05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 203 / Zusatzpunkt 9

Derya Türk-NachbaurSPD - Migrationspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen und andere! Wenn die AfD hier wieder einmal von einer „beispiellosen Migrationskrise“ spricht, dann erinnert mich das an eine sehr schlechte Daily Soap: dramatisch, laut und vor allem erfunden.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

Der Antrag liest sich wie eine Mischung aus Stammtischparolen und Panikmache. Wir sehen: Die Währung der Populisten bleibt stabil. Doch heute stehen wir hier, um Fakten gegen Fantasie zu setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Spannend ist auch, dass die AfD es schafft, von steigenden Zahlen seit 2022 zu sprechen, ohne den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu erwähnen. Und ich frage mich: Warum mussten denn die Menschen aus der Ukraine überhaupt fliehen?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die meinen wir überhaupt nicht!)

Wer ist denn der Verursacher dieser Fluchtbewegung?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Über die reden wir überhaupt nicht!)

Sie bringen es nicht mal über die Lippen, Putin als Aggressor zu benennen, und das ist ziemlich entlarvend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch Realität schlägt Panik, Fakten statt Mythen.

Die Zahl der Asylanträge ist gesunken. Ja, die Zahl der Asylanträge sinkt drastisch. Beispielsweise ist im Vergleich zum Oktober letzten Jahres ein Rückgang von über 50 Prozent zu verzeichnen, im November setzte sich dieser Trend fort. Und das wissen die Damen und Herren hier rechts außen sehr wohl. Das ist ein Ergebnis klarer, kluger Maßnahmen der Bundesregierung, nicht das Ergebnis eines Grenzzauns, wie ihn die AfD hier fordert. Die Regierung handelt pragmatisch. Die AfD aber ruft nach Scheinlösungen, die nichts anderes sind als Symbolpolitik für die eigene Anhängerschaft.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Der Grenzzaun von Polen funktioniert gut!)

Die gezielte Steuerung der Migration, engere Abkommen mit Herkunftsländern und eine effizientere Verwaltung zeigen Wirkung. Ich sage es noch mal, in der Hoffnung, dass es bei Ihnen ankommt: Die Zahlen sind gesunken.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir haben den höchsten Stand!)

Der AfD geht allerdings die Düse, so scheint es jedenfalls; denn in der Welt wird es ziemlich eng, wenn die Realität zeigt, dass es Verantwortungsträgerinnen und -träger gibt, die für Lösungen pauken, statt nur immer nur populistisch zu poltern. Also, was machen Sie? Das, was Sie immer machen, wenn Sie Angst haben, aus der öffentlichen Debatte zu fliegen: Sie schreiben einen Antrag zum Thema Migration. In der öffentlichen Debatte kommen Sie momentan nämlich nur vor wegen der Mitgliedschaften einiger Ihrer Mitglieder in terroristischen Vereinigungen, wegen Gastprofessuren in Russland und wegen Spionageskandalen.

Schauen wir uns also mal an, was die Blaumaler hier fordern: jeden zurückweisen, der ein Asylgesuch stellt. Entschuldigung, aber Sie wissen schon, dass das ein verfassungsrechtlicher Rohrkrepierer ist? Von Dublin III haben Sie wahrscheinlich auch noch nichts gehört.

(Martin Hess [AfD]: Gucken Sie mal in Artikel 16a Grundgesetz! – Gegenruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber von Karlsruhe haben Sie gehört?)

Offenbar haben Sie in der Fraktion übersehen, dass das weder menschenrechtskonform noch rechtlich abgedeckt ist. Und dazu der Vorschlag, Grenzzäune zu errichten!

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Zurückweisen ist rechtskonform!)

Meine Damen und Herren, Deutschland ist kein Freiluftgefängnis. Wir sind mit Leib und Seele überzeugte Europäerinnen und Europäer. Wir setzen nicht auf Abschottung, sondern auf Kooperation in Europa.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Norbert Kleinwächter [AfD]: Bürgergeld für alle!)

Sie haben Europa nicht verstanden. Sie verlieren sich im Klein-Klein eines Nationalismus, der wirklich aus dem letzten Jahrtausend stammt. Die AfD suggeriert, Deutschland sei durch Migration im Chaos versunken; alle Migrantinnen und Migranten seien Gefährder, Straftäter.

(Martin Hess [AfD]: Das ist Quatsch, und das wissen Sie auch!)

Ja, unter den Menschen, die zu uns kommen, gibt es vereinzelt auch Straftäter und Gefährder, die man nun verstärkt abschiebt. Aber diese Straftäter und Gefährder, die sich gegen unsere Demokratie richten, gibt es auch in Ihren Reihen. Wohin wollen wir denn bitte die abschieben?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Ablenkungsmanöver sind echt durchschaubar und billig. Sie wollen keine lösungsorientierten, vielfältigen Maßnahmen. Es gibt nicht die eine Maßnahme. Sie verkaufen Abschiebungen als Allheilmittel, und das ist wirklich Populismus on the rocks.

(Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])

Und wenn die Abschiebungen in einige Herkunftsländer nicht gut klappen, dann soll man eben die Entwicklungszusammenarbeit streichen oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit abschaffen, um Staaten zu erpressen.

(Zurufe von der AfD)

Das heißt, Sie wollen für noch mehr Fluchtursachen kämpfen. Ja, super, das ist keine Diplomatie auf internationalem Parkett, sondern billige Stammtischdiplomatie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

So verspielt man Vertrauen in die künftige Zusammenarbeit mit den Staaten, auf deren partnerschaftliche Zusammenarbeit wir als Deutschland dringend angewiesen sind.

(Martin Hess [AfD]: Wer wirklich Vertrauen verspielt, das ist die Außenministerin!)

Ich möchte gar nicht wissen, wessen Feder dieser geniale Vorschlag überhaupt entspringt. Wahrscheinlich waren es genau diejenigen, die dafür plädieren, den Abschiebestopp nach Syrien auszusetzen. Offenbar verschließen Sie auch da die Augen vor der Realität. Wissen Sie überhaupt nicht, was gerade in Syrien los ist? Schauen Sie doch mal Nachrichten!

Was bleibt: Der AfD-Antrag ist ein leeres Versprechen. Der Antrag der AfD mag als tapferer Versuch erscheinen, die angebliche Invasion zu stoppen; aber in Wahrheit ist er nichts anderes als ein Sammelsurium aus Angst, Fehlinformation und einer Politik, die wir in Deutschland längst überwunden glaubten. Was Sie als Kehrtwende verkaufen, ist nichts anderes als ein gefährliches Rückwärtsmanöver. Eine Politik, die Menschenrechte ignoriert, löst keine Probleme, sondern schafft neue.

Unser Weg ist klar: Wir setzen auf internationale Zusammenarbeit, Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit. Sie mögen vielleicht den Applaus von den Rängen des Hasses bekommen, aber Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus stehen für Vernunft, Stabilität und Verantwortung.

(Martin Hess [AfD]: Wir bekommen Applaus von denen, die das hier in Deutschland nicht erleben wollen, im Gegensatz zu Ihnen! Genau so!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Knut Gerschau [FDP])

Dr. Gottfried Curio für die AfD-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der AfD)

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Electoral Period 20
Session 203
Agenda Item Migrationspolitik
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