Tina RudolphSPD - Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein restriktives, scharfes Abtreibungsrecht und Zugangshürden zu Schwangerschaftsabbrüchen sorgen nicht für weniger, sondern für unsichere Abtreibungen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie sorgen für Leid, sie sorgen für Unsicherheit, für all das, was Frauen gerade in dieser schwierigen Situation nicht gebrauchen können. Und sie schützen weder Frauen noch das ungeborene Leben. Sie schützen niemanden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])
Und es ist eben nicht so – liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ich bitte Sie, darüber besonders nachzudenken –, dass die Situation, wenn wir nichts tun und an dem vermeintlichen Kompromiss der 90er-Jahre festhalten, so bleibt, wie sie ist. Wir haben in den letzten Monaten gesehen – wir haben das vielfach diskutiert, und die ELSA-Studie hat da viel gezeigt –, dass die Versorgungslage dann schlechter zu werden droht.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben das heute in dieser Debatte noch mal dargestellt: Die Hälfte der Stellen, die bereit waren, Abbrüche durchzuführen, ist in den letzten 20 Jahren verschwunden. Das heißt, wir gehen sehenden Auges auf einen Versorgungsmangel zu, wenn wir nichts tun. Auch das ist dann eine Folge der Entscheidung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Als zentrales Argument wird gerade bei Ärztinnen und Ärzten die Kriminalisierung genannt. Die Tatsache, dass das im Strafgesetzbuch steht, hält sie zu über 80 Prozent davon ab, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das ist ein entscheidendes Hindernis, das wir abbauen müssen. Dafür haben wir einen moderaten Antrag vorgelegt, der aus unserer Sicht mehrheitsfähig ist und Unterstützung aus vielen Verbänden erhält. Er manifestiert und spiegelt das wider, was die Wählerinnen und Wähler eigentlich aller demokratischen Parteien mehrheitlich wollen und was schon längst gesellschaftlicher Konsens ist. Das wollen wir nun hier im Parlament beschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Ich möchte Sie bitten, sich die Situation und die Debatten der letzten Wochen, Monate und Jahre zu vergegenwärtigen. Wenn Sie in das Paul-Löbe-Haus gehen, können Sie dort in der mittleren Telefonzelle die Rede einer Kollegin aus dem Jahr 1983 hören, die die Forderung dieses Antrags enthält.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Als die Regierungskommission eingesetzt worden ist, war doch klar, dass da etwas kommt.
(Beatrix von Storch [AfD]: Aber es kam nichts!)
Und glauben Sie wirklich, dass diejenigen, die es bis jetzt nicht geschafft haben, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen, die in den letzten Monaten die mediale Debatte nicht genutzt haben, um bei diesem Thema zu einer Entscheidung zu kommen, dann in ein paar weiteren Monaten oder Jahren zu einer Entscheidung gelangen werden?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Oder ist die Formulierung „später“ eigentlich eine höfliche Umschreibung eines gemeinten „nie“?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir alle sind noch mehrere Wochen Abgeordnete dieses Hohen Hauses. Jetzt aber darauf zu beharren, dass diese Entscheidung davon abhängen sollte, ob es eine Koalitionsmehrheit gibt, das ist schlichtweg falsch. Das ist der falsche Ansatz. Gerade bei einer solchen Gewissensentscheidung ist es doch gut, dass wir weiterhin demonstrieren können, dass wir uns einig sein können, dass es Mehrheiten gibt. Wir gehen nicht davon aus, dass alle von Ihnen dieser Entscheidung zustimmen. Es ist in Ordnung, wenn das nicht alle tun. Was ich nicht in Ordnung fände, wäre, wenn es so aussähe, als gäbe es aus Union und FDP gar keine Zustimmung für diesen Vorschlag.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist aber so! Wir sind da einstimmig in der Fraktion!)
Das entspricht weder der gesellschaftlichen Meinung noch der Ihrer Wählerinnen und Wähler.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Deswegen bitte ich Sie: Ermöglichen Sie in den nächsten Wochen ein geordnetes Verfahren, ermöglichen Sie eine Abstimmung. Lassen Sie uns Geschichte schreiben; es ist nötig. Die Zeit ist jetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618864 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs |