05.12.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 203 / Zusatzpunkt 11

Armin GrauDIE GRÜNEN - Änderung des Transplantationsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Eine junge Frau erleidet durch eine Pilzvergiftung ein schweres Leberversagen, eine neue Leber wird dringend benötigt. Zur gleichen Zeit stirbt ein Mensch durch eine schwere Hirnblutung und befindet sich im Zustand des Hirntods. Der Verstorbene könnte mehrere Leben retten, etwa das der jungen Frau mit Leberversagen. Genauso wie rund 40 Prozent der Deutschen hat der Verstorbene weder schriftlich noch mündlich eine Entscheidung zur Organspende getroffen. Nach der heutigen Zustimmungsregelung sollen die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entscheiden, ob eine Organspende stattfinden kann oder nicht. Und hier beginnt das Problem.

Die Angehörigen sind in einer Extremsituation. Sie stehen am Bett auf der Intensivstation und müssen verstehen, dass ihr geliebter Vater oder Ehemann tot ist, obwohl der Monitor doch noch Herztätigkeit anzeigt.

(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Ja, eben!)

In dieser Phase des Abschiednehmens werden sie jetzt auch noch vor die Entscheidung gestellt: Organspende, ja oder nein?

Als Neurologe habe ich vielfach den Hirntod festgestellt und Angehörigengespräche geführt. Oftmals habe ich erlebt, wie überfordert und ratlos die Angehörigen in dieser Situation sind. Wenn nie über das Thema Organspende gesprochen wurde, ist es kaum möglich, den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu rekonstruieren. In dieser Situation lehnen viele Angehörige aus Unsicherheit eine Organspende ab. Nicht selten wird eine solche Entscheidung später bereut, wenn das Gefühl aufkommt, man hätte mehreren Menschen das Weiterleben ermöglichen, dem Tod der geliebten Person noch einen Sinn verleihen können.

Ich erlebe die heutige Praxis seit vielen Jahren als zutiefst unbefriedigend. Sie lässt definitiv die Chance für viele Organspenden aus. Bei der Widerspruchsregelung werden die Angehörigen genauso intensiv einbezogen wie bisher. Sie werden gefragt, ob ihnen eine Äußerung des Verstorbenen zur Organspende bekannt ist. Die Angehörigen sind Informationsübermittler, aber sie stehen nicht mehr unter dem großen Druck, nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entscheiden zu müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Bei der Organspende müssen das Recht auf Leben der vielen verzweifelten Menschen auf den Wartelisten und das Selbstbestimmungsrecht möglicher Spender beachtet werden. Auch bei der Widerspruchsregelung wird das Selbstbestimmungsrecht gewahrt. Niemand wird gegen seinen Willen zur Organspenderin. Niemand wird zum Objekt degradiert, instrumentalisiert oder verdinglicht. Jeder Mensch gehört weiterhin sich selbst.

Die Widerspruchsregelung ist nicht die alleinige Lösung – die Vorredner haben es schon gesagt –, aber sie ist ein unabdingbares Element bei der Erhöhung der sehr niedrigen Spendezahlen bei uns, nachdem viele bisherige Maßnahmen eben nicht gewirkt haben.

Können Sie bitte zum Schluss kommen?

In allen Ländern mit Widerspruchslösung ist die Spenderate höher als bei uns. Nicht wenige Menschen bei uns erhalten Organe aus Ländern mit Widerspruchsregelung; auch das muss man berücksichtigen.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Im Interesse der Menschen auf den Wartelisten – letzter Satz – und im Interesse der Angehörigen potenzieller Spender plädiere ich ganz entschieden für die Einführung der Widerspruchsregelung.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Es ist ein wirklich sensibles Thema. Deshalb bitte ich Sie sehr, selbst darauf zu achten, dass Sie dann, wenn die Redezeit vorbei ist, möglichst schnell zum Ende kommen.

Das Wort hat jetzt Kristine Lütke.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7618869
Wahlperiode 20
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Änderung des Transplantationsgesetzes
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