Sebastian FiedlerSPD - Migrationspolitik
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein AfD-Antrag – Herr Baumann ist wieder zurückgekehrt – und wieder werden Begriffe bzw. Aussagen ins Feld geführt wie „Albtraum“, „Massenzustrom begrenzen, weil das Leben kostet“ – ich habe gerade mitgeschrieben –, „Schicksalsfrage für Deutschland“; darunter geht es nicht. Leid und Opfer der Bevölkerung spielen eine Rolle.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Machen Sie sich nicht lustig!)
Die AfD versucht erneut, Migration und Sicherheit in einen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zu stellen und sich zu gerieren als diejenige, die für Sicherheit und Rechtsstaat steht. Dazu möchte ich Ihnen gerne ein paar Worte sagen.
Erst heute Morgen haben wir gehört, dass Sie auf berechtigte Forderungen aller Sicherheitsbehörden nach IP-Adressen-Speicherung mit irgendwelchen Mythen und Verschwörungstheorien antworten. Daran kann man erkennen, wie sehr Sie auf die Sicherheitsbehörden hören, nämlich gar nicht. Sie diffamieren wichtige Ermittlungsinstrumente.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist ja nicht schwer!)
Das haben Sie heute Morgen getan.
Was machen Sie sonst noch? Sie diffamieren eines der wichtigsten Sicherheitsorgane des Bundes und der Länder, den Verfassungsschutz, und delegitimieren ihn in einer Tour und bei jeder Gelegenheit, obwohl da Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Eid auf die Verfassung geschworen haben, obwohl er sich an Recht und Gesetz hält und obwohl gerichtlich unter anderem festgestellt wurde, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Das kann man bei jeder Gelegenheit nur wiederholen.
(Beifall bei der SPD)
Und was wollen Sie noch? Sie wollen – das verschweigen Sie hier – die europäische Sicherheitsarchitektur zerstören, indem Sie aus der EU austreten wollen. Was würde das bedeuten? Ich will das den Bürgerinnen und Bürgern noch einmal erklären. Es gäbe kein Frontex mehr, obwohl diese Sicherheitsagentur für den Schutz unserer Außengrenzen dringend erforderlich ist. Sie ist auf der einen Seite für die Einhaltung der Menschenrechte und auf der anderen Seite für den Grenzschutz Europas verantwortlich. Wir wollen sie ausbauen. Wir hätten kein Europol mehr. Auch diese Organisation müssen wir weiterentwickeln. Wir wünschen uns sogar mehr Verantwortung für Europol. Wir hätten keine Europäische Staatsanwaltschaft, mit der wir auf wichtigen Kriminalitätsfeldern zusammenarbeiten können. Wir hätten keine europäische Koordinierung der Nachrichtendienste. Jeder Polizist und jede Polizistin in Deutschland schlagen sich vor die Stirn bei der Vorstellung, aus der Europäischen Union auszutreten. Das wäre eine Katastrophe für die Sicherheit. Und Sie wagen es, so zu tun, als sprächen sie hier für Sicherheitsinteressen der deutschen Bevölkerung. Ein Witz in Tüten!
(Beifall bei der SPD)
Das ist auch einer der Gründe dafür, warum das bei denjenigen, mit denen man sprechen sollte, unter anderem mit der Gewerkschaft der Polizei und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter, den ich vertreten habe, zu Unvereinbarkeitsbeschlüssen geführt hat. Sie können da gar nicht Mitglied werden, wenn sie gleichzeitig Mitglied der AfD sind. Das hat seinen Grund. Sie sprechen nicht für die Sicherheitsbehörden, und Sie sprechen nicht für die Sicherheit. Sie sprechen vielleicht für den Kreml.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und wie ist die Lage tatsächlich? Es ist doch ganz einfach: Wir können doch vielleicht mal auf Horst Seehofer hören. Er hat ja in den letzten Tagen weise Momente gehabt. Er wird in vielen Medien wie folgt zitiert: „Mittlerweile sei … im Gegensatz zu 2015 und 2016 ‚die Ordnung weitgehend hergestellt.“ Er lobt seine Nachfolgerin, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie habe – Zitat – „schon die richtigen Ansätze, es unter Kontrolle zu bringen, gerade was Europa angeht“. Das sagt jemand, der mal die Migration als „Mutter aller Probleme“ bezeichnet hat. Ich verstehe gar nicht, warum heute irgendwie keiner darauf hört und von der Union keiner darauf zu sprechen kommt. Das ist so inkonsistent. Wollen Sie den Herrn Seehofer jetzt rausschmeißen? Ich verstehe es gar nicht.
(Josef Oster [CDU/CSU]: Soll das witzig sein, oder was?)
Also offensichtlich ist die Lage doch ganz anders, als hier insinuiert wird.
Ich habe gestern noch mal mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei und mit meinem Nachfolger beim Bund Deutscher Kriminalbeamter gesprochen und sie, die Interessenvertreter der Sicherheitsbehörden, gefragt, was sie eigentlich von den Vorschlägen der Zurückweisung halten. Die Haltung da ist eindeutig. Sie sagen nämlich, sie wollten kein politisches Experiment auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Genau!)
Das wollen sie nicht haben. Sie weisen darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung diese Vorschläge der Zurückweisung nicht mitgeht.
Oder wollen Sie eine Notlage ausrufen? Ist das Ihr Ernst? Was würde das bedeuten? Würde das Rechtssicherheit schaffen, wenn das so wäre, oder müsste nicht vielmehr gewartet werden, bis der Europäische Gerichtshof anschließend erneut entschieden hätte? Wie würden solche Verfahren eigentlich aussehen? Darauf weist die GdP hin: Es würde die einzelne Polizistin oder der einzelne Polizist, der die Maßnahmen ausführt, verklagt werden. Wollen Sie das wirklich auf dem Rücken der Beschäftigten unserer Sicherheitsbehörden austragen? Ist das Ihre Position? Ich kann Ihnen sagen: Wir machen das nicht mit. Wir stehen hinter unserer Polizei.
(Beifall bei der SPD)
Das tun wir allemal, weil wir sehen – ich wiederhole da im Prinzip das, was Horst Seehofer in weiser Erkenntnis beschrieben hat –: Wir sind erfolgreich. Ohne uns gäbe es gar kein Gemeinsames Europäisches Asylsystem. Unsere Bundesinnenministerin hat es geschafft, erfolgreich in Europa zu verhandeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Erfolgreich dysfunktionale Systeme etabliert!)
Ich verstehe gar nicht, warum Sie das nicht mal loben können. Wieso kriegen Sie das denn eigentlich nicht hin? Nur weil Wahlkampf ist? Sagen Sie doch den Leuten, dass wir in Wahrheit gerade erfolgreiche Zeiten haben!
(Lachen des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD] – Zuruf des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])
Ich will schließen und folgenden Satz an die rechtsextremen Gröler hier rechts außen im Plenum, aber auch mit großer Ernsthaftigkeit an die Bevölkerung richten.
(Martin Hess [AfD]: Sie täuschen die Bevölkerung! Das hat nichts mit Ernsthaftigkeit zu tun! Das ist das glatte Gegenteil! Das grenzt an Niedertracht!)
Bei all den Debatten, die wir hier führen, gilt aus Sicht aller Sicherheitsbehörden, die sehr viel Erfahrung haben, ein Kernsatz: Europa ist in Fragen der Sicherheit und der Kriminalitätsbekämpfung nicht das Problem, sondern die Lösung. Also: Schauen Sie mit uns sicher nach vorn!
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Silke Launert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 203 |
Agenda Item | Migrationspolitik |