Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Änderung des Transplantationsgesetzes
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt in der Debatte von vielen Rednern gehört, die Widerspruchslösung sei ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht, sie sei ethisch nicht vertretbar oder das Selbstbestimmungsrecht würde unter Vorbehalt gestellt.
Aber ist das wirklich so? Die Entscheidung, ob man Organspender sein möchte oder nicht, ist eine höchstpersönliche Frage. Diese Entscheidung muss frei und selbstbestimmt erfolgen; das ist völlig klar.
Aber wie sieht es denn bei der Widerspruchslösung aus? Es bleibt doch dabei: Jeder kann frei entscheiden. Es gibt keine Pflicht zur Organspende, es gibt keine Pflicht zur Solidarität. Niemand wird gezwungen. Jeder kann sich dagegen entscheiden, Organspender zu sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und diese Entscheidung muss auch nicht begründet werden und schon gar nicht gerechtfertigt sein. Die Motive, Nein zu sagen, sind irrelevant; sie werden nicht hinterfragt, und diese höchstpersönliche Entscheidung in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts wird selbstverständlich respektiert. Es dürfen daran keine Nachteile geknüpft werden, nicht gesellschaftlich und schon gar nicht rechtlich.
Die einzige Frage, die sich stellt, ist, ob es zumutbar ist, ob es verhältnismäßig ist, dass wir als Gesetzgeber den Menschen abverlangen, sich zu entscheiden, ihr Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich bin der festen Überzeugung: Ja, das ist zumutbar. Unser Grundgesetz stellt die menschliche Würde in den Mittelpunkt unserer Rechtsordnung. Sie, die Würde, sie ist unantastbarer Fixpunkt und Wertentscheidung für uns als Gesetzgeber und für die Gesellschaft in Gänze.
Das Recht auf Leben aber bildet die vitale Basis der Menschenwürde. Ohne menschliche Existenz, ohne Leben fehlt der individuelle körperliche Bezugspunkt menschlicher Würde. Menschliche Würde und das Recht auf Leben sind also auf das Engste miteinander verbunden. Unsere Rechtsordnung ist also nicht indifferent, wenn menschliches Leben und am Ende menschliche Würde dadurch bedroht werden, dass es zu wenig lebensrettende Organe gibt und deswegen Tausende Menschen sterben. Daraus leitet sich eine Verantwortung, vielleicht sogar eine Pflicht zum Handeln ab.
Demgegenüber: ein Recht auf Schweigen, ein Recht auf In-Ruhe-gelassen-Werden. Ja, auch das sind zentrale rechtliche Kategorien. Wenn es aber auf der anderen Seite um das Recht auf Leben geht, wenn es um die Hoffnung, die Träume, um das nackte Überleben von Menschen und am Ende eben auch um menschliche Würde geht, dann halte ich es für zumutbar, es den Menschen abzuverlangen, sich zu entscheiden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Bartelt [FDP])
Genau das hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1999 in einer Kammerentscheidung schon einmal entschieden: Die Notwendigkeit, einen Widerspruch zu erklären, um sicher auszuschließen, dass man Organspender wird, verletzt niemanden in seinen Grundrechten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Bartelt [FDP])
Daher ist die verfassungsrechtliche Aussage klar: Unsere Verfassung verbietet es uns als Gesetzgeber nicht, die Widerspruchslösung einzuführen. Ich glaube sogar: Im Gegenteil, sie gebietet diese Widerspruchslösung. Deswegen lassen Sie uns diese jahrelange, diese quälende Debatte beenden. Wir wollen Menschen zu überleben helfen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Lassen Sie uns diese Debatte zu einem guten Ende führen! Lassen Sie uns den Menschen neue Hoffnung geben! Lassen Sie uns zu einer Kultur des Beistehens, zu einer Kultur der Mitmenschlichkeit und zu einer Kultur der Verantwortung kommen!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Bartelt [FDP])
Das letzte Wort in dieser Debatte hat der Kollege Dr. Karl Lauterbach.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7618884 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Transplantationsgesetzes |