05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 9

Lamya KaddorDIE GRÜNEN - Migrationspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Tagesordnungspunkte der AfD wiederholen sich mittlerweile im Sitzungswochentakt. Heute lautet einer ihrer Anträge „Kehrtwende in der Migrationspolitik jetzt einleiten – Maßnahmen zur sofortigen Beendigung der illegalen Einwanderungsströme treffen“. Und der zweite Antrag lautet „Zurückweisung von Asylantragstellern ohne Visum oder gültigen Aufenthaltstitel an der Bundesgrenze – Pilotversuch umgehend starten“.

(Beifall bei der AfD – Bernd Schattner [AfD]: Das muss man jetzt tun!)

So ist das, wenn man keine Ideen hat, wenn einem nichts einfällt.

Ich könnte jetzt natürlich einfach meine Reden der letzten Wochen und Monate wiederholen. Das mache ich natürlich nicht; denn die Einfallslosigkeit überlasse ich Ihnen. Oder liegt Ihre Einfallslosigkeit vielleicht daran, dass Ihnen Ihr eigener Leitantrag zum Wahlprogramm peinlich ist oder Sie ihn gerne verheimlichen wollen? Denn dort findet sich nämlich allerhand Unsinn – anders kann ich es nicht sagen –, wie Klimawandelleugnung oder Marktradikalismus, der schon andere Volkswirtschaften in den Ruin getrieben hat.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Wohin es mit der Wirtschaft nach einem EU-Austritt geht, sehen wir eindrücklich in UK. Sie geben sich als Partei der einfachen Leute, wollen aber Erbschaft- und Vermögensteuer abschaffen.

(Zuruf von der AfD: Zum Thema!)

Sie wollen den Mieterschutz streichen und die abschlagsfreie Rente erst nach 45 Beitragsjahren, unabhängig vom Alter.

(Bernd Schattner [AfD]: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

Sie wollen Menschen arbeiten lassen, solange sie noch irgendwie Leben in sich haben.

Dass Sie sich außenpolitisch Russland anbiedern, ist nicht neu. Aber danke, dass Sie es wenigstens weiter schriftlich festhalten, wenn Sie schon nicht darüber reden wollen. Bekanntlich genauso unsinnig und gefährlich sind Ihre Asyl- und Migrationsideologien.

Ja, das ist sicher alles unangenehm für Sie. Doch anders, als Sie es wollen, werden Sie uns nicht mundtot machen, und auch die Medien werden weiter die unangenehmen Wahrheiten über Sie dokumentieren. Ihre Politik zu entlarven, ist keine politische Benachteiligung oder undemokratische Ausgrenzung der AfD. Es ist verfassungsfeindlicher Imperativ.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Verfassungsfeindlicher Imperativ, genau!)

Es ist Ausdruck von Meinungsfreiheit.

Und apropos Meinungsfreiheit. Überall lamentieren gerade Sie – das werden wir ja morgen auch noch hören –, dass die Meinungsfreiheit gefährdet sei, nur weil Sie in Ruhe Ausländer, Muslime und andere Minderheiten beschimpfen wollen, ohne lästigen Widerspruch. Fordern Sie das ruhig. Aber seien Sie doch endlich mal ehrlich, und übertölpeln Sie Ihre eigenen Wähler nicht.

Wir Grüne sollen uns beleidigen, bedrohen lassen. Alles durch die Meinungsfreiheit gedeckt! Und währenddessen träumen Sie sich Meinungsfreiheit und andere Freiheiten weg und wollen Klimafolgenforschung, Geschlechterforschung, Pandemieforschung abschaffen. So wie Sie Migration unterbinden wollen, wollen Sie auch alles andere unterbinden. Schöne autoritäre Welt!

(Zuruf von der AfD: Das macht schon der Wähler!)

Wahr ist, was die AfD sagt, oder? Sonst nichts? Das ist doch lächerlich. Sie müssen Ihre Wählerinnen und Wähler schon für außerordentlich dumm halten, wenn Sie im ersten Satz vor Zensur warnen, um dann im zweiten Satz die Forschung zu zensieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Hohes Haus, gerade weil ich als Deutsche, die eine Frau ist, eine Muslimin – und das mit Migrationsgeschichte – und damit gerne Ihr Feindbild und Ihr Angriffsobjekt bin, interessieren mich Ihre Pläne für Menschen wie mich natürlich sehr.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Sie wollen islamischen – wohlgemerkt: nicht islamistischen – Organisationen den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts verwehren. Bravo! Das wird Deutschland total nach vorne bringen, wenn Sie das hinkriegen. Wir wollen lieber – und ich glaube, das wollen viele hier im Haus –, dass diese Organisationen auf der Basis unserer rechtsstaatlichen Grundordnung mithelfen, unser Gemeinwesen zukunftsfest zu machen.

Warum hat es eigentlich Ihr Lieblingsbegriff „Remigration“ nicht in den Leitantrag geschafft? Sie haben doch genug Mitglieder und Wähler, die – sagen Sie es doch mal klar – Menschen wie mich am liebsten deportieren wollen.

(Zurufe von der AfD)

War selbst Ihnen das zu radikal? Bestimmt nicht. Ihre bayerischen Parteifreunde haben doch eine Resolution zur Remigration verabschiedet und wollen Personengruppen mit – Zitat – „schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit“ und -willigkeit zurückführen. Und was „schwach ausgeprägt“ heißt, bestimmt natürlich die AfD. Richtig? Ein Schlaraffenland für Rechtsextremisten!

Selbst was Sie offenkundig im Bereich der Migration planen, ist hanebüchen. Nationale Grenzkontrollen sind auf Dauer nicht machbar. Asylverfahren außerhalb der EU haben schon Briten und Italiener nicht geschafft. Statt Arbeitserlaubnis ist verpflichtende gemeinnützige Arbeit vorgesehen, also modernes Sklaventum. Na, herzlichen Glückwunsch!

(Dr. Christian Wirth [AfD]: Das steht im Gesetz!)

Und dann wollen Sie zum Staatsangehörigkeitsrecht von vor 1990 zurück. Wissen das eigentlich jene hart arbeitenden Menschen mit Migrationshintergrund, die Sie zu umgarnen versuchen, wenn Sie Menschen in gute und böse Migranten aufteilen? Sagen Sie den Menschen einfach die Wahrheit, was in Ihren Hinterzimmern eigentlich geplant wird. Vielleicht merkt dann auch der Allerletzte in diesem Land, wofür Ihre Partei meines Erachtens steht:

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie haben Robert Habeck!)

Ausgrenzung, Abwertung, Diskriminierung, Extremismus und Rassismus.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Philipp Amthor für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618794
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Migrationspolitik
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