Günter KringsCDU/CSU - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat nun einen klaren Unterschied gezeigt. Sie hier unmittelbar links leiden unter datenschutzrechtlichen Phantomschmerzen, bei einer bloßen Computeradresse wohlgemerkt. Wir stellen hingegen die echten Schmerzen und Verletzungen von Kindern in den Mittelpunkt unseres Antrages und dieser Debatte. Ich spreche von Kindern, die mitten unter uns Opfer von sexueller Gewalt und sexuellem Missbrauch werden. Diese Kinder sind ihren Peinigern oft über Jahre hinweg ausgeliefert. Der Missbrauch wird gefilmt und ins Netz gestellt, dort tausendfach abgerufen. Diese Kinder werden immer wieder aufs Neue Opfer des verbrecherischen Missbrauchs.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Polizisten und Polizistinnen müssen diese Videos Tag für Tag anschauen, um Taten und Täter aufzuklären. Sie sehen nicht nur die perversen Missbrauchstaten, sie müssen auch die Schreie der Kinder mit anhören. Die Politik der Bundesregierung verweigert diesen Polizisten aber seit drei Jahren die Ermittlungsinstrumente, die sie dringend benötigen, um sehr viele mehr dieser schrecklichen Taten aufklären zu können.
(Zuruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP])
FDP, Grüne und SPD unterlassen es damit seit drei Jahren, Kinder aus der Hölle des sexuellen Missbrauchs zu retten. Sie nehmen es hin, dass Tausende von Missbrauchsfällen nicht aufgeklärt werden und die betroffenen Kinder weiterhin in den Fängen ihrer Peiniger verbleiben. Wir nehmen das nicht hin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und Sie sollten es auch endlich lassen, ständig hier juristische Nebelkerzen zu werfen.
(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie!)
Wir stehen mit diesen Anträgen fest auf dem Boden des europäischen Rechts; denn der EuGH hat schon vor über zwei Jahren klargestellt, dass eine Speicherpflicht für Computeradressen zum Zwecke der Verfolgung schwerer Straftaten einwandfrei zulässig ist.
(Widerspruch der Abg. Manuel Höferlin [FDP] und Dr. Thorsten Lieb [FDP])
In sehr vielen Fällen ist diese IP-Adresse der einzige Ermittlungsansatz, um die Täter ausfindig zu machen. Wenn bei den Missbrauchstaten im Netz eine IP-Adresse ermittelt wird, kann sie aber nur dann einem Täter zugeordnet werden, wenn der Internetdienstanbieter diese Adresse auch gespeichert hat. Manche tun das für maximal sieben Tage. Manche Provider tun das gar nicht.
(Benjamin Strasser [FDP]: Die meisten!)
Von entscheidender, ja, lebensentscheidender Bedeutung sind solche Zuordnungen auch bei der Aufklärung und Verhütung anderer schwerer Straftaten. So konnte ein Terroranschlag, der zum letzten Jahreswechsel in Castrop-Rauxel in Nordrhein-Westfalen geplant wurde, nur deshalb in letzter Minute verhindert werden, weil die IP-Adresse, die unsere Polizei bekam, noch nicht sieben Tage, sondern eben erst sechseinhalb Tage alt war. Unsere Sicherheitsbehörden haben für diese Verhinderung Dank verdient, aber sie haben es auch verdient, dass sie endlich die notwendigen digitalen Befugnisse im Kampf gegen den Terror bekommen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Bundesregierung und die drei Fraktionen, die hier links von uns sitzen, haben es bis heute hingenommen, dass die Aufklärung von Kindesmissbrauch, die Rettung von Missbrauchsopfern und die Verhinderung von Terroranschlägen in unserem Land wirklich vom puren Zufall abhängig ist.
(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so krass, wie Sie über die Sicherheitsbehörden in unserem Land reden! Das ist so krass!)
Sie sind verantwortlich für die historisch größte rechtspolitische Bankrotterklärung einer Bundesregierung.
(Daniel Baldy [SPD]: Geht es auch eine Nummer kleiner? – Abg. Manuel Höferlin [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Und Sie hier links erhalten für diese skandalöse Haltung auch noch Beifall von hier ganz rechts.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Thema IP-Adressen ist ein weiterer Beleg dafür – –
Kollege Krings, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Höferlin?
Herr Höferlin, bitte schön.
Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Kollege Krings. – Sie haben gerade eine Schuldzuweisung ausgesprochen: dass drei Fraktionen schuld seien, dass der Status so sei, wie er ist.
Zwei Fragen. Wie stellen Sie sich Ihrer Verantwortung, der Verantwortung der CDU/CSU-Fraktion, die seit über 17 Jahren kein verfassungsgemäßes Konzept für diesen Tatbestand hinbekommen hat?
(Daniel Baldy [SPD]: Genau! CDU und Verantwortung schließt sich aus!)
Sie haben bisher nur geschafft, eine Regelung vorzuschlagen, die am Ende immer wieder vor dem Verfassungsgericht oder dem EuGH gescheitert ist. Wie stufen Sie da Ihre Verantwortung ein?
Verbunden damit, weil Sie auch behauptet haben, Ihr Vorschlag würde ganz glasklar auf dem Boden des Urteils des Europäischen Gerichtshofs stehen: Wie definieren Sie „absolut notwendiger Zeitraum“ gerade im Hinblick darauf, dass ein „absolut notwendiger Zeitraum“ nach Ihrem Vorschlag drei Monate sind, also zwei Wochen mehr, als der EuGH im letzten Urteil als europarechtswidrig eingestuft hat? Wo liegt da Ihre Verantwortung Ihrer Meinung nach? Sind das nicht vielmehr Nebelkerzen?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Höferlin, ich bedanke mich ausdrücklich für diese Zwischenfrage, zumal es vielleicht die letzte Zwischenfrage ist, die Sie hier im Deutschen Bundestag stellen. Wer weiß das schon.
(Manuel Höferlin [FDP]: Vielleicht die allerletzte!)
Ich will auch gerne darauf sehr konkret antworten.
Wissen Sie, der Unterschied zwischen dem, was ich aus Ihrer Fraktion, auch teilweise von den Grünen, gehört habe, und unserer Auffassung ist: Sie betreiben Rechtsgeschichte, wir machen Politik auf der Grundlage aktueller Urteile. Es ist eben nicht das letzte Urteil, was Sie da zitiert haben, sondern es gibt seitdem zwei weitere Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die sehr klare Aussagen zur Nutzung solcher IP-Adressen beinhalten. Das müssen wir erst einmal zur Kenntnis nehmen. Ich würde Sie herzlich dazu einladen, diese neueren Urteile, die nach dem von Ihnen zitierten ergangen sind, noch einmal anzuschauen; denn das ist die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Auf dieser Grundlage machen wir Vorschläge, und wir haben auch dargelegt, warum die drei Monate aus unserer Sicht gut begründbar und verfassungs- und europarechtskonform sind. Deswegen fordern wir endlich das Handeln dieses Parlaments ein.
(Manuel Höferlin [FDP]: 17 Jahre!)
Bis vor Kurzem waren Sie Teil der Regierung. Sie haben es in drei Jahren nicht geschafft, etwas zum besseren Schutz der missbrauchten Kinder zu tun. Das müssen Sie sich auch anhören, das müssen Sie sich vorhalten lassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Was haben Sie 17 Jahre lang gemacht?)
Aber ich komme gerne noch einmal zurück zu dem Beifall, den Sie von ganz rechts hier bekommen – sozusagen eine Riesenkoalition, die sich hier anbahnt. Das Thema IP-Adressen ist ein weiterer Beleg dafür, dass die AfD eine Partei weder der äußeren noch der inneren Sicherheit ist. Das hat vor allem die Rede von Herrn Brandner gezeigt.
(Stephan Brandner [AfD]: Wir sind Freiheitspartei!)
– Sie sind keine Freiheitspartei. – Sie sind in Wahrheit
(Stephan Brandner [AfD]: … Freiheitspartei!)
nur zerfressen vom Misstrauen und von der Verachtung gegenüber unserem Staat und seinen Institutionen. Und vor allem verachten Sie unsere Strafverfolgungsbehörden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Und Sie sind damit auch mitverantwortlich – wie die Fraktionen, die hier links sitzen – für über 20 000 Einstellungen in Kindesmissbrauchsfällen Jahr für Jahr. Das sind 20 000 Kapitulationen des Rechtsstaats in jedem Jahr.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Da sind wir nicht für verantwortlich! Da sind wir nicht zuständig!)
Wir legen Ihnen hier und heute abstimmungsreife Gesetzentwürfe vor, und ich kann den Kollegen hier links nur empfehlen: Geben Sie – so empfinde ich das – Ihre zynischen Ablenkungsmanöver endlich auf.
(Zuruf des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Verweisen Sie nicht länger auf Prävention oder Quick Freeze. Stellen Sie sich doch endlich einmal der Frage, die Ihnen Opfer oder Angehörige von Opfern stellen: Was machen Sie denn mit den Tätern, wenn Prävention nicht funktioniert und wenn – in fast allen Fällen – Quick Freeze nichts nützt? Sagen Sie denen, dass sie Pech gehabt haben? Haben Sie eine Antwort für sie? Sie haben eben keine Antwort, und das ist nicht verantwortlich. Diese Opfer haben Anspruch auf eine Antwort des Rechtsstaates.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP])
Meine Damen und Herren, Sie hier links haben die Wahl: Sie können unseren Gesetzentwürfen sehr schnell zustimmen, oder Sie können Kinder weiter leiden lassen. Schützen Sie nicht länger die Täter, sondern helfen Sie den Opfern.
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade hat die Union im Bundesrat das Sicherheitspaket blockiert!)
Befreien Sie die Opfer aus ihrem Martyrium, und sorgen Sie dafür, dass die Täter endlich ihre gerechte Strafe erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618758 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO |