05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 33

Fabian FunkeSPD - Aktuelle Stunde: Wirtschaftswende, Mercosur-Abkommen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube – und da schließe ich mich dem Großteil des Hauses an –, es ist ein gutes Zeichen, dass wir beim Thema Mercosur vorankommen, dass die Kommissionspräsidentin jetzt auf dem Weg nach Uruguay ist und hoffentlich auch mit der Unterzeichnung wiederkommt.

Es zeigt sich aber auch noch mal deutlich, welche unterschiedlichen Lesarten es hier gibt: angefangen bei der AfD, die sich mal wieder als die Feindin des Multilateralismus stilisiert – da muss man auch sagen: Nationalismus hilft dieser Wirtschaft überhaupt nicht weiter –, bis zur Union, die von Halb- und Unwahrheiten spricht, selber aber welche ausspricht. Denn dass wir grundsätzlich nicht gegen Handelsabkommen sind, haben wir in den letzten Jahren gezeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und dass nicht automatisch jeder, der irgendeinen politischen Anspruch – über den Freihandel an sich hinaus – in der Handelspolitik hat, gleichzeitig Feind der Globalisierung ist, sollte auch irgendwann mal durchdringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss auch sagen: Ich verstehe die Sorgen derjenigen, die das Mercosur-Abkommen kritisch sehen. Ich meine, es geht um die Qualität von Produkten, vor allem um die von Lebensmitteln, es geht um Entwaldung, es geht um Pestizide und Chemikalien. In der Tat: Das Mercosur-Abkommen an sich liefert keine Antwort für jede Eventualität – kann es auch nicht, muss es auch nicht. Der Sinn und Zweck von Handelsabkommen ist es ja nicht, all unsere europäischen, internationalen und nationalen Gesetze zu ersetzen. Das ist das, was man mit Handelspolitik vielleicht in den 2000ern mal versucht hat. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Denn das Mercosur-Abkommen existiert eben nicht in einem Vakuum, es existiert im Rahmen unserer Gesetze, und die gelten weiterhin vollumfänglich: Die Entwaldungsverordnung gilt, die Zwangsarbeitsverordnung gilt, und auch die Lieferkettenrichtlinie gilt weiterhin. Alle deutschen und europäischen Standards für Lebensmittel gelten weiterhin. Begeht ein Unternehmen Rechtsbruch, dann drohen rechtsstaatliche Konsequenzen.

An dieser Stelle auch einen schönen Gruß an alle in der Union und der FDP, die ja einen Großteil dieser Regeln am liebsten sofort wieder streichen würden. Denn Wirtschaftswachstum und starke Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Verbraucher/-innen, das funktioniert nur gemeinsam. Da muss man auch sagen, dass diese Regeln nicht alle nutzlos sind. Wenn man sich nicht nur mit den großen Industriebossen auf dieser Welt unterhält, sondern auch mal mit den Arbeiterinnen und Arbeitern, insbesondere in den Ländern, um die es geht, dann sieht man ja schon, dass das Ganze einen klaren Nutzen hat.

Gleichzeitig will ich betonen: Die Blockadeversuche aus Frankreich und Polen waren bedauerlich und nicht hilfreich. Dort wurde fälschlicherweise der Anschein erweckt, dass der Markt dann mit günstigen südamerikanischen Lebensmitteln kontrolliert überflutet würde. Der Kollege Töns hat das ja schon am Beispiel Rindfleisch widerlegt. Machen wir das der Vollständigkeit halber noch am Beispiel Geflügel. Da reden wir über 180 000 Tonnen und 1,4 Prozent der europäischen Produktion. Man kann beim besten Willen nicht behaupten, dass die europäische Geflügelwirtschaft deswegen vor dem Aus stünde.

(Markus Töns [SPD]: Genau so ist es!)

Frankreich und Polen haben sich hier leider in den protektionistischen Dienst ihrer heimatlichen Agrarkonzerne und deren kurzfristiger Profitinteressen gestellt, anstatt über das langlebige Wohl der europäischen Wirtschaft zu debattieren. Und das haben wir ja nicht nur dort gesehen. Da die Union hier ja auch sehr große Ankündigungen macht: Es ist noch gar nicht so lange her, da haben auch Leute aus Ihren Reihen massiv Stimmung gegen dieses Abkommen gemacht. Sich gleichzeitig in der Öffentlichkeit vermeintlich an die Seite der Bauern zu stellen, Stimmung zu machen und hier zu erklären, dass alle anderen zu langsam wären und kein Interesse an Freihandel hätten, das ergibt wenig Sinn. Da würde ich mir mehr Klarheit von der Union wünschen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen nun gemeinsam daran arbeiten, dass das Abkommen jetzt auch endlich in Kraft treten kann. Das wird, glaube ich, noch ein großes Stück Arbeit. Und wir müssen auch feststellen, meine Damen und Herren: Handel ist kein Selbstzweck. Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck. Alle Wirtschaftspolitik muss einem Ziel dienen: Schaffung von Wohlstand. Da reden wir nicht über die jährliche Bonusrunde der Spitzenmanager, sondern über das Geld in den Taschen aller, die mit harter Arbeit dieses Land aufbauen, weiterentwickeln und zum Wachsen bringen.

Handelsabkommen müssen dafür sorgen, dass mehr gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Handelsabkommen müssen dafür sorgen, dass die Herstellung der Produkte günstiger wird, damit sich die Leute mehr leisten können. Handelsabkommen müssen dafür sorgen, dass die Preise für Rohstoffe bei der nächsten Krise nicht durch die Decke gehen, weil wir uns zeitnah Gedanken über verlässliche und resiliente Lieferbeziehungen gemacht haben. Denn am Ende gilt: Die Wirtschaft muss denen dienen, die täglich dafür arbeiten,

(Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig!)

und das sind vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land und die Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt. In dieser Tradition und Verantwortung stehen wir. Deswegen freuen wir uns, weiter an diesem Thema zu arbeiten, gerne auch mit allen demokratischen Fraktionen hier im Hause.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Schraps [SPD]: Sehr gut!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618838
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Wirtschaftswende, Mercosur-Abkommen
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