Sonja EichwedeSPD - Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Wir führen heute eine Debatte, die in unserer Gesellschaft länger andauert, als wir hier alle auf der Welt sind. Seit über 150 Jahren stellt der § 218 Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe. Fast ebenso lang kämpfen Frauen und auch Männer dagegen.
Auch meine Mutter kämpft seit den 1970er-Jahren mit vielen Frauen ihrer Generation für die Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper. Und ja, es sind ganz, ganz häufig Mütter; es geht ganz, ganz häufig um die Entscheidung für oder gegen ein drittes oder viertes Kind. Es sind Frauen, die auch wissen, worum es geht, denen man also diese Entscheidung auch zutrauen kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Heute ist die Gleichberechtigung weiter fortgeschritten als damals. Dennoch haben wir nach Polen und Malta die restriktivste Handhabung dieser Regelung in ganz Europa. Die Zahl der behandelnden Ärztinnen und Ärzte ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Immer mehr Frauen müssen immer weitere Strecken zurücklegen oder sogar ins Ausland gehen, wie vor über 50 Jahren.
Aus diesem Grund haben sich der Deutsche Frauenrat mit 60 Mitgliedsverbänden ebenso wie 73 Sozialverbände klar für eine neue Regelung positioniert, auch die Evangelische Kirche. Vor wenigen Wochen wurde uns Abgeordneten eine Petition übergeben, die nun über 93 000 Unterschriften zählt, die täglich mehr werden. Circa 80 Prozent unserer Bevölkerung sprechen sich klar für die Entkriminalisierung aus.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt gar nicht!)
Und Sie von der Union sagen hier, dass der Kanzler die Bevölkerung spaltet. Wo leben Sie denn? 80 Prozent der deutschen Bevölkerung wollen eine Neuregelung dieser Frage.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nein, wollen sie nicht! Wollen sie nicht! Das stimmt nicht! Einfach mal selbst eine Statistik erstellt!)
Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung hat die verfassungsrechtlichen Grenzen aufgezeigt. Wir haben dem Rechnung getragen. Hier gibt es kein Schnellverfahren, hier gibt es eine lange Auseinandersetzung mit diesem Thema, auch in dieser Legislatur, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Enrico Komning [AfD]: Sie schreien ja genauso rum! Hören Sie mal auf, hier rumzuschreien! Das ist ja unmöglich! Da kriegt man ja Ohrenschmerzen von!)
Dieser Gesetzentwurf mit 328 Unterschriften ist ein Minimalkonsens, gerade um auf Sie als konservative Fraktionen zuzugehen.
(Susanne Hierl [CDU/CSU]: Das ist verfassungswidrig! Ganz einfach!)
Denn der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch ist falsch. Er kriminalisiert Frauen. Er beschneidet die Selbstbestimmung. Er ist gegen eine liberale Gesellschaft. Das schärfste Schwert, das wir haben, ist das Strafrecht. Das Strafrecht muss immer die Ultima Ratio sein. Uns Frauen das Selbstbestimmungsrecht über unseren Körper zu nehmen, ist keine Ultima-Ratio-Entscheidung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Es ist die wohl schwierigste Entscheidung, die man treffen kann, die einen das ganze Leben begleitet. Es ist eine Entscheidung, die wir den Frauen zutrauen müssen und zutrauen können und wofür Frauen sich die Zeit nehmen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicole Westig [FDP])
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ein Punkt noch, sehr geehrte Frau Präsidentin. – Aus rechtlicher Sicht ist diese Regelung, Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker, widersprüchlich.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Denn wir haben hier eine Rechtswidrigkeit: Der Tatbestand ist ausgeschlossen. Das geht rechtlich nicht. Das müssen wir ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken und der Abg. Nicole Westig [FDP] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Keine Ahnung! – Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Das war der Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts!)
Zwischendurch mal durchatmen! – Nächste Rednerin ist Susanne Hierl. Bitte schön.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618856 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs |