Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche es jetzt noch mal sachlich,
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
in dem Ton, der diesem Thema angemessen ist; denn es geht um Leben und Tod des Ungeborenen. Davon habe ich bei Ihnen, liebe Kollegin, nichts gehört.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Robert Farle [fraktionslos] und Thomas Seitz [fraktionslos] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nichts! Kein Wort! – Nina Warken [CDU/CSU]: Weil es ihr egal ist!)
Rot-Rot-Grün legt uns hier einen Gesetzentwurf zur weitgehenden Streichung von § 218 vor, für den es in der Ampel keine Mehrheit gab – also ein bisschen Resteverwertung auf den letzten Metern dieser Wahlperiode –, im Schnelldurchgang und ohne gesellschaftliche Debatte, aber dafür mit falschen Narrativen,
(Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie das sachlich, Frau Kollegin?)
die wir auch jetzt gerade wieder gehört haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sonja Eichwede [SPD]: Sie akzeptieren doch nicht die Mehrheit der Bevölkerung!)
Als Union stehen wir zu der geltenden Regelung. Ich möchte noch einmal beschreiben, was die geltende Regelung ist: Sie garantiert – Stand heute – das Selbstbestimmungsrecht und die alleinige Entscheidung der Frau darüber, ob sie ihre Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen will. Sie kann nach der Beratung frei entscheiden. Sie braucht sich nirgendwo dafür zu rechtfertigen und hat unmittelbaren Zugang zur ärztlichen Versorgung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bettina Müller [SPD]: Das stimmt einfach nicht!)
Die heutige Regelung beachtet aber auch das Lebensrecht des Kindes; auch das muss zur Sprache gebracht werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir tragen weder einen Abbau des Schutzes noch die Gleichsetzung mit einer beliebigen ärztlichen Heilbehandlung mit, aber auch nicht eine Verschärfung, wie sie jetzt vonseiten der AfD ins Spiel gebracht wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will ausführen, warum das Narrativ der Kriminalisierung, das ja auch hier wieder vorgetragen wurde, falsch ist; und ich sage: bewusst falsch. § 218 muss immer zusammen mit dem folgenden Paragrafen, § 218a, gelesen werden. Wer den noch nicht gelesen hat, könnte ihn jetzt mal googeln. Dann sieht man, dass schon in der Überschrift steht: „Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“. Da steht: § 218 gilt nicht unter drei einfachen und klaren Bedingungen: Beratung, drei Tage Wartefrist bis zum Abbruch und Einhaltung der Zwölf-Wochen-Frist ab der Zeugung. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann ist der Weg zum völlig risikolosen Abbruch durch einen Arzt oder eine Ärztin frei. Dazu stehen wir als Union uneingeschränkt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Schauen wir doch mal die Praxis an; auch die kam gerade nicht vor.
(Lachen der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Bei circa 100 000 Abbrüchen pro Jahr nach der Beratungslösung gibt es keine Verfahren gegen die Schwangere oder gegen die Ärzte. Diese Fakten verschleiern Sie so gut es geht in dieser Debatte. Selbst im Kommissionsbericht kam das nicht vor,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jede Frau macht sich strafbar, Frau Kollegin!)
was aus meiner Sicht ein Schlaglicht auf die Wissenschaftlichkeit der Kommission wirft.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diskreditierung von anerkannten Wissenschaftlerinnen!)
Die wenigen Anwendungsfälle von § 218 betreffen übrigens typischerweise die gewalttätigen Partner der Frauen, die bei Übergriffen eine Fehlgeburt auslösen.
Sie wollen den Abbruch im ersten Drittel der Schwangerschaft für rechtmäßig erklären. Heute ist der Abbruch rechtswidrig, aber – und das ist doch für die Frau entscheidend – straflos. Das ist übrigens kein Einzelfall. Es gibt auch andere Dinge, bei denen die Rechtswidrigkeit gegeben ist,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein vergleichbares Gesetz!)
aber nicht die Strafbarkeit, zum Beispiel bei der fahrlässigen Sachbeschädigung. Hier jetzt zu einer Rechtmäßigkeit zu kommen, wäre ein Paradigmenwechsel. Das wäre unvereinbar mit der Menschenwürde und dem Lebensrecht des Kindes,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Robert Farle [fraktionslos] und Thomas Seitz [fraktionslos])
das das Bundesverfassungsgericht hergeleitet und bestätigt hat: Das Ungeborene entwickelt sich von der Zeugung an als Mensch und nicht zum Menschen,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
individueller Mensch von Anfang an, nicht erst ab Geburt, vorher nicht bloß Schwangerschaftsgewebe. Das sind die medizinischen Fakten; das können Sie auch noch mal nachlesen in einem Brief von 30 Professoren, der bei uns allen heute angekommen ist.
Die Beendigung menschlichen Lebens kann im Rechtsstaat nur gerechtfertigt sein, wenn es eine nachgewiesene Rechtfertigungssituation, Notwehr oder Notstand gibt. Das ist bei Gesundheitsgefahr oder nach einer Vergewaltigung gegeben, aber gerade nicht bei der Beratungslösung. Das ist gerade das Konzept der Beratungslösung: dass man hier nicht in eine Prüfung einsteigt, sondern ja gerade die Entscheidung der Frau akzeptiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat den klugen Kompromiss aufgezeigt, der jetzt gilt: Im ersten Schwangerschaftsdrittel auf das Strafrecht zu verzichten, auf Hilfe statt Strafe zu setzen, damit die Schwangere ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen kann, das Kind letztlich mit der Mutter geschützt wird.
Frau Kollegin.
Diese Lösung halten wir für pragmatisch. Dazu stehen wir als Union.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Thomas Seitz [fraktionslos])
Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618842 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs |