst gesagt.
(Widerspruch der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
– Ich habe das so wahrgenommen. – Bei einem schweren Verdacht können Sicherheitsbehörden Daten einfrieren. Ich war selbst jahrelang Internetprovider. Ich weiß, welche Daten Internetprovider haben und wie lange sie dort liegen.
Das Verfahren ist schnell und effizient, und das Wichtigste: Es schützt eben dann auch die Privatsphäre all der Menschen, deren Daten sonst anlasslos gespeichert worden wären. Und das Wichtigste, meine Damen und Herren, das Allerwichtigste: Quick Freeze ist sicher verfassungskonform, Quick Freeze ist sicher europarechtskonform,
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und sicher wirkungslos!)
und es ist sicher umsetzbar, während Sie immer wieder – auch jetzt wieder – hinsichtlich des Zeitraums im Nebel stochern; denn das ist immer das Problem gewesen. Sie werden wieder ein Verfahren vorschlagen, das Rechtsunsicherheit schafft und am Ende möglicherweise kein Instrument zur Verfügung stellt. Das ist das Schlimmste, was man tun kann, wenn es um Opferschutz und um Strafverfolgung geht.
Und Sie versperren sich seit Jahren – übrigens auch die SPD – immer wieder in der Großen Koalition einem rechtssicheren Instrument. Sie versperren sich diesem Instrument, anstatt ein sicheres Instrument vorzuziehen und auf den Weg zu bringen. Das finde ich nicht in Ordnung, und das sollten Sie sich wirklich gut überlegen.
Deswegen legen wir einen Gesetzentwurf für ein Quick-Freeze-Verfahren vor, und ich bitte herzlich um Zustimmung. Es ist ein Verfahren, das anwendbar ist und das rechtssicher ist.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch wirkungslos! – Sebastian Fiedler [SPD]: Ein Mythos!)
– Und ob es wirkungslos ist, wissen Sie gar nicht, weil es noch nie angewandt wurde.
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Eugen Schmidt für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 203 |
Agenda Item | Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO |