Daniel BaldySPD - Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich kann Sie beruhigen: Es ist nicht meine Absicht, dass das meine letzte Rede im Deutschen Bundestag ist.
EuGH, VDS und IP, TKG, BKA und Quick Freeze – das klingt alles so ein bisschen wie ein Hit der Fantastischen Vier aus dem Jahr 1999. Und die ganze Debatte um IP-Adressen-Speicherung ist gefühlt genauso alt; denn schon 2007 hatte der Deutsche Bundestag erstmals eine Vorratsdatenspeicherung beschlossen.
Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es grob um drei Arten von Daten: Einmal geht es um Verbindungsdaten, also: „Wer hat wann mit wem Kontakt gehabt, beispielsweise telefonisch?“, um Standortdaten: „Wer hat sich wann wo aufgehalten, beispielsweise während eines Telefonats?“, und eben um IP-Adressen: Welche IP-Adresse hat wann wem gehört? – Mit dem Kampfbegriff der Vorratsdatenspeicherung – Herr Lieb, den haben Sie auch gebracht – schmeißt man alle diese Daten in einen Topf. Dieser Begriff, der immer wieder gebracht wird, ist am Ende nichts anderes als ein Gespenst, der mit der heutigen Debatte um die Speicherung von IP-Adressen, also einem kleinen Teil dieser Daten, nur noch wenig zu tun hat. IP-Adressen-Speicherung ist nicht der Weg in einen Orwell’schen Überwachungsstaat, sondern die notwendige Antwort auf Strafverfolgung im digitalen Zeitalter, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Gut!)
Wofür genau werden diese IP-Adressen eigentlich genutzt? Knapp 90 000 strafrechtlich relevante Meldungen über Missbrauchsdarstellungen aus den USA, sogenannte NCMEC-Meldungen, gingen im letzten Jahr beim BKA ein. Davon haben 98,4 Prozent eine IP-Adresse – als den ersten und meist auch einzigen, vor allen Dingen aber als den wichtigsten Ermittlungsansatz. Und dennoch können letztendlich nur vier von zehn Meldungen über die IP-Adresse aufgeklärt werden, obwohl dies der schnellste und für die Ermittlerinnen und Ermittler auch der einfachste Weg ist. In manchen Fällen kann über andere, zeitintensivere Wege ein Täter festgestellt werden. Aber ein Viertel aller Fälle bleibt am Ende unaufgeklärt, weil die IP-Adressen eben nicht mehr zugeordnet werden können.
Mit einer Speicherfrist von vier Wochen hätten wir laut BKA bereits eine Erfolgsquote von mehr als 90 Prozent. Wir hätten also definitiv mehr und schnellere Ermittlungserfolge! Stattdessen müssen in Deutschland jährlich knapp 25 000 solcher Verfahren eingestellt werden, Tendenz steigend. All diese Zahlen machen deutlich: Wir brauchen die Speicherung von IP-Adressen dringender denn je, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jetzt liegen dazu drei Gesetzentwürfe vor:
Der Quick-Freeze-Entwurf der FDP wird an der aktuellen Situation schlichtweg nichts ändern. Ein Viertel der Täter wird auch in Zukunft entkommen. Dieser Gesetzentwurf ist im Prinzip nutzlos. Alles andere, was man dazu sagen könnte, kann man sich sparen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dann gibt es einen Gesetzentwurf des Bundesrates, für den ich sehr dankbar bin. Einen Monat soll die IP-Adresse bei den Internetanbietern gespeichert werden. Das ist vernünftig! Denn der EuGH nennt in seinem Urteil die Möglichkeit der Speicherung ausdrücklich. Er stellt aber eben auch fest – auch das berücksichtigt der Entwurf –, dass die Frist das „absolut notwendige Maß“ nicht überschreiten darf. Ich finde, der Bundesrat macht da einen sehr guten Vorschlag, und wir sollten als Regierung und Opposition in der verbleibenden Legislaturperiode prüfen, ob das auch für uns ein gangbarer Weg ist.
(Beifall bei der SPD)
Und dann gibt es da noch den dritten Gesetzentwurf der Union. Frau Lindholz, Sie haben eben angedeutet, der wäre im Prinzip gleich. Ist er nicht! Sie zitieren in Ihrem Entwurf sehr ausführlich das Urteil des EuGH, nur den Passus, die Speicherfrist auf das absolut notwendige Maß zu senken, lassen Sie komplett weg und ignorieren ihn einfach.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Was will denn die SPD jetzt konkret? Was wollen Sie denn?)
Und das reiht sich ja ein in Ihre bisherigen Anträge. Im Frühjahr haben wir noch über eine Speicherfrist von sechs Monaten diskutiert; jetzt sind Sie plötzlich bei drei Monaten. Mich erinnert das bei Ihnen eher an wildes Zahlenraten als an eine seriöse Grundrechtsabwägung, liebe Unionsfraktion.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn? Was ist denn Ihr Plan?)
Das passt bei Ihnen genau in das Bild der letzten Jahre.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Zahl? Sagen Sie uns mal eine Zahl! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau, sagen Sie uns mal eine Zahl! Einen Monat, zwei Monate? Unglaublich, ehrlich!)
Sie haben auch in dieser Debatte wieder einmal betont, wie wichtig die IP-Adressen-Speicherung zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt ist. Und da haben Sie auch absolut recht! Jedes betroffene Kind ist eines zu viel, und die Zahlen, die wir kennen, betreffen ja auch nur das Hellfeld.
(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
– Weil Sie die ganze Zeit dazwischenrufen und fragen, was meine Zahl ist, möchte ich sagen: Hätten Sie mir eben zugehört und sich nicht die Krawatte gerichtet, Herr Krings, dann wüssten Sie es. Ich habe nämlich gesagt: Der Bundesratsentwurf ist sehr gut.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Werden Sie mal nicht persönlich hier!)
– Ich muss das ja sagen; denn Sie haben offenbar nicht zugehört.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich Ihre Krawatte? Das ist ja purer Krawattenneid!)
Seit September liegt das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen auf dem Tisch. Und es ist dringend notwendig, dass es noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird. Denn: Dieses Gesetz war bereits in der Anhörung. Alle Sachverständigen waren der Meinung, dass es ein gutes Gesetz ist, das auch dringend gebraucht wird. Es wird überparteilich als notwendig angesehen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle – das mache ich immer und immer wieder – für dieses Gesetz werben: Es schafft Schutzkonzepte an den Freizeitorten, an denen sich Kinder aufhalten. Es gibt Betroffenen das Recht auf Akteneinsicht. Es unterstützt sie bei der Aufarbeitung. Und es bringt das Thema in die Öffentlichkeit – dort, wo es notwendigerweise auch hingehört.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Schutz vor sexualisierter Gewalt ist nicht nur Strafverfolgung, sondern es ist auch Aufarbeitung und Prävention. Das gehört alles zusammen. Das haben Sie in den letzten Jahren übrigens immer vollkommen vergessen.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Falsch!)
Deshalb mein Appell: Wenn wir hier schon über Strafverfolgung reden – hoffentlich kommen wir in den nächsten Wochen oder Monaten zu einem Ergebnis –, –
Herr Kollege.
– dann müssen wir auch beim UBSKM-Gesetz vorankommen.
(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie übrigens die Chance, etwas für Kinderschutz zu tun!)
Dazu sind Sie herzlich eingeladen. Wenn Ihnen etwas daran liegt, dann machen Sie das doch.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 203 |
Agenda Item | Mindestspeicherung von IP-Adressen, StPO |