Carl-Julius CronenbergFDP - Aktuelle Stunde: Wirtschaftswende, Mercosur-Abkommen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Siehe da: Die FDP-Fraktion beantragt eine Aktuelle Stunde zum Mercosur-Abkommen, und der Durchbruch wird gemeldet. Das wünschte ich mir bei vielen anderen Vorhaben und Initiativen meiner Fraktion auch.
(Beifall bei der FDP)
Der Durchbruch für das Mercosur-Abkommen ist ein Durchbruch für den Freihandel weltweit. Endlich – endlich! – ein positives Signal. Nach 24 langen Verhandlungsjahren entsteht jetzt die größte Freihandelszone der Welt – und damit jede Menge Chancen für Wachstum und Wohlstand, für weniger Abhängigkeiten bei Rohstoffen zum Beispiel und für mehr Diversifizierung. Ganz besonders profitiert unser Mittelstand: mehr Chancen für unsere Maschinenbauer oder Hersteller von Medizinprodukten, mehr Chancen auch für unsere Partner in Südamerika, ihre Wertschöpfungsketten nachhaltig zu modernisieren, und Marktzugang für ihre Exportindustrien. Um es sehr deutlich zu sagen: Das ist gut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Isabel Cademartori Dujisin [SPD])
Der Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens ist ein Lichtblick in ansonsten düsteren Zeiten für den Multilateralismus. Erinnern wir uns an die drei handelspolitischen Nachrichten der letzten Wochen: Donald Trump kündigt hohe Einfuhrzölle an, er kündigt das USMCA-Abkommen – früher NAFTA – auf, und China will Gallium und Germanium, wichtige Rohstoffe, nicht mehr in die USA exportieren. Das zeigt: Die Welt des Freihandels ist unter Druck. Multilateralismus hat viele Gegner und nur noch wenige Unterstützer.
Der aufziehende Handelskrieg zwischen den USA und China bedroht unmittelbar Wohlstand und Wachstum bei uns in Deutschland. Machen wir uns nichts vor: Wir sind vulnerabler als jede andere große Volkswirtschaft der Welt. Jeder dritte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab. Im verarbeitenden Gewerbe sind es sogar 50 Prozent. Deshalb brauchen wir mehr und neue Abkommen in der Welt. Mercosur kann und muss Startblock und nicht Ziellinie der europäischen Handelspolitik sein, ein Beschleuniger für die Abkommen, die noch in der Schwebe sind.
(Beifall bei der FDP)
In Indien, Indonesien, Australien und auch in Afrika wartet man auf pragmatische Vorschläge aus Brüssel. Worauf man nicht wartet, sind Belehrungen, Bürokratie und überzogene Standards. China steht vor der Tür. Ich veranschauliche das an einer Zahl. Im Jahr 2000, zu Beginn der Mercosur-Verhandlungen, betrug Europas Anteil am Mercosur-Außenhandel 31 Prozent. Chinas Anteil lag damals bei 2 Prozent. Heute haben wir einen Anteil von 15 Prozent, China von 31 Prozent. Unser Anteil hat sich halbiert, der Chinas mehr als verzehnfacht. Mit anderen Worten: Während die EU 24 Jahre lang verhandelt, hat China die Geschäfte gemacht. Das darf uns nicht noch einmal passieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Dennoch: Geopolitisch ist das Abkommen ein Meilenstein, weil es widerlegt, was China und Russland in ihrer Erklärung vom 5. Februar 2022 behaupteten, nämlich dass es der Westen nicht gut meine mit dem Rest der Welt; man solle sich besser einer globalen antiwestlichen Allianz anschließen. Chinas Hegemonialansprüche und Russlands Kriege dürfen nicht unbeantwortet bleiben. Die europäische Antwort auf China und Russland muss lauten: Mehr regelbasierter Handel auf Basis von multilateralen Abkommen im Rahmen einer reformierten WTO. Das ist unsere Antwort. Das ist unser Angebot an die Welt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Handelsabkommen müssen auf Augenhöhe verhandelt werden. Augenhöhe kann es nicht geben, wenn unsere Partner den Eindruck haben, dass Europa seine Standards auch da durchdrücken will, wo Wirtschaft und Gesellschaft einen anderen Entwicklungsstand haben. Markus Töns und ich haben das in Indien erlebt: „Klar sind wir für Nachhaltigkeit“, sagten uns die Inder. „ Nur: Wir definieren Nachhaltigkeit anders als ihr. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit Zugang zu Bildung, Zugang zu Gesundheit und zu sozialer Mindestsicherung für alle, für 1,4 Milliarden Menschen.“ Ich kann die Inder da verstehen.
Lieferkette, Entwaldung, CBAM, Taxonomie sind unilaterale EU-Gesetze, die den Abschluss neuer Handelsabkommen unnötig erschweren. Das ist falsch. Betroffene beteiligt man – das nennen wir „Multilateralismus“ –, und das ist richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und dass das gelingen kann, sehen wir heute. Deshalb ist heute ein guter Tag für eine regelbasierte internationale Ordnung in der Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Isabel Cademartori hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/7618825 |
Electoral Period | 20 |
Session | 203 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde: Wirtschaftswende, Mercosur-Abkommen |